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Das Kanzleramt ist für SPD-Chef Martin Schulz nach anfänglichem Umfragehoch wieder in weite Ferne gerückt. Aber er hat es nach wie vor fest im Blick.

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Angela Merkels Urlaubsroutine: Zuerst Bayreuth, dann Südtirol.

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Es sind beruhigende Bilder, die die Deutschen dieser Tage aus Südtirol erreichen. Sie sehen ihre Bundeskanzlerin in karierter, bequemer Bluse und in festen Wanderschuhen. Die Fotos von 2016 sahen ähnlich aus, die vom Sommer davor ebenso.

Angela Merkel, im immer gleichen Viersternehotel, mag es bodenständig. Heuer ist der "Normalo-Urlaub" erst recht ein Signal: Am 24. September wird gewählt, aber Merkel kann sich die Auszeit leisten. Keine Hektik, kein Abweichen von der Norm, es läuft.

Anders sieht es bei ihrem Herausforderer aus: SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz denkt nicht mal an Urlaub, er arbeitet bis zum Wahltag durch. Heute, Dienstag, präsentiert sein Generalsekretär Hubertus Heil die Plakatkampagne, das ist der offizielle Start in die heiße Wahlkampfphase.

Es gilt das Motto: Wenn die SPD in Umfragen hinten liegt, dann will sie wenigstens bei den Aktivitäten die Nase vorne haben; natürlich in der Hoffnung, aufzuholen. Diesbezüglich ist viel Luft nach oben. Die Union liegt in der neuesten Infratest-Dimap-Umfrage bei 40 Prozent, die SPD bei 23.

Eine Neuauflage der großen Koalition unter Führung von Merkel wäre daher auch das einzig stabile Zweierbündnis. Die Mehrheit der Deutschen wäre ohnehin dafür, und auch die Kanzlerin selbst hat durchblicken lassen, dass eine weitere "GroKo" nicht der Weltuntergang wäre. "Wir werden sagen können, dass die Bilanz der großen Koalition eine gute ist", sagte sie schon im Mai.

"Opposition ist Mist"

Doch die SPD will raus aus der großen Koalition und keinesfalls mehr den Juniorpartner geben. Zwar gilt in der Partei immer noch der legendäre Satz von Exparteichef Franz Müntefering: "Opposition ist Mist." Aber für den Fall, dass Merkel nach Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier (2009), Kanzlerkandidat Peer Steinbrück (2013) nun auch Kanzlerkandidat Martin Schulz hinter sich auf Platz zwei verweist, dürfte klar sein: Unter Merkel regiert die SPD nicht mehr mit.

Natürlich hegt man im Willy-Brandt-Haus trotz der äußerst bescheidenen Umfragewerte noch die Hoffnung, dass ein Gang in die Opposition nicht nötig sein wird, sondern dass Schulz ins Kanzleramt einzieht. An eine Neuauflage von Rot-Grün (1998 bis 2005) glauben dabei aber nicht einmal mehr die größten Optimisten.

Es wird für ein solches Zweierbündnis nicht reichen. Nicht nur die Sozialdemokraten schwächeln, auch die Grünen haben zu kämpfen. Sie kommen in Umfragen auf sieben bis neun Prozent und können somit das Tief der SPD nicht ausgleichen.

Paradoxerweise gibt es jene Mehrheit, mit der Schulz Kanzler werden könnte, im Bundestag bereits. Eine Koalition aus SPD, Grünen und der Linken hätte in den vergangenen Jahren jederzeit den Kanzler stellen und regieren können. Doch die rechnerische linke Mehrheit wurde politisch nicht genutzt – außer Ende Juni, als dieses Bündnis – allerdings mit Unterstützung aus der Union – die Ehe für alle durchsetzte.

Dreierbündnis nötig

Als Schulz im März mit 100 Prozent zum SPD-Chef gewählt wurde und der Hype um ihn am Höhepunkt war, deutete einiges darauf hin, dass er diesen Weg einschlagen würde, zumal er sich vor der Wahl im Saarland am 26. März recht wohlwollend über den dortigen Linken-Fraktionschef Oskar Lafontaine äußerte und dessen Erfahrung lobte. Damit vergraulte er aber doch viele Wähler.

Mittlerweile ist es um ein linkes Bündnis wieder ruhiger geworden – nicht zuletzt, weil viele Sozialdemokraten und Grüne den Linken vorwerfen, sich von der Gewalt während des G20-Gipfels nicht genug distanziert zu haben.

Zuerst müsste ja erst mal das Wahlergebnis stimmen. Das gilt auch für eine Ampel aus SPD, Grünen und FDP, für die Schulz bereit wäre. Aktuell reicht es nicht.

Doch wenn nur die Oppositionsbank für die Sozialdemokraten bleibt, muss sich auch Merkel umschauen, Groko geht dann ja nicht mehr. Schwarz-Gelb, also ein Bündnis mit der FDP, wäre aus Sicht vieler Unionisten grundsätzlich die ideale Lösung.

Aber die FDP war jetzt eine Legislaturperiode lang nicht im Bundestag. Dass Merkel auch mit den Grünen könnte, ist kein Geheimnis. Mittlerweile sagt sogar CSU-Chef Horst Seehofer: "Natürlich wären die Grünen kein angenehmer Partner. Aber Wahlergebnisse suchen sich ihre Koalitionen."

Schleswig-Holstein macht mit "Jamaika" gerade vor, was viele für den Bund nicht mehr ausschließen: CDU, FDP und Grüne an einem Tisch. Die Union hätte nichts dagegen – Hauptsache, Merkel bleibt Bundeskanzlerin. (Birgit Baumann aus Berlin, 1.8.2017)