Berlin/Rom – Der italienische Verhaltenskodex für private Seenotretter im Mittelmeer verstößt nach einem Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages gegen das Völkerrecht. In der Expertise (nachzulesen hier) werde die völkerrechtliche Pflicht der EU-Staaten unterstrichen, bei der Rettung von Menschen aus Seenot zusammenzuarbeiten und auch Hilfe leistenden zivilen Schiffen einen Nothafen anzubieten.

Die Wissenschaftlichen Dienste kämen auch zu dem Ergebnis, dass es internationalen Abkommen widerspreche, Flüchtlinge nicht mehr von kleineren auf größere Schiffe wie Frachter oder Containerschiffe umsteigen zu lassen. Jeder Staat müsse dafür sorgen, dass der Kapitän des Hilfe leistenden Schiffes so schnell wie möglich die Geretteten absetzen und "seinen ursprünglichen Kurs ohne größere Umwege wieder aufnehmen kann", heißt es in dem Papier.

Italien verschärft Druck

Die italienische Regierung verschärft indes den Druck auf die im Mittelmeer aktiven Hilfsorganisationen, die den Verhaltenskodex für private Seenotretter nicht unterzeichnet haben. Sieben der neun im Mittelmeer aktiven NGOs hatten ihre Unterschrift unter den Verhaltenskodex am Montagabend nach drei Verhandlungsrunden verweigert. "NGOs, die den Verhaltenskodex nicht unterzeichnen, werden nur schwer weiter im Mittelmeer zum Einsatz kommen können", erklärte der italienische Innenminister Marco Minniti laut der Tageszeitung "La Stampa".

Der Minister betonte erneut, dass Regeln für Rettungseinsätze von Flüchtlingen im Mittelmeer dringend notwendig seien. "Das Mittelmeer ist in den letzten eineinhalb Jahren zu einem Dschungel geworden", klagte Minniti. Die meisten Hilfsorganisationen – darunter Ärzte ohne Grenzen – hatten ihre Unterschrift unter den Verhaltenskodex wegen rechtlicher Bedenken und Sorgen um ihre Unabhängigkeit verweigert.

Ermittlungen gegen deutsche NGO

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im sizilianischen Trapani gegen die deutsche NGO Jugend Rettet wegen möglicher Beihilfe zur illegalen Einwanderung beobachtet Minniti mit großer Aufmerksamkeit. Die Untersuchung könne seiner Ansicht nach zeigen, dass ein Verhaltenskodex für Privatretter notwendig sei.

Italienische Medien berichteten am Donnerstag über häufige Kontakte zwischen Crewmitgliedern von Jugend Rettet und Schleppern auf hoher See. In einigen Fällen hätten Crewmitglieder Schleppern Schlauchboote zurückgegeben, nachdem Migranten an Bord des NGO-Schiffes "Iuventa" genommen worden waren. Die Besatzung der "Iuventa" soll mehrmals Migranten an Bord genommen haben, die noch in Begleitung von libyschen Schleppern und nicht in Lebensgefahr gewesen seien. Das Schiff war am Mittwoch von den italienischen Justizbehörden bei Lampedusa beschlagnahmt worden. Von der Durchsuchung des Schiffes erhofften sich die Behörden Beweise für einen mutmaßlichen Kontakt mit Kriminellen. (APA, red, 3.8.2017)