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Elisabeth Moss in ihrer Rolle als Offred in der neuen Serie "The Handmaid's Tale".

Foto: AP/George Kraychyk

Frauen ist es verboten zu arbeiten, zu lesen und zu schreiben. Sie haben keinen Zugang zu ihren Bankkonten oder Ersparnissen, denn Frauen haben kein Recht mehr auf Eigentum.

In einer solchen Welt findet sich die Hauptfigur der Serie "The Handmaid's Tale" wieder. Relativ schnell wird damit ein düsteres Bild einer nahen dystopischen Zukunft vermittelt. Doch diese Entwicklung ist erst der Anfang einer Reihe an Gesetzesänderungen und Einschränkungen durch die Führungsriege im patriarchalen Gottesstaat Gilead, den neuen Vereinigten Staaten von Amerika.

Frauen als Eigentum

Erzählt wird die Geschichte in "The Handmaid’s Tale", einer Eigenproduktion der amerikanischen Streaming-Plattform Hulu, von der Protagonistin Offred. Ihr Name steht für Of-Fred und soll anzeigen, dass sie das Eigentum "of Fred", ihrem "Kommandanten" ist. Offred, gespielt von Elisabeth Moss, bekannt aus "Mad Men", erzählt mittels inneren Monologs, wie sie in ihre miserable Lage gekommen ist.

Hulu

Sie berichtet davon, dass Fruchtbarkeit auf der ganzen Welt zu einem äußerst seltenen Phänomen geworden ist. Eine nukleare Katastrophe hat vermutlich dazu geführt. Die Putschistengruppe Söhne Jakobs stürzt daraufhin das US amerikanische Parlament und die Regierung, und ein Gottesstaat mit totalitären Gesetzen entsteht. Es handelt sich dabei um eine diktatorische Regierung, angetrieben von puritanischem Glauben, Erzkonservativismus und dem Alten Testament als Leitfaden.

Frauen haben keinerlei Rechte mehr – gehören sie jedoch zu den wenigen noch Fruchtbaren, dann dienen sie ab dem Zeitpunkt nur noch als Gebärmaschinen für die reiche Elite. Monatlich findet zu dem Zweck eine erbarmungslose Zeremonie statt: eine Art rituelle Vergewaltigung, bei der der Kommandant versucht, "seine" Magd zu schwängern. Die eigene Gattin muss diesem Vorgang ebenfalls beiwohnen. Wenn sich eine Handmaid zur Wehr setzt, wird ihr zur Strafe beispielsweise ein Auge entfernt. Ihr Körper muss nur noch so weit funktionieren, dass sie Kinder gebären kann. Auch mit der restlichen Bevölkerung wird nicht zimperlich umgegangen: Wer homosexuell ist oder bei Abtreibungen hilft, wird öffentlich erhängt.

Die Serie basiert auf dem gleichnamigen Roman der kanadischen Autorin Margaret Atwood aus dem Jahre 1985, auf Deutsch erschienen unter dem Titel "Der Report der Magd". Im Frühjahr 2017 kam nun die Serienadaption des klassischen Stoffes heraus und schlug Wellen. Bei den kommenden Emmys im September ist die Serie für 13 Auszeichnungen nominiert, darunter auch in den wichtigen Kategorien "Beste Dramaserie" und "Beste Hauptdarstellerin in einer Dramaserie".

Frauen dürfen alles – oder nichts

Sieht man sich die anderen Nominierungen der Emmys an, stellt man fest, dass es aktuell viele positive Gesellschaftsentwürfe rund um Frauen im TV zu sehen gibt, vermutlich mehr als je zu vor. Die Charaktere dürfen dabei endlich stark und fehlerhaft sein, wie jene in Orange is the New Black, Big Little Lies oder Veep. Den Frauen steht die Welt offen, zumindest auf den Bildschirmen. Da fällt "The Handmaid's Tale" eigentlich ziemlich aus der Rolle. Denn Frauen dürfen hier gar nichts. Und dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, scheint die Geschichte der Handmaids den Zeitgeist zu treffen – und das, obwohl sie über 30 Jahre alt ist.

Atwood begann mit dem Schreiben des Romans im Jahr 1984, als sie in Westberlin lebte, und verarbeitete darin ihre Reisen in die DDR und andere Länder hinter dem Eisernen Vorhang, wo Spionage und Überwachung Teil des Alltags waren. In den USA wurde Ronald Reagan gerade zum zweiten Mal zum Präsidenten gewählt. Bereits damals klagte man über sinkende Geburtsraten, und die politische Rechte in den USA begann ihren strikten Kampf gegen Abtreibung.

Unter Reagan wurde die sogenannte Mexico City Policy eingeführt. Diese besagt, dass NGOs, die mit Familienplanung und Aufklärung befasst sind, nicht über Abtreibung informieren, geschweige denn diese durchführen dürfen, sofern sie finanzielle Unterstützung der USA erhalten wollen. Das gilt auch für Organisationen, die außerhalb der Vereinigten Staaten, also beispielsweise in Teilen Afrikas oder Asiens, agieren.

Abtreibungsrechte

Heute sind es US-Präsident Donald Trump und sein Vizepräsident Mike Pence, der als Hardliner in Sachen Frauenrechte und Religion gilt, die die Gesetze machen. Nachdem die Policy unter Präsident Obama für acht Jahre stillgelegt war, wurde sie am 23. Jänner 2017 als eine der ersten Handlungen in Trumps Amtszeit wieder eingeführt. Viele Frauenrechtsgruppen haben daher begonnen, die Aufmerksamkeit rund um die Serie im Kampf gegen diese Entwicklungen zu nutzen: In den letzten Monaten gab es in den USA mehrere Proteste, bei denen Frauen in Outfits, die denen der Handmaids nachempfunden waren, auftraten.

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In Texas protestierten Frauen einer Gruppe für Abtreibungsrechte gegen die strenge Legislatur in dem Bundesstaat.
Foto: AP/Eric Gay

Gerade die Einschränkungen bei den Abtreibungsrechten und die geplanten Kürzungen der Finanzierung der Non-Profit-Organisation Planned Parenthood riefen die feministischen "Handmaids" auf den Plan. Plakate mit Aussagen wie "Handmaid's Tale ist keine Bedienungsanleitung" waren auch schon beim Women's March im Jänner zu sehen. Die völlige Entrechtung von Frauen, so wie sie im patriarchalen Gottesstaat Gilead stattfindet, scheint für viele schon zu nah an der Realität zu sein.

Der Teufel liegt im Detail

Denn es gibt viele kleine Bemerkungen und Vorkommnisse in der Handlung, die weder sonderlich absurd noch fremd erscheinen. Proteste, die an den Women’s March erinnern und brutal niedergeschlagen werden, misogyne Beschimpfungen auf offener Straße, gegen die man sich machtlos fühlt, oder der Vorwurf, dass eine der jungen Frauen selbst schuld gewesen sei an ihrer Vergewaltigung.

Auch die Forderung der Führung von Gilead nach der Ehe exklusiv zwischen Mann und Frau mit dem Argument, dass alles andere wider die Natur und eine Ehe nur gültig sei, wenn aus ihr Kinder hervorgehen könnten, ist kein Relikt aus einer längst vergangenen Zeit, sondern in vielen Ländern weltweit noch Realität, auch in Österreich. So forderte Manfred Haimbuchner von der FPÖ erst vor kurzem, dass der "Franz nicht den Lois heiraten darf", und positionierte sich damit ganz klar gegen die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben.

Die Autorin des Buches sagt selbst über die Ereignisse in ihrer Erzählung, dass alles, was in der Handlung passiere – egal wie brutal oder ungerecht –, bereits irgendwann in der Geschichte vorgekommen sei: Sklaverei, das Leseverbot für Frauen, weibliche Genitalverstümmelung, Steinigungen. Das alles sind Phänomene, die nicht überall der Vergangenheit angehören. Vermutlich ist das der Grund dafür, dass der Stoff immer noch zeitgemäß wirkt und das Buch seit seiner Erscheinung als Klassiker der US-amerikanischen Literatur gilt.

Die Autorin Margaret Atwood bei der Premiere der Serie "The Handmaid's Tale".
Foto: APA/AFP/Robyn Beck

Düstere Zukunftsaussichten

Die Dystopie in "The Handmaid's Tale" wurde durch einen Mangel an Aktivismus und Engagement in der Zivilbevölkerung möglich. Offred erinnert sich daran, wie sie viele Veränderungen und Einschränkungen in ihrem Alltag Stück für Stück hingenommen habe, ohne jemals daran zu denken, dass etwas wirklich Schlimmes passieren würde. Sie merkt an, dass es nicht einmal Aufstände gegeben habe, als die Verfassung ausgesetzt wurde. Die Leute seien lieber zu Hause geblieben und hätten ferngesehen.

In der fiktionalen Welt der Protagonistin herrschte Angst vor Terror, und der Staat räumte sich deshalb immer mehr Rechte zur Überwachung ein. Die kleinen Änderungen, die dahingehend unternommen wurden, waren für die meisten jedoch noch kein Grund, auf die Straße zu gehen. Bis plötzlich von einem Tag auf den anderen mittels ein paar weniger Mausklicks alle Rechte auf einmal weg waren. Offred zeigt sich diesbezüglich auch durchaus selbstkritisch, wenn sie den Vorwurf äußert, dass alle erst aufgewacht seien, als es zu spät gewesen sei, etwas zu ändern. (Julia Sahlender, 13.8.2017)