Foto: Call of Duty

Forscher der Universität Montreal behaupten nach einer vierjährigen Studie, erste Zusammenhänge zwischen dem Spielen von Shootern und dem Verlust von Hirnzellen gefunden zu haben. Dabei handelt es sich um graue Substanz in jenen Teilen des Gehirns, die mit dem Gedächtnis beziehungsweise dem Erinnerungsvermögen verbunden sind. Diese Hirnschäden können neurologische Erkrankungen wie Depressionen, Alzheimer und Posttraumatisches Stresssyndrom auslösen.

Gleichzeitig übten Forscherkollegen Kritik an der Art und den Erkenntnissen der Studie.

Lerntypen

Für die Studie waren Gregory West und Véronique Bohbot zuständig, die insgesamt 97 Versuchspersonen (51 Männer, 46 Frauen) in zwei Gruppen teilten. Die Kandidaten waren allesamt gesunde Nichtspieler im Alter von 18 bis 30 Jahren. Vor und nach den Tests wurden die Zustände des Hirns aufgezeichnet. Unter den Teilnehmern gab es zwei verschiedene Lerntypen: Diejenigen, die räumliche Gedächtnisstrategien bevorzugen, orientieren sich an Wegmarkern und Umgebungsmerkmalen. Auf der anderen Seite gibt es das implizite Lernen, wobei die Person hier unterbewusst Muster erlernt und anwendet beziehungsweise eher passiver auf die Situation reagiert. Das Hirn schaltet hier quasi auf Autopilot, statt bewusst zu handeln.

Ergebnisse der Versuchspersonen

Die Probanden mussten 90 Minuten lang, je nach Gruppe, einen First-Person-Shooter oder einen 3D-Platformer spielen. Der Grund dafür: Während FPS-Games darauf setzen, dass sich die Spieler die Steuerung einprägen, um dann die gelernten Mechanismen zu wiederholen, ist bei sogenannten Platformern der Orientierungssinn gefragt. West stellte in der Studie fest, dass bei den Shooter-Kandidaten die graue Substanz im Hippocampus verringert wurde – und zwar bei den impliziten Lernern. Durch die unterbewusste Anwendung von Mechanismen wird der Hippocampus seltener genutzt, was den Verlust beziehungsweise Schwund von Zellen zur Folge haben kann. Später im Leben kann dies zu Komplikationen führen, so West.

Die 3D-Platformer-Kandidaten wiesen ein Wachstum im Hippocampus auf, unabhängig davon, welchem Lerntyp sie angehörten. Laut West könnte diese Art von Spiel dafür sorgen, das Hirn so weit zu trainieren, um wieder graue Substanz aufzubauen.

Kritik an der Studie

West betont allerdings, dass der Fund noch kein Beleg für seine These ist, da Langzeitstudien dafür notwendig wären. Die Zusammenhänge zwischen Hirnverkümmerung und Shooter-Spielen sei noch kein Beweis für auftretende Krankheiten wie Alzheimer. Dies müsse über die Jahrzehnte hinweg noch erforscht werden. Oxford-University-Professor Andrew Przybylski sprach seine Zweifel gegenüber derartigen Studien aus. Die Rückbildung im Hippocampus könnte nicht eindeutig mit Demenz in Verbindung gebracht werden.

Weitere Aspekte

Die Studie zeigt zwar die ersten Zusammenhänge zwischen dem Verlust von grauer Substanz und dem Spielen von First-Person-Shootern, doch hierbei müssten auch andere Faktoren berücksichtigt werden. Beispielsweise der sonstige Medienkonsum der Probanden, ihr privates Umfeld, ihre Ernährung und sogar der Bildungsgrad. Außerdem werfen die Umstände beim 90-minütigen Test die Frage auf, wie konzentriert beziehungsweise interessiert die Kandidaten die Aufgabe angegangen sind. Da es sich um Nichtspieler handelt, kann es durchaus sein, dass die Shooter-Gruppe die Partien etwas passiver, also im "Autopilot" bestritten hat. Dies dürfte im Hippocampus andere Auswirkungen haben als beispielsweise ein aktives Engagement. (ke, 9.8.2017)