Wien/Paris – In einem Bar-&-Grill-Restaurant im Abflugterminal des Flughafens von Jacksonville, Florida, sitzen am 11. April 2013 ein französischer Geschäftsmann und die Witwe eines afrikanischen Diktators beim Mittagessen beisammen. Frederic Cilins, Ende 40, und Mamadie Touré, Anfang 30, unterhalten sich auf Französisch. Bei ihrer jüngsten Einreise in die USA hätten sie zwei FBI-Agenten am Flughafen abgefangen und ihr Fragen zu einem Bestechungsskandal rund um eine Bergbaukonzession in Afrika gestellt, erzählt Touré.

Cilins wird daraufhin nervös, drängt Touré, "die Dokumente" "schleunigst" zu vernichten. Nicht bei ihr zu Hause, sondern an einem sicheren Ort. Er müsse als Zeuge dabei sein. Im Gegenzug sagt er ihr Geld zu, in diesem Gespräch eine Million US-Dollar.

Wenige Tage später wird Cilins verhaftet. Das FBI hatte das Gespräch in Jacksonville, so wie unzählige frühere Unterhaltungen der beiden, abgehört und in späteren Verfahren dokumentiert.

Mamadie Touré und Frederic Cilins sind zwei Hauptakteure in einer seit über zehn Jahren andauernden Korruptionssage rund um den israelischen Geschäftsmann und Multimillionär Beny Steinmetz. Die Geschichte spielt auf drei Kontinenten, es gab und gibt strafrechtliche Ermittlungen in der Causa in Israel, den USA, Guinea, der Schweiz und Großbritannien.

Viele Vorwürfe

Es geht um Schmiergeld, Milliardenzahlungen, Bergbaurechte. Steinmetz ist inzwischen auch in Österreich bekannt. Anfang der vergangenen Woche wurde er mit vier weiteren Personen in Israel verhaftet – am Freitag erfolgte seine Enthaftung. Unter den Festgenommenen war mit Tal Silberstein ein wichtiger externer Berater von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ).

Silberstein soll Steinmetz bei seinen Rumänien-Geschäften beraten haben, die SPÖ beendete die Zusammenarbeit. In einem Unternehmen in Rumänien, an dem Steinmetz beteiligt ist, sitzt auch Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer als Direktor.

Im Fokus der Ermittler: Der Geschäftsmann Beny Steinmetz.
Foto: APA / AFP / Jack Guez

Der in Israel verhafteten Gruppe um Steinmetz werden Betrug, Urkundenfälschung, Untreue, Geldwäsche und Behinderung der Justiz vorgeworfen. Für alle gilt die Unschuldsvermutung.

Nicht in Israel, im Ausland sollen die Taten begangen worden sein, wie ein leitender israelischer Ermittler gegenüber Medien mitteilte. Kryptisch sprach er davon, dass sich die Verdachtslage aus einem ersten Kriminalfall in einem zweiten Fall erhärtet hat. Der zweite Fall, so mutmaßen israelische Medien, betreffe das Korruptionsverfahren in Rumänien rund um die Immobilientransaktionen von Steinmetz.

Ein besonderer Hotelgast

Der erste Kriminalfall ist es aber, der seit Jahren die internationale Justiz auf Trab hält. Diese Geschichte beginnt 2005 in Guinea.

Ein französischer Geschäftsmann namens Frederic Cilins, jener Cilins, der später in Florida verhaftet wird, quartiert sich damals im Novotel in der guineischen Hauptstadt Conakry ein. Cilins ist viel in Westafrika unterwegs zu dieser Zeit. Er soll im Auftrag der Beny Steinmetz Group Resources (BSG) Möglichkeiten ausloten, in das Bergbaugeschäft in Guinea einzusteigen.

So steht es in Gerichtsunterlagen, die der Staat Guinea im Zuge eines Verfahrens vor dem Schiedsgericht der Weltbank in Paris eingereicht hat und in die der STANDARD Einsicht nahm. Das Verfahren vor dem Weltbankgericht ist eines der unzähligen Verfahren in der Causa. Doch dazu später.

Beny Steinmetz, 1956 in Netanya, Israel, geboren, steigt über das Diamantengeschäft seines Vaters ("Rubin Steinmetz und Söhne") in das Geschäft mit Rohstoffen ein. Mit seinem Bruder gründet er die Steinmetz Diamonds Group, ist in Südafrika, Namibia, Botswana und Indien tätig.

Simandou in Guinea gilt bei Rohstoffunternehmen weltweit als ein Art bisher nicht gehobener Schatz. Nirgendwo auf der Welt sollen größere Eisenerzreserven lagern.
Rio Tinto

Die Region Simandou in Guinea weckt 2005 das Interesse der Steinmetz-Gruppe: Dort sollen die größten unberührten Eisenerzvorkommen der Welt lagern. Die Rechte an den vier Parzellen in Simandou gehören seit den 1990er-Jahren dem Bergbaukonzern Rio Tinto. Dieser hat vor Ort aber bislang nichts in die veralteten Minen investiert, der Eisenerzabbau ist nicht gestartet, was Guineas Regierung frustriert.

Cilins verbringt ein halbes Jahr in Conakry und versucht, an Entscheidungsträger ranzukommen. Er knüpft Kontakte. Cilins soll diverse "Geschenke" verteilt haben, unter anderem an Mitarbeiter im Business Center des Novotel, damit diese ihm Einsicht in kopierte und gedruckte Dokumente geben. Cilins soll so an Informationen und interessante Geschäftsleute herangekommen sein, heißt es in Gerichtsunterlagen aus Guinea.

Des Diktators vierte Frau

Cilins lernt schließlich Mamadie Touré kennen. Sie ist die vierte und jüngste Ehefrau des seit den 1980er-Jahren in Guinea regierenden Diktators Lansana Conté. Menschenrechtsaktivisten werfen Conté vor, Oppositionelle und Regimekritiker einzusperren oder ermorden zu lassen. Mamadie Touré stellt Cilins dem Präsidenten vor – und der ist angetan von den potenziellen Investoren.

Der Staat Guinea wirft der Steinmetz Group heute vor, in den darauffolgenden Monaten systematisch Bestechungsgelder und Geschenke, wie einen mit Diamanten verzierten Wagen, an Politiker und Funktionäre ausbezahlt und verteilt zu haben, um die Abbaurechte in Simandou zu erhalten. So steht es in den vom Land eingereichten Unterlagen im Schiedsverfahren vor der Weltbank. Eine in dieses Verfahren involvierte Person, die anonym bleiben will, nennt dem STANDARD die Summe von bis zu 14 Millionen US-Dollar, die geflossen sein sollen.

Die Briefkastenfirma

Der Vorwurf: Cilins soll mit Partnern eine Briefkastenfirma namens Pentler gegründet haben. Über diese Firma, die in Wahrheit von Steinmetz kontrolliert worden sein soll, liefen die Zahlungen. Mehrere Vereinbarungen sollen verschriftlicht worden sein: Die Ehefrau des Diktators Conté unterzeichnet etwa einen Vertrag, in dem ihr und allen anderen, die sich erfolgreich dafür einsetzten, dass BSG die Abbaurechte erhält, vier Millionen US-Dollar und eine fünfprozentige Beteiligung am Simandou-Projekt zugesagt werden.

Alles geschah auf Anordnung von Steinmetz, argumentieren Anwälte Guineas. Als Beleg haben sie diverse angebliche Schriftsätze von Steinmetz und seinen Mitarbeitern an das Weltbank-Tribunal überreicht.

BSG bestreitet all diese Vorwürfe vehement – man sei legal an die Abbaurechte gekommen und habe keine geschäftlichen Beziehungen zu Herrn Cilins unterhalten, sagte ein Unternehmenssprecher dem STANDARD.

Unbestritten ist, dass BSG in Guinea zunächst erfolgreich war: Dem Bergbauunternehmen Rio Tinto werden vom Staat die Rechte an Parzelle eins und zwei in Simandou entzogen. Die Steinmetz-Gruppe erhält 2008 dafür die Rechte, ohne etwas zu bezahlen. Das ist laut Experten ein nicht ungewöhnlicher Vorgang bei Bergbauverträgen in Entwicklungsländern. Guinea wollte sich später an den Einnahmen aus dem Eisenerzabbau beteiligen.

Kaufpreis: 2,5 Milliarden US-Dollar

Doch wenige Wochen nach dem Deal stirbt Diktator Conté. In den folgenden, politisch turbulenten Monaten macht die Steinmetz-Gruppe, auch das ist unbestritten, einen großen Deal. Das Unternehmen verkauft 51 Prozent der Anteile an Parzelle eins und zwei an den brasilianischen Bergbaukonzern Vale. Kaufpreis: 2,5 Milliarden US-Dollar, eine halbe Milliarde fließt sofort. Es ist April 2010.

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Minenverkäufer und Guineas Langzeitdiktator Lansana Conté.
Foto: picturedesk / AFP / Seyllou Diallo

Wie in den Weltbank-Prozess involvierte Personen berichten, soll auch ein Geschäftsmann aus Österreich, Martin Schlaff, bei dem Versuch, die Mine zu verkaufen, vermittelt haben – letztlich erfolglos. Danach befragt, übermittelt ein Sprecher Schlaffs folgende Stellungnahme: "Ich schätze Herrn Steinmetz als seriösen, erfolgreichen Unternehmer und finde ihn sowie seine Familie besonders sympathisch. Diese Meinung steht nicht zur Disposition von Ermittlungsbehörden und Medienberichterstattung." Und: Schlaff nehme zu seinen Geschäftsbeziehungen nicht öffentlich Stellung.

Ab dem Jahr 2010 jedenfalls beginnen sich die Beziehungen zwischen Guinea und der BSG-Gruppe zu verschlechtern. Im Dezember 2010 wird der erste demokratisch gewählte Regierungschef Guineas, Alpha Condé, vereidigt. Als eine seiner ersten Amtshandlungen ordnet er die Überprüfung der Bergbaukonzessionen an.

Ein bitterarmes Land

Guinea war damals wie heute ein bitterarmes Land, auf dem Uno-Index für menschliche Entwicklung liegt Guinea auf Rang 183 von 188 Staaten. Die Lebenserwartung liegt bei 58 Jahren. Fast 100 von 1000 Kindern sterben vor dem fünften Lebensjahr (in Österreich sind es vier). Das hauptsächlich muslimische Land mit seinen zwölf Millionen Einwohnern verfügt über nur eine nennenswerte Einkommensquelle: nämlich Rohstoffe wie Bauxit und Gold. Darum sind die Bergbaurechte für die Wirtschaft des Landes so wichtig.

Guineas erster gewählter Regierungschef Alpha Conde.
Foto: APA / AFP / Ahmed Ouoba

Die in Guinea eingesetzte Untersuchungskommission kommt 2014 zu dem Schluss, dass in Simandou Korruption im Spiel war. Der Steinmetz-Gruppe werden die Rechte für das Projekt entzogen. Das ist der Auftakt für zahlreiche Justizverfahren.

Die Witwe in Florida

In den USA nimmt das FBI Ermittlungen auf. Die Witwe von Diktator Conté, Mamadie Touré, lebt inzwischen in Florida. Sie hat dort mehrere Häuser erworben, einige Zahlungen aus Guinea sind auf Konten in Florida gelandet. So zumindest steht es in den Unterlagen, die das FBI im Zuge der Ermittlungen später bei Gericht einreichen wird und in die DER STANDARD Einsicht nahm.

Das FBI findet rasch Belege für Unregelmäßigkeiten: Mamadie Touré willigt jedenfalls in eine Zusammenarbeit mit den Behörden ein, sie wird eine kooperative Zeugin, "cooperative witness". Das FBI stuft sie als "verlässlich" und ihre Angaben als akkurat ein.

Mamadie Touré sorgt dafür, dass Frederic Cilins den Behörden ins Netz geht, nachdem er sie dazu gedrängt hat, belastendes Material zu vernichten. Cilins bekannte sich nach seiner Verhaftung schuldig und saß zwei Jahre wegen Behinderung der Justiz ab.

In den FBI-Ermittlungen soll der eigentliche Fokus auf Beny Steinmetz liegen. Laut New Yorker führt ihn das FBI damals als "Co-Conspirator", Mitverschwörer, in der Causa. Die Financial Times berichtet, dass auf Tonaufnahmen aus Jacksonville zu hören ist, dass "Beny" die Vernichtung der Dokumente wollte. Sicher ist, dass neben den USA auch in der Schweiz – Steinmetz hat einen Wohnsitz in Genf -, in Guinea und in Großbritannien strafrechtliche Ermittlungen in der Causa anlaufen. Anklage gegen Steinmetz wurde bisher nicht erhoben.

Steinmetz sieht Erpressung

Laut israelischer Staatsanwaltschaft laufen Untersuchungen des FBI gegen den Geschäftsmann. Ende 2016 wurde Steinmetz in Israel verhaftet und musste eine Sicherheitszahlung in Höhe von 20 Millionen US-Dollar hinterlegen. Laut Medienberichten stand auch dies im Zusammenhang mit den Guinea-Ermittlungen.

Ein Prozess findet aktuell vor dem Weltbankgericht in Paris statt: Die BSG-Gruppe hat dort 2014 Guinea auf Schadenersatz verklagt. Das Unternehmen sieht die Enteignung als politisch motiviert an. BSG wirft dem aktuellen Regime in Guinea vor, über eine Milliarde Dollar verlangt zu haben, damit die Abbaurechte weiter bestehen bleiben.

BSG ortet darin Erpressung seitens der Regierung und zahlte nicht. In Guinea bestätigt man, dass eine solche Zahlung verlangt wurde, doch dies sei der faire Anteil gewesen, der dem Staat zustehe. In dem Pariser Schiedsverfahren wurden die Zeugeneinvernahmen im Juni abgeschlossen, Steinmetz sagte via Videoschaltung aus.

Rio Tinto klagte vergeblich

In der Causa geklagt hat aber auch Rio Tinto. Das Unternehmen warf BSG und seinem brasilianischen Partner Vale vor, bei Entzug seiner Rechte in Simandou mitgewirkt zu haben. Ein New Yorker Richter wies diese Klage 2015 wegen Verjährung ab. Vale hat vor einem Londoner Schiedsverfahren BSG geklagt, weil seine eigene Beteiligung an Simandou nichts mehr wert ist.

In einem Nebenstrang der Causa hat Steinmetz eine Klage gegen den US-Investor George Soros in New York eingebracht. Soros fungierte als ein Berater des gewählten Präsidenten Alpha Condé. Er unterstützte die Ermittlungen in der Causa Simandou finanziell, vermittelte auch eine Londoner Anwaltskanzlei, die in Guinea die Untersuchung in dem Fall federführend vorangetrieben hatte.

An dieser Stelle würde man gerne wissen, wie das Unternehmen BSG heute denkt. Ein Sprecher erklärt, dass man bis heute nicht genau wisse, was Herrn Steinmetz in Israel vorgeworfen wird. Mit der Geschichte aus Guinea habe das nichts zu tun. Von den US-Behörden habe man seit inzwischen drei Jahren nichts gehört. Die Ermittlungen in der Schweiz seien beendet – das Ergebnis kenne man aber noch nicht. Die Vorwürfe gegen BSG resultieren daraus, dass Guinea einen Grund haben wollte, um das Unternehmen zu enteignen.

Der Causa nahestehende Personen aufseiten Guineas sehen das anders: Die Geschäfte mit der Mine spielten in der ganzen Causa die zentrale Rolle. Steinmetz habe die 500 Millionen, die er für den Verkauf seiner Anteile erhalten habe, investiert, unter anderem in diverse Immobilienprojekte.

Diskrete Konstruktionen

Steinmetz selbst ist rechtlich nicht Eigentümer der BSG-Gruppe, er fungiert offiziell nur als Berater. Laut dem Unternehmen ist er einer der wirtschaftlichen Eigentümer. Der STANDARD nahm Einsicht in die Errichtungsurkunden der Firma BSG auf der Kanalinsel Guernsey, die für ihre Diskretion bekannt ist. BSG gehörten demnach zunächst vier andere Unternehmen, drei aus den British Virgin Islands, eine weitere Gesellschaft aus Guernsey – ein wirklicher Eigentümer lässt sich nicht ausfindig machen. Insgesamt waren gut zwölf Gesellschaften in Guernsey Teil der BSG-Gruppe, rund die Hälfte ist noch aktiv.

Alfred Gusenbauer war für den STANDARD nicht erreichbar. Andere Geschäftspartner von Steinmetz in Österreich wollten sich nicht äußern.

Die Bergbaurechte in Simandou haben Guinea kein Glück gebracht. Bis heute, heißt es aus der Hauptstadt Conakry, werde in der Region kaum Eisenerz abgebaut. (András Szigetvari, 19.8.2017)