Massive Polizeibewachung der Kathedrale Sagrada Família in Barcelona

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Während am Sonntag in der Sagrada-Família-Kathedrale in Barcelona der Trauergottesdienst für die 14 Todesopfer und mehr als 130 Verletzten der Terroranschläge der Vorwoche begangen wurde, gewann eine Hypothese der Ermittler zusehends an Gewicht: Demnach soll der Marokkaner Abdelbaki Es Satty (45) hinter der Planung der Attacken in Barcelona und Cambrils gestanden haben.

Erst seit wenigen Monaten war er der Imam von Ripoll, 100 Kilometer nördlich von Barcelona. Er soll es auch geschafft haben, die Attentäter – alle zwischen 17 und 34 Jahre alt – innerhalb von nur zwei Monaten zu radikalisieren, wie El Mundo berichtete. Das habe die Cousine des womöglich noch flüchtigen Younes Abauyaaqoub zu Protokoll gegeben. Dessen Mutter rief ihn dazu auf, sich der Polizei zu stellen. Diese geht aktuell von einer Zelle mit zwölf Mitgliedern aus. Keines von ihnen war zuvor laut der katalanischen Polizei Mossos d'Esquadra ins Visier der Behörden geraten.

Nach dem mußmaßlichen Fahrer des Anschlagswagens wird weiterhin gefahndet. Am Sonntag hatten die Sicherheitskräfte via Twitter erklärt, es gebe eine neue Spur. "Wir sind sehr nah an einer Person dran, die mit beiden Attentaten in Verbindung steht." Welche Rolle die Person bei dem Anschlag genau gespielt haben könnte, blieb zunächst offen. Polizeichef Josep Lluis Trapero räumte ein, dass einer der Verdächtigen bereits das Land verlassen haben könnte.

Arabisch- und Religionsunterricht für 80 Kinder

Satty wiederum, bis 2012 wegen Drogenhandels in Haft, gab in Ripoll knapp 80 Kindern und Jugendlichen Arabisch- und Religionsunterricht. El País berichtete unter Berufung auf Antiterrorfahnder von engen Kontakten des Mannes zum logistischen Apparat hinter den Terroranschlägen in Madrid am 11. März 2004 mit 192 Toten.

Er galt am Sonntag weiter als vermisst, doch es blieb möglich, dass er zu den drei Toten zählt, die am Mittwoch in Alcanar mit Sprengstoff hantierten und eine Explosion auslösten. Klarheit sollen Genanalysen liefern. Wäre der Plan der Terrorzelle aufgegangen, wären in Barcelona Eigenbaubomben aus bis zu 105 Butangasflaschen, Chemikalien und Schießpulver zum Einsatz gekommen – mit verheerender Wirkung.

Radikale Form des Islam

Wie David de Caixal vom US-amerikanisch-israelischen Antiterror-Consulter Secindef in La Tercera unterstreicht, "seien Katalonien und Barcelona das Epizentrum des Salafismus und des radikalen Islam in Spanien". Ein Drittel aller Moscheen würde von Salafisten geführt – in diesen sehe man potenzielle Brutstätten der Radikalisierung. Von knapp 600.000 Muslimen in Katalonien wiesen etwa 9.000 "ein radikalisiertes Profil" auf. De Caixal zufolge sei es der exzellenten Arbeit der spanischen Sicherheitskräfte – die auf eine jahrzehntelange Erfahrung im Kampf gegen die baskische Eta bauen können – zu verdanken, dass heuer bereits mehrere Anschläge hätten verhindert werden können.

Manuel Torres, Professor an der Universidad Pablo de Olavide in Sevilla, der zu internationaler Sicherheit forscht, weist auf eine Zunahme direkter Drohungen gegen Spanien in der Onlinekommunikation des Terrornetzwerkes "Islamischer Staat" (IS) und seiner Sympathisanten hin. Zwei der aktuellen Brennpunkte der Behörden im Antiterrorkampf sind neben Katalonien und Madrid die Nordafrika-Enklaven Ceuta und Melilla, insbesondere deren Stadtteile El Príncipe sowie La Cañada. Von hier aus wurde ein beachtlicher Teil der knapp 200 bekannten spanischen IS-Kämpfer in Syrien rekrutiert.

Rechtsextreme Aktionen

Zugleich versuchen – während auch Muslime landesweit gegen den Terrorismus demonstrieren – rechtsradikale Gruppen im Fahrwasser der Anschläge Islamophobie zu schüren; etwa der Movimiento Hogar Social (MHS), der am Samstag die Hauptmoschee in Granada mit Rauchbomben attackierte und dabei "Islamisten raus aus Europa" skandierte.

In Madrid versuchten MHS-Aktivisten, eine Schweigeminute für die Opfer zu stören. Auch die Fassade der Stiftung der Moschee von Sevilla sowie jene von Montblanc in der Provinz Tarragona, aber auch das Konsulat von Marokko wurden mit rassistischen Parolen besprüht. (Jan Marot aus Granada, 20.8.2017)