Paula Zibasa (17), eines der vielversprechendsten Talente der heimischen Bike-Szene, 'sending it' im Bikepark Innsbruck.

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Sabine Oswald ist die Macherin in Westösterreichs Bike-Szene und von Talenten wie Paula Zibasa.

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Oswald in ihrem Element. Noch lieber als Megaevents betreut sie den Bike-Nachwuchs.

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Die Zukunft des Bikens ist weiblich: In Tirol wächst dank Frauen wie Sabine Oswald eine neue Generation Bikerinnen heran.

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Bikesister Anita Posch will die Frauen der Szene vernetzen.

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Style for miles: Vloggerin Nina Gutenthaler alias Miss Peaches in ihrem Element.

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Innsbruck – Wer behauptet, die Mountainbike-Szene würde Frauen mit dem nötigen Respekt begegnen, ist Realitätsverweigerer. Denn obwohl der Sport von ihnen geprägt wird, sind sexistische Kommentare nach wie vor an der Tagesordnung. Leider unterscheidet sich unsere Szene in dieser Hinsicht überhaupt nicht von jener der Fußballer. Obwohl wir genau das immer so gern behaupten. Als Beleg dafür möge Mann sich nur einige der respektlosen Kommentare unter dem Porträt von Österreichs Freeride-Profi Angie Hohenwarter durchlesen.

Dass es wichtig ist, dies zu thematisieren, hat vergangene Woche Downhill-Profi Micayla Gatto beim Kurzfilmwettbewerb Dirt Diaries im Rahmen des Crankworx Festival in Whistler bewiesen. Sie hat mit Filmemacher Matt Dennison eine pointierte Kritik am Chauvinismus der Szene abgeliefert und damit prompt den ersten Platz abgeräumt. Ihre Persiflage auf Kendrick Lamars Song "Humble" wurde zum Internet-Hit und hält den Gravity-Mountainbikern den Spiegel vor. Ein willkommener Anlass, um anhand dreier Protagonistinnen der heimischen Radlszene darzulegen, dass Frauen keineswegs schmückendes Beiwerk, sondern bestimmender Faktor dieses Sports sind.

Mit ihrer Parodie auf sexistische Klischees in der Mountainbike-Szene hat Micayla Gatto einen Internet-Hit gelandet.
IFHT Films

Wer hierzulande Downhill- oder Endurorennen fährt, kennt sie: Sabine "Bine" Oswald. Die gebürtige Deutsche und studierte Politologin ist eigentlich per Zufall in Innsbruck aufgeschlagen. Seitdem sie in Tirol aber das Mountainbike-Fieber gepackt hat, ist sie zur maßgeblichen Gestalterin der heimischen Szene geworden. Als guter Geist von Trail Solutions, den Pionieren der Tiroler MTB-Szene, hat sie das Geschäft mit Trailbau und Rennorganisation von der Pike auf gelernt. Heute leitet sie zusammen mit ihrem Freund Daniel Tulla ihr eigenes Unternehmen, Mountainbike Movement. Ihr Meisterstück lieferte der sympathische Wirbelwind heuer mit dem Crankworx Festival in Innsbruck ab. Ohne Oswald wäre dieser Event niemals zustande gekommen und ein solcher Erfolg geworden.

Sabine Oswald – die Macherin

Neben Event- sowie Rennorganisation ist sie zudem Gründerin und Mastermind des MTB Downhill und Freeride Vereins Innsbruck. Dort engagiert sich Oswald vor allem in der Nachwuchsarbeit, insbesondere der Förderung junger weiblicher Talente wie etwa Paula Zibasa. Die 17-jährige Wahltirolerin mit lettischen Wurzeln gilt als große Zukunftshoffnung. Sie hat heuer ihre beiden ersten Junioren-Weltcup-Rennen bestritten – und gewonnen. Oswald ist hinter den Kulissen treibende Kraft, wenn es um die Förderung von Frauen im Mountainbike-Sport geht. So bezahlt ihr Verein etwa die Lizenzgebühren weiblicher Rennläuferinnen. "Und das wirkt, wenn man sich die vielen Frauen auf der Startliste beim Innsbrucker Downhill-Cup ansieht", verweist sie auf den Erfolg ihrer Arbeit.

Oswald hat schon 2012 mit Maria Frykman, die heute Women Ambassador für den Radhersteller Specialized ist, den Verein Flowsisters gegründet. Ziel war auch damals, mehr Frauen für den Mountainbike-Sport zu begeistern. "Der Zuspruch war enorm. Plötzlich zählten wir an die hundert Mädels", erinnert sich Oswald an den regen Zulauf aus Tirol und dem ganzen süddeutschen Raum. Damals sei man als Frau in Bike-Shops noch mit Kinderartikeln vertröstet worden. "Heute gibt es mehr spezifisch weibliche Produkte, aber es ist noch lange nicht perfekt", sagt Oswald. Einfach nur die Farbe Pink zu verwenden, wie das manche Hersteller nach wie vor tun, sei zu wenig, um die weibliche Zielgruppe zu erreichen.

Micayla Gattos Video findet Oswald großartig, weil darin "schön die Klischees ausgepackt werden". Denn es gibt noch immer viel zu tun, wie sie sagt: "Das beginnt bei der ungleichen Berichterstattung im Weltcup." In Sachen Produkte für Frauen verweist sie vor allem auf Technik: "Gerade bei Federelemente macht das sicher Sinn. Das war immer das Erste, was ich bei meinen Bikes wechseln musste." Wichtig sei, Frauen schon bei der Entwicklung mit einzubinden: "Bei Liv Cycles, der Frauenlinie von Giant, merkt man etwa, dass mit Ludi Scholz eine Expertin dabei ist." Scholz ist ebenfalls eine der maßgeblichen Frauen aus der Innsbrucker Szene und mittlerweile Brandmanagerin für Liv.

Anita Posch – Bikerinnen vernetzen

Grassroots-Arbeit am anderen Ende Österreichs leistet Anita Posch, die Gründerin der Plattform Bikesisters. Sie will damit Menschen zum Radfahren motivieren: "Mit Fokus auf die Zielgruppe Frauen." Posch ist selbst seit über 20 Jahren begeisterte Radfahrerin. War sie früher vor allem auf dem Mountainbike unterwegs, hat sie mittlerweile ihre Liebe zum Rennradfahren entdeckt. Warum sie nun die Plattform ins Leben gerufen hat? "Man wird als Frau in der Radszene immer noch gerne belächelt." Radfahren werde als "sehr technisches Hobby" wahrgenommen, bei dem Frauen von vorneherein die Kompetenz aberkannt wird. "Das beginnt im Bike-Shop, wo man als Frau kaum ernst genommen wird, auch wenn man sich auskennt", beklagt Posch.

Mit Bikesisters will sie Frauen und der Industrie eine Plattform bieten. Sie vernetzt Anbieter und Zielgruppe. Produkte, die auf ihrer Seite empfohlen werden, hat sie vorab kritisch getestet und für gut befunden. Zudem versucht Posch, einen Überblick zu frauenspezifischen Angeboten – etwa Fahrtechnikkursen – zu bieten. Und sie will Bikerinnen direkt vernetzen: "Mein Einstieg ins Radfahren passierte, wie bei vielen Frauen, über meinen damaligen Freund." Es sei nicht einfach, Gleichgesinnte für gemeinsame Ausfahrten zu finden. Bikesisters will auch das ändern und Bikerinnen zusammenführen.

Posch will das Rad dabei nicht neu erfinden, sondern auch auf der erfolgreichen Arbeit anderer Pionierinnen aufbauen. Sie rückt auf ihrer Homepage Frauen und ihre Unternehmungen in den Fokus, die den Sport und die Szene prägen. Wie etwa die Vereine Velochicks und Mitzi and Friends oder den Shop Radpunkt. Derzeit sucht Posch für ihre Plattform noch Mitstreiterinnen und lädt alle radsportbegeisterten Frauen, die gerne schreiben oder Social Media betreuen wollen, ein, sich ihr anzuschließen.

Nina Gutenthaler – Lifestyle einer Bikerin

Das neue Selbstbewusstsein und Selbstverständnis von Frauen in der Gravity-Szene verkörpert die Vloggerin Nina Gutenthaler alias Miss Peaches. Auf ihrem gleichnamigen Vlog auf der Videoplattform Youtube dokumentiert sie ihr Leben als begeisterte Freeriderin und Downhillerin – zusammen mit ihrem Traildog Rosie. Gutenthaler übernimmt die Codes der männerlastigen Bike-Vlogs und zeigt, dass Frauen ebenso "cool" oder "rad" sind wie Jungs. Der Erfolg gibt ihr recht. In etwas über zwei Monaten hat sie mehr als 10.000 Abonnenten auf ihrem Vlog versammelt. Auf Instagram folgen mehr als 25.000 Fans der Bikerin. Der Erfolg ist derart durchschlagend, dass sie in Kürze beginnen will, Geld mit ihren Online-Aktivitäten zu verdienen.

Auf ihrem Vlog erzählt Nina Gutenthaler, alias Miss Peaches aus ihrem Alltag als passionierte Bikerin.
Miss Peaches

Gutenthaler ist Profi, was Marketing anbelangt, und verdingt sich im zivilen Leben für einen Energydrink-Hersteller. Mit ihrem Vlog will sie vor allem authentisch sein und junge Frauen in der Bike-Szene inspirieren: "Ich war immer schon viel mit Männern unterwegs und habe kein Problem damit. Es ist wie bei allem: Man sollte machen, was einem Spaß macht, und sich dabei nicht verunsichern lassen." Von sich selbst sagt sie, dass sie "weder besonders schnell noch besonders gut fährt". Aber sie arbeite permanent an sich und ihrem Fahrstil: "Ich setze mir meine eigenen Ziele."

So weit drei Beispiele für Frauen, die der heimischen Radsportszenen ihren Stempel aufdrücken. Wie bereits eingangs erwähnt, stellen sie einen Ausschnitt dar. Diese Auswahl – noch dazu von einem männlichen Autor getroffen – erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Es fehlen so viele große und wichtige Namen, wie etwa Downhill-Legende Elke Rabeder, Vertriderin Sylvia Leimgruber, MTB-Gesamtweltcupsiegerin Lisi Osl, Jungstar Vali Höll, die Tourismusexpertin sowie begnadete Rennradlerin Esther Wilhelm und viele mehr. An Stoff für weitere Artikel über starke Bikerinnen mangelt es also nicht. (Steffen Arora, 22.8.2017)