SPÖ plakativ: "Holen Sie sich, was Ihnen zusteht."

FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH

"Eseleien" unter den Mitarbeitern, wenig solidarische Wahlkampfslogans à la "Holen Sie sich, was Ihnen zusteht" und manifeste Probleme mit den Spindoktoren lassen die Sozialdemokratische Partei Österreichs nicht zur Ruhe kommen. Auch der von der ÖBB geholte Spitzenmanager kann das Ruder allein nicht herumreißen. Die traditionsreiche Bewegung, die auf große Errungenschaften für die Arbeiterbewegung und weit darüber hinaus für ganz Österreich zurückblicken kann, ist scheinbar angezählt. Sind all diese Vorfälle nur Pech und das Schicksal meint es nicht gut mit der Sozialdemokratie, oder stecken im Unterbewusstsein der Parteigeschichte größere, nicht verarbeitete Problematiken? Fakt ist, dass es die SPÖ aktuell nicht wirklich schafft, im Wahlkampf Fuß zu fassen.

Personalentwicklung verabsäumt

Analog zu der Entwicklung eines Unternehmens wie beispielsweise Nokia hat sich die SPÖ zu lange auf den Lorbeeren der Vergangenheit und auf den Leistungen vorangegangener Granden wie Bruno Kreisky oder Helmut Zilk in Wien verlassen. In diesem Kontext wurde eine tiefgehende und langwierige Personalentwicklung verabsäumt. Die Probleme, die die Partei jetzt wie ein Orkan treffen, haben ihre Ursachen Jahrzehnte zuvor.

Schon Franz Vranitzky hatte trotz eines enormen Parteiapparats und zahlreicher Vorfeldorganisationen wie Gewerkschaften, Pensionistenverband und viele mehr seine lieben Mühen mit dem damaligen Newcomer Jörg Haider, mit dessen kessen Sprüchen und seiner direkten Art zurechtzukommen. Damals schon sahen die Sozialdemokraten alt aus, da sie auf die immer gleichen Rezepte und auf sich brav hochgedient habende Persönlichkeiten setzten. Die zwischenzeitlichen Erholungsphasen der Partei waren nicht der eigenen Stärke geschuldet, sondern hingen hingegen mehr mit der Selbstdemontage der damaligen FPÖ und ÖVP zusammen. Dieses Phänomen wurde jedoch in der sozialdemokratischen Bewegung falsch interpretiert, und man ging immer wieder zu business as usual über, anstatt die Partei in den Ruhephasen innerlich einem wirklichen Reform- und auch Personalentwicklungsprozesses zu unterziehen. Diese nicht erledigten Hausaufgaben rächen sich jetzt bitter. Der aktuelle Höhepunkt in Zusammenhang mit einem in Israel festgenommenen Berater stellt nur ein – frei nach Paul Watzlawick – schmerzliches Symptom, aber nicht die Krankheit der Partei dar. Es fehlt an Spitzenleuten, die dem jetzigen Einzelkämpfer Kern unter die Arme greifen könnten.

Von der Bewegung zur One-Man-Show

Als die Krise in der SPÖ unter Werner Faymann zu stark hochzukochen schien, wurde eilig ein Heiland aus der staatsnahen ÖBB geholt, der dem in die Jahre gekommenen Apparat und den Apparatschiks in der Löwelstraße wie den Bundesbahnen zuvor Beine machen sollte. Daraus wurde, wie man heute sieht, nicht viel.

Eine weit vernetzte und jahrzehntelang gewachsene Organisation wie die SPÖ kann man nicht einfach durch einen Marketingcoup retten oder gar reformieren. Wie bei einem Unternehmen ist auch eine Partei mehr als die Summe der einzelnen Akteure. Der CEO allein kann nicht alle Spielfeldpositionen vom Tormann bis zum Stürmer einnehmen. Dies merkt die SPÖ gerade schmerzlich, und dies wird auch Sebastian Kurz von der ÖVP früher oder später zu spüren bekommen.

Solidarität in der SPÖ

Wo bleibt die Stärke der SPÖ, wo der Stärkere dem Schwachen hilft und man gegenseitig trotz aller widrigen Umstände für den anderen einsteht? Es ist paradox – nun würde der starke Mann der Partei, Bundeskanzler Kern, selbst Schützenhilfe aus den eigenen Reihen benötigen. Das kann aber nur geschehen, wenn man derartige Kaliber vorher in den eigenen Reihen heranwachsen lassen hat. Trotz durchaus angesehener Persönlichkeiten in der SPÖ fehlen diese wirklich starken Männer und Frauen. So schlimm diese Zukunftsperspektive für viele Genossen wohl sein dürfte, eine Zeit der inneren Konsolidierung und einer Selbstfindung in der Opposition, aus der sie gestärkt wieder hervorgehen kann, wäre vielleicht für die SPÖ therapeutisch gesehen nicht schlecht. (Daniel Witzeling, 24.8.2017)