Tsukuba – Bartenwale vollziehen im Verlauf eines Jahres gewaltige Wanderungen. Die Grundtendenz sieht dabei so aus: Im Sommer werden Gewässer in kühlen Breiten aufgesucht, wo es reichlich Nahrung gibt. Zur Überwinterung ziehen die Meeresriesen dann Richtung Äquator und bringen ihre Jungen in angenehm warmen Gebieten zur Welt.

Im Detail ist dieses Bild aber noch sehr lückenhaft, berichten japanische Forscher im Fachmagazin "PeerJ". Die "Kinderstuben" von Großwalen seien nur zu einem kleinen Teil bekannt. Und noch viel seltener sei der Fall, dass man die einer ausgestorbenen Spezies identifizieren könne. Einem Team um Cheng-Hsiu Tsai vom japanischen Nationalmuseum für Naturwissenschaften in Tsukuba könnte das nun gelungen sein.

Bartenwale aus einer Zeit vor dem Gigantismus: eine Parietobalaena-yamaokai-Mutter mit ihrem Kind.
Illustration: Nobumichi Tamura

Die Spezies, um die es dabei geht, ist Parietobalaena yamaokai. Sie lebte im Miozän vor gut 15 Millionen Jahren – zu einer Zeit, als Bartenwale im Schnitt noch deutlich bescheidenere Ausmaße hatten als heute. P. yamaokai war nur etwa zweieinhalb Meter lang, weniger als die Hälfte eines heutigen Zwergwals. Die Spezies lebte im Nordpazifik und ist unter anderem durch ein nahezu vollständig erhalten gebliebenes Skelett bekannt. Auf Parietobalaena-Fossilien wurden auch Bissspuren eines Megalodon-Hais entdeckt.

Cheng-Hsiu Tsai untersuchte bereits im 20. Jahrhundert entdeckte Fossilien aus der sogenannten Itahashi-Formation nahe der Stadt Shobara. In dieser Ausgrabungsstätte in der Präfektur Hiroshima fanden sich die Reste mehrerer Exemplare von P. yamaokai. Und eines davon dürfte ein Junges gewesen sein, wie die Detailanalyse erst jetzt zeigte.

Offene Suturen beim Fossil eines Parietobalaena yamaokai (links) und zum Vergleich beim Fötus eines Blauwals.
Foto: Cheng-Hsiu Tsai

Wichtigstes Indiz: Der Schädel des Tiers wies eine offene Sutur (die Nahtstelle zwischen zwei Knochen) auf, was auf ein sehr junges Exemplar hindeutet – weniger als sechs Monate alt, womöglich sogar neugeboren. Der Forscher glaubt daher den äußerst seltenen Glückstreffer einer jahrmillionenalten Wal-Kinderstube gelandet zu haben. (red, 23. 8. 2017)