Heidelberg – Bei einer Zellteilung verteilt sich der frisch verdoppelte Chromosomensatz gleichmäßig auf die beiden neu entstehenden Tochterzellen. Dafür sind die beiden Zentrosomen verantwortlich, die auch Polkörperchen genannt werden. Zwischen den beiden Zentrosomen bilden sich Zugfasern aus Proteinen aus, die sich unter dem Mikroskop als spindelförmiges Gebilde zeigen. Entlang dieser Fasern wandert je ein Chromosomensatz zu den beiden Polen. Das gewährleistet, dass jede Tochterzelle vollständig ausgestattet wird, zumindest im Normalfall.

Denn bei Krebszellen beobachten Wissenschaftler häufig ein Zuviel oder Zuwenig an Chromosomen, das sich auf eine ungleichmäßige Verteilung bei der Zellteilung zurückführen lässt. Ein Grund für diese Fehlverteilung ist schon länger bekannt: Krebszellen besitzen häufig mehr als zwei Zentrosomen. Damit die Zellteilung nicht im totalen Chaos endet, lagern sich die überzähligen Zentrosomen oft zu Aggregaten zusammen. So wird zumindest sichergestellt, dass nur zwei und nicht mehrere Tochterzellen entstehen.

Die Chromosomen können dann allerdings trotzdem falsch verteilt sein. "Wir waren bisher davon ausgegangen, dass die Aggregatbildung zum Überleben der Tumorzellen beiträgt", sagt Alwin Krämer vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. "Doch unsere Untersuchungen zeigen, dass diese Zellen häufig dennoch sterben."

Chaos bei Zellteilung beginnt früher

Die Ursache für Fehler bei der Aufteilung von Chromosomen in Tumoren müsse demnach früher ansetzen. Krämer und sein Forscherteam haben daher die Vermehrung der Zentrosomen genauer unter die Lupe genommen. Bei jeder Zellteilung müssen sich auch die Polkörperchen verdoppeln, damit später jede Tochterzelle mit zwei Exemplaren ausgestattet ist.

Jedes Zentrosom besteht normalerweise aus zwei Zentriolen, zylinderförmigen Eiweißstrukturen, die eine Art Kernstück bilden. Nach jeder Zellteilung bildet sich an jeder Zentriole genau eine neue Tochterzentriole, so dass in beiden Tochterzellen wieder zwei neue Polkörperchen entstehen.

Die Wissenschafter haben nun festgestellt, dass bereits bei diesem Schritt einiges schief laufen kann: Zumindest in der Kulturschale konnte nachgewiesen werden, dass sich in Krebszellen nicht nur eine, sondern häufig mehrere Tochterzentriolen bilden. "Das legt zum einen den Grundstein dafür, dass bei der nächsten Zellteilung mehr als zwei Zentrosomen entstehen", erklärt Krämer.

Umdenken bei bestimmten Therapien notwendig

"Enthalten die beiden Polkörperchen unterschiedlich viele Zentriolen, entsteht bei der Zellteilung zum anderen ein Ungleichgewicht, das ebenfalls eine Fehlverteilung von Chromosomen nach sich zieht", erläutert der Experte weiter. Das Polkörperchen mit mehr Zentriolen zieht auch mehr Chromosomen zu sich heran, die korrekte Verteilung ist nicht mehr gewährleistet. "Interessanterweise beobachten wir, dass Krebszellen, deren Chromosomenstörungen aufgrund von überzähligen Zentriolen entstehen, überleben und daher zur Tumormasse beitragen", so Krämer.

Im Gegensatz dazu sterben Zellen, deren Chromosomenfehler auf vermehrten Zentrosomen basieren, häufig ab. "Das wirft auch ein neues Licht auf die Therapie von Tumoren", so der Wissenschafter. Neuere Therapieansätze versuchen die Aggregatbildung von überzähligen Zentrosomen zu verhindern, um so viel Chaos bei der Chromosomenverteilung anzurichten, dass die Tochterzellen nicht überlebensfähig sind. "Wenn sich bestätigt, dass die für Tumoren typischen Chromosomenstörungen durch einen anderen Mechanismus entstehen, müssen wir auch nach neuen Therapiewegen suchen", resümiert Krämer. (red, 23.8.2017)