Bei der Einfahrt zur Tullner Gartenschau wurden dutzende Eschen gefällt – nur ein Beispiel von vielen.

Foto: APA/Birgit Egarter

Tulln/Wien – Mitten im August schließt das Aubad Tulln in Niederösterreich für mehrere Tage einfach seine Pforten. Enttäuschte Badewillige dürfen sich bei jenem Pilz bedanken, der Eschen angreift, sodass sie plötzlich umfallen können. Kommenden Samstag soll nach dem Fällen einiger Bäume der Betrieb teilweise wiederaufgenommen werden.

Auch der Tullner Wasserpark, ein Wald im Stadtzentrum, ist "aufgrund akuter Gefahr bzw. zunehmend unkalkulierbarem Risiko" gesperrt, wie die Stadt auf ihrer Website mitteilt. Die Situation mit befallenen Eschen habe sich "dramatisch verschlechtert. Auch Bäume, deren Zustand noch vor kurzem als unbedenklich eingestuft wurde, können eine Gefahr darstellen" , heißt es. Bis Jahresende dauern dort die Rodungen – fast jeder zweite Baum muss fallen. Auch beim Eingang zur Garten Tulln, die aber geöffnet bleibt, wurden Bäume umgeschnitten.

Allein 2200 Eschen in Tulln zu fällen

Die Stadt Tulln ist nur ein Gebiet von vielen, wo das Falsche Weiße Stengelbecherchen – der Pilz, der für das Eschentriebsterben sorgt – der Baumart zusetzt. Auwälder sind seit Monaten gesperrt, tausende Bäume werden gefällt: 2200 allein in Tulln.

"Der Pilz ist so gut wie überall in Österreich vorhanden", sagt Thomas Cech, Leiter der Abteilung für Phytopathologie am Bundesforschungszentrum für Wald (BFW), die sich unter anderem mit Pilzen, die Baumkrankheiten verursachen, befasst. Gebiete nahe Bächen und Flüssen, vor allem in Voralpenregionen, seien besonders betroffen.

Nach Jahren des Befalls geschwächt

Der Pilz ist seit rund zehn Jahren in Österreich verbreitet – "man kann von einer Pandemie in Zentral- und Nordeuropa sprechen", sagt Cech. Dass sich nun so drastische Folgen zeigen, hängt laut Cech damit zusammen, dass befallene Bäume "nach acht bis zehn Jahren so geschwächt sind, dass andere, in der Wurzel sitzende Pilze die Wurzeln zum Faulen bringen" – als Hauptfäule-Erreger gilt der Hallimasch. "Wenn verankernde Wurzeln verfaulen, hat der Baum keine Stabilität mehr", sagt Cech. "Zwar kann die Esche Ersatzwurzeln bilden, diese sind aber nicht zur Stabilisierung geeignet." Sie würden dafür sorgen, dass der Baum weiter grüne Blätter trägt und Wurzelschäden weitgehend unbemerkt bleiben.

Genetische Unterschiede als Chance

Wie weit der Eschenbestand zurückgehen wird, sei unklar. In trockenen Gebieten fühle sich der Pilz aber nicht so wohl. Aussterben wird die Esche laut Cech "aller Voraussicht nach nicht". Es gibt genetisch bedingt widerstandsfähige Bäume. Mit diesen befasst sich Thomas Geburek vom BFW. "Die einzige Chance, die Esche zu erhalten, ist, ihre genetischen Unterschiede zu nutzen." Waldbauliche Maßnahmen, Biozide oder Pflanzenschutzmittel seien in diesem Fall machtlos.

Resistente Exemplare gesucht

Im Projekt "Esche in Not" sind Waldbesitzer und Bevölkerung aufgerufen, scheinbar resistente Bäume in stark geschädigten Waldbeständen zu melden. Etwa 340-mal geschah das heuer. "Bäume sind genetisch die variabelsten Organismen auf der Erde, weil sie so langlebig sind", sagt Geburek.

Ob eine Esche wirklich resistent gegen das Falsche Weiße Stengelbecherchen ist, wird in Tulln getestet. Von gesund erscheinenden Eschen, die vor Ort den Pilzsporen ausgesetzt werden, werden die resistentesten ermittelt und davon die Samen geerntet.

In Tulln wachsen bereits scheinbar resistente Exemplare. Rund 30.000 werden einem "hohen Infektionsdruck" ausgesetzt. Die Saat jener, die "besonders resistent sind", soll in Österreich verbreitet werden. Doch das werde noch etwas Zeit brauchen. (Gudrun Springer, 25.8.2017)