Manche Gerichte haben eine etwas längere Vorlaufzeit. Das erste Mal hat mich die Chilaquiles-Sehnsucht im April befallen. Vergangene Woche und einige missglückte Gärtner-Versuche später sind sie dann endlich auf dem Tisch gestanden.

Chilaquiles sind ein bisschen so etwas wie die mexikanische Variante von Cornflakes oder die Urform des Müsli: ein Frühstück aus Vortags-Brotresten mit Sauce, bloß dass hier nicht Getreide und Milch, sondern eben Mais-Tortillas und Salsa verde zum Einsatz kommen. Altbackene Tortillas – Maisfladen – werden klein geschnitten, frittiert und dann in Salsa geköchelt und getränkt, bis sie eine seltsam wohlige Konsistenz-Mischung aus letschert und knusprig erreichen. Oben drüber kommen Spiegelei, bröckelig-salziger Käse, Sauerrahm, Koriander und je nach Lust und Vormittagsterminen etwas roher Zwiebel.

Foto: Tobias Müller

Wenn alles gutgeht, können Chilaquiles der Reichtum mexikanischer Geschmackswelten in einer Schüssel sein: scharf und sauer, krautig und käsig, frisch und fett, üppig und leicht, ein Reiz-Reigen, der ziemlich viele Wünsche auf einmal erfüllt. Die Vielseitigkeit samt leichter Geschmacksaggression mag der Grund sein, dass Chilaquiles als ganz hervorragend aufweckendes Katerfrühstück gelten.

Das Gericht steht und fällt mit einer guten Salsa. In jeder Ecke Mexikos werden sie ein wenig anders serviert. Mir am liebsten sind Chilaquiles verdes, die Variante mit klassischer Salsa verde, einer komplexen, sauer-scharfen Sauce aus Tomatillos und meiner Meinung nach idealerweise Jalapeños. Tomatillos werden in Südamerika schon länger kultiviert als ihre Namensvettern, die Tomaten. Sie schmecken fruchtig-sauer, ein wenig wie eine Mischung aus Physalis und Melanzani, mit denen sie eng verwandt sind. Jalapeños wiederum sind eine der besten Chili-Arten: scharf genug, um Spaß zu machen, aber nicht zu scharf, um ihren feinen Paprikageschmack komplett zu überdecken.

Die richtigen Zutaten

Das erste Mal gegessen habe ich Chilaquiles in Mexico City, in einem Bistro gleich neben dem berühmten Pujol, in dem ich einen Monat mitarbeiten durfte. Vier Stunden wartete ich dort auf den Pujol-Chefkoch, um mich vorzustellen, und aß währenddessen Chilaquiles. Der Chefkoch kam an dem Tag nicht mehr, die Chilaquiles aber waren köstlich und haben mich seither nicht mehr losgelassen. Glücklicherweise braucht der Chilaquiles-Connaisseur kein mexikanisches Bistro – sie sind ganz erstaunlich einfach selbst zu machen und haben ein wunderbares Leistungs-Genuss-Verhältnis. Auch wenn Sie die Salsa frisch von Grund auf kochen, dauert es keine Stunde, bis das Gericht auf dem Tisch steht. Und wenn die Sauce schon vorbereitet ist, sind Chilaquiles auch komplett verkatert in fünf Minuten zusammengebastelt.

Tomatillos im Eigenanbau: Bonsai oder doch Physalis?
Foto: Tobias Müller

Die einzige Schwierigkeit sind in Österreich die Zutaten. Weder Tomatillos noch Jalapeños noch gute Tortilla-Chips sind an jeder Ecke zu bekommen. Dabei wachsen Tomatillos und Jalapeños im europäischen Klima durchaus gut und reifen im Spätsommer. Ich habe mich daher zuerst einmal ans Gärtnern gemacht – mit mäßigem Erfolg. Meine Jalapeños haben sich bei der ersten Verkostung als nicht einmal ansatzweise scharf herausgestellt, und meine Tomatillos dürften einer Bonsai-Art angehören (oder doch saure Physalis sein): Sie werden nicht größer als mittelgroße Kirschen. Glücklicherweise hat in Wien zum Beispiel die wunderbare Gärtnerei Bioschanze gerade jede Menge Tomatillos wie auch Jalapeños im Programm – fragen Sie den Gemüse-Dealer Ihres Vertrauens. Wer partout keine Tomatillos findet, dem bleibt immer noch der Griff zur bald inflationär vorhandenen grünen Tomate.

Salsa verde ist äußerst simpel und besteht bloß aus einer Handvoll pürierter Zutaten: Tomatillos (oder grüne Tomaten), Koriander, Zwiebel, Chili und gelegentlich Knoblauch. Die meisten Salsa-verde-Macher (und meine beiden Hauptquellen) sind sich einig, dass die beste Salsa aus verbrannten Zutaten gemacht wird, das gibt tieferen Geschmack und dezentes Raucharoma.

Das klingt meiner Meinung nach grundvernünftig, ich habe die Methode daher übernommen. Weil Tomatillos beim Garen doch ordentlich safteln, ist hier zum Ankokeln ausnahmsweise der Ofen besser geeignet als der Grill. Zu Testzwecken habe ich drei Salsas gemacht: einmal aus nur verkohltem und dann püriertem Gemüse; einmal aus Gemüse, das erst verkohlt, dann püriert und schließlich in Öl heiß angebraten wird; und einmal mit grünen Tomaten statt mit Tomatillos. Zum Vergleich wurde auch noch eine hier gekaufte Fertigvariante verkostet – leider ein billiger Abklatsch.

Foto: Tobias Müller

Die beste Methode

Das Ergebnis: Anbrennen, braten und pürieren bringt den tiefsten, vollsten Geschmack, macht aber mehr Arbeit. Nur Anbrennen und pürieren sorgt für eine frischere Salsa und weniger Dreck und ist daher mein Favorit. Grüne Tomaten sind okay, die Salsa ist farblich am hübschesten, fällt aber geschmacklich ein wenig flach aus. Und die Fertigsauce ist sowieso als leicht scharfe, aber sonst recht konventionelle Tomatensauce abgestunken.

Der große Kenji Lopez-Alt empfiehlt, die Tortilla-Chips selbst und frisch zu frittieren, weil Fertigvarianten zu letschert werden. Ich muss dem widersprechen – frittieren ist nichts, was ich vor meinem (Kater-)Frühstück tun möchte. Meine Tortilla-Chips stammen aus diesem Shop, kosten fünf Euro in der Familienpackung und sind von durchaus akzeptabler Qualität und hervorragender Knusprigkeit.

Kurz zu den Toppings: Traditionell kommen Qeso Cotija und mexikanische Crema zum Einsatz, handelsüblicher Feta und Sauerrahm sind ein durchaus würdiger Ersatz. Ei und ein wenig frisch gehobelter Zwiebel sollten kein Problem sein. Und vergessen Sie ja nicht auf reichlich frischen Koriander!


Chilaquiles verdes nach Wiener Art für zwei

Befreien Sie die Tomatillos von ihren hübschen lampionartigen Hüllen, und waschen Sie in lauwarmem Wasser den klebrigen Film von den Früchten.

Foto: Tobias Müller
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Legen Sie sie gemeinsam mit den Jalapeños und einigen Frühlingszwiebeln in eine Pfanne, gießen Sie etwas geschmacksneutrales Öl dazu und reiben das Gemüse damit ein.

Foto: Tobias Müller

Ich habe für etwa zwei Kilo Tomatillos vier entstielte Jalapeños und zwei große geputzte Frühlingszwiebeln genommen. Das Ergebnis war auf der schärferen Seite. Drehen Sie den Backrohrgrill auf und verkokeln Sie das Gemüse darunter, bis es ordentlich geschwärzt ist, in meinem Fall waren das etwa 15 Minuten (samt einmaligem Pfannenwenden nach der halben Garzeit).

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Befördern Sie das nun recht weiche Gemüse und seinen Saft mit einem Schöpflöffel in einen Häcksler oder ein Pürierstab-freundliches Gefäß. Geben Sie eine Handvoll frischen Koriander samt Stängeln dazu, salzen nach Belieben und pürieren alles, bis es eine recht flüssige Konsistenz hat – fertig ist die Salsa. Sie lässt sich sehr gut vorbereiten und hält im Kühlschrank locker eine Woche.

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Jetzt geht alles ganz ganz schnell: Zwei ordentliche Schöpfer Salsa in eine Pfanne geben und zum Köcheln bringen. Währenddessen zwei Spiegeleier braten.

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Sobald die Salsa blubbert, zwei, drei Handvoll Tortilla-Chips dazuwerfen, gut durchrühren und von der Hitze nehmen. In Schüsseln geben, Ei darauflegen, Feta drüberbröckeln, Sauerrahm draufklecksen, mit gehacktem Koriander bestreuen und umgehend verzehren. (Tobias Müller, 3.9.2017)

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