Der von der Kitzbüheler Medizintechnikfirma iSys entwickelte Roboter während eines Eingriffs im Rahmen einer klinischen Studie: Er ist um ein Vielfaches kleiner als ein herkömmlicher OP-Roboter.

Foto: MedUni Wien

Wien/Kitzbühel – Man kennt es aus diversen Arztserien: Neurochirurgen werken mit höchster Konzentration am OP-Tisch, um im Gehirn des Patienten nur ja keinen Fehler zu machen. Szenen wie diese sind nicht nur Garanten für Spannungsmomente vor dem Fernseher, sondern auch schlicht Realität im Spitalsalltag. Operationen, bei denen Biopsienadeln oder Katheter im Gehirn platziert werden, um etwa Gewebeproben zu entnehmen, gehören schließlich zu den häufigsten neurochirurgischen Eingriffen – und hier ist höchste Präzision gefragt.

"Dabei hängt es stark vom Operateur ab, welche Genauigkeit erzielt wird", sagt Michael Vogele, selbst Mediziner und Geschäftsführer des Tiroler Unternehmens iSys Medizintechnik. "Es gibt Operateure, die ein besseres Händchen bei der Einstellung der Instrumente haben, und eben unerfahrenere, die länger dabei brauchen."

Positionierung mit Navi

Um den Chirurgen dabei unter die Arme zu greifen, hat iSys ein miniaturisiertes Robotersystem entwickelt, das dabei helfen soll, minimal-invasive Eingriffe möglichst sicher und rasch durchzuführen. "Gehirnoperationen sind die Königsdisziplin der Chirurgie", betont Vogele. "Da muss jede Bewegung auf den Bruchteil eines Millimeters genau sitzen." Chirurgen sind daher schon bisher auf technische Unterstützung angewiesen. Zur exakten Ausrichtung einer Biopsienadel wird heute meist ein Armsystem eingesetzt, das manuell eingestellt werden muss, auch wenn bei der Orientierung ein computergestütztes Navigationssystem hilft.

Das mechanische Führungsinstrument haben Vogele und sein Team nach jahrelanger Entwicklungsarbeit nun durch ein automatisiertes System ersetzt. Das im Vergleich zu herkömmlichen OP-Robotern äußerst handliche Robotersystem kann direkt am Operationstisch oder an der Kopfhalterung des Patienten befestigt werden. Mithilfe der Positionierungsdaten eines Navigationssystems richtet es sich automatisch aus. "Wird eine Biopsienadel nur ein oder zwei Millimeter neben einem potenziellen Tumor platziert, kann das eine schwerwiegende Fehldiagnose zur Folge haben", erklärt Vogele.

Steuerung per Joystick

Derlei Fehler sollen durch den iSys-Roboter ausgeschlossen werden. Ist er erst einmal ausgerichtet, arbeiten Mensch und Roboter Hand in Hand. Dann wird das Gerät mit einer Art Joystick in winzigen Schritten vom Operateur gesteuert, der die jeweiligen Monitore, die das Innenleben des Patienten zeigen, immer im Blick hat. "Die Letztverantwortung und Kontrolle bleibt beim Chirurgen", betont der Geschäftsführer von iSys. Die Firma ist Teil des Kompetenzzentrums ACMIT, das an minimal-invasiver Medizintechnik forscht und unter anderem durch das Land Tirol, das Land Niederösterreich und das Comet-Programm des Technologie- und Wissenschaftsministeriums gefördert wird.

Eine klinische Studie an der Uniklinik für Neurochirurgie der Medizinischen Universität Wien mit mehr als 130 Personen habe gezeigt, dass sich der Miniroboter in puncto Sicherheit, kürzerer Operationsdauer und größerer Genauigkeit bewährt habe, sagte Vogele auch bei der Präsentation am Rande der Alpbacher Technologiegespräche. Die Anwendungsmöglichkeiten seien vielfältig: bei der Behandlung von Tumoren, bei Schmerztherapien oder für die Platzierung von Elektroden im Gehirn von Epilepsie- und Parkinsonpatienten.

Leichtgewichtiger OP-Roboter

Durch seine kompakte Größe könnte der Miniroboter aber auch direkt während einer Computer- oder Magnetresonanztomografie eingesetzt werden. "So könnte man in Echtzeit verfolgen, wo sich die Instrumente bewegen, und zielgerichtet Tumorgewebe entfernen", sagt Vogele. Außerdem wäre es möglich, im selben Eingriff, in dem eine Gewebeprobe entnommen wird, sofort mit der Therapie zu beginnen und Wirkstoffe direkt einzuschleusen. In Zukunft könnten aber auch Ultraschallköpfe auf den Roboter montiert werden, um ganz ohne Operation durch gezielte Schockwellen Tumoren zu zerstören, fügt der Medizintechniker hinzu.

Das Grundsystem samt Steuerungs- und Bewegungstechnologie ist in Europa und den USA bereits zertifiziert, für die spezielle neurochirurgische Ausführung erwartet Vogele Mitte nächsten Jahres die entsprechenden Zertifizierungen. Auch Adaptionen für andere Fachgebiete wie die Orthopädie seien vorstellbar. Zusammen mit der US-Medizintechnikfirma Medtronic arbeite man bereits an Vermarktungsmöglichkeiten. Der Miniroboter sei mit zwei Kilogramm nicht nur ein Leichtgewicht gegenüber vergleichbaren OP-Robotern, die mit meterhohen Industriekomponenten arbeiten, sondern mit einem angepeilten Preis von rund 200.000 Euro auch mindestens ein Drittel billiger als die Konkurrenz. (Karin Krichmayr, 11.9.2017)