Bei den Kämpfen zwischen Rohingya und Armee werden immer wieder Dörfer niedergebrannt.

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Bis zu 270.000 Menschen sind vor den Kämpfen nach Bangladesch geflohen, schätzt die Uno.

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Niedergebrannte Stadt: Die Satellitenbilder zeigen Maungdaw am 30. Jänner 2014 und am 2. September 2015

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Rangun – Bei den schweren Gefechten in Myanmar (Burma) sind bisher möglicherweise mehr als doppelt so viele Menschen getötet worden wie offiziell bestätigt. Die Regierung habe die Zahl "höchstwahrscheinlich unterschätzt", sagte die Uno-Sonderberichterstatterin für Menschenrechte in Myanmar, Yanghee Lee, am Freitag der Nachrichtenagentur AFP. Die meisten Todesopfer seien Angehörige der muslimischen Rohingya-Minderheit.

"Wahrscheinlich sind rund tausend oder mehr schon tot", sagte die UN-Sonderbeauftragte unter anderem unter Verweis auf Berichte von Augenzeugen. Sie habe aber "unglücklicherweise" keinen Zugang, um die Zahlen zu überprüfen. Sie befürchte, dass es "eine der schlimmsten Katastrophen werden könnte, die die Welt und Myanmar in den vergangenen Jahren gesehen haben".

Im westlichen Bundesstaat Rakhine liefern sich Armee und Rohingya-Rebellen derzeit schwere Kämpfe. Die Rohingya gelten als eine der am meisten verfolgten Minderheiten der Welt. Weite Teile der buddhistischen Mehrheit in Myanmar betrachten sie als illegale, staatenlose Einwanderer aus Bangladesch, obwohl der überwiegende Teil der Rohingya schon seit Generationen in Myanmar lebt.

Flucht nach Bangladesch

Die Zahl der Rohingya, die binnen zwei Wochen ins benachbarte Bangladesch geflüchtet sind, hat sich nach UN-Angaben von Samstag von 164.000 auf 290.000 erhöht. Ein Grund für den starken Anstieg sei eine genauere Erfassung der Flüchtlinge in bisher nicht berücksichtigten Gebieten, erklärte eine Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks. Zudem seien allein am Mittwoch mindestens 300 Boote aus Myanmar in Bangladesch angekommen. Viele Menschen ertranken auf der Flucht, unter ihnen viele Kinder.

Erstmals seit Beginn der schweren Kämpfe hat die Regierung Hilfen für Vertriebene der muslimischen Rohingya-Minderheit im Teilstaat Rakhine in Aussicht gestellt. Die Vertriebenen bekämen humanitäre und medizinische Hilfe, berichtete die amtliche Zeitung "Neues Licht von Myanmar" am Samstag. Die Hilfen würden von Mitarbeitern des Roten Kreuzes verteilt, hieß es. Dem Bericht zufolge sollen drei Camps im Norden, Süden und dem Zentrum des Bezirks Maungdaw errichtet werden, wo die heftigsten Kämpfe wüteten. Zwar bezog sich der Bericht nicht direkt auf die Rohingya, nannte aber Gebiete, in denen bis zu den jüngsten Unruhen Angehörige der Minderheit beheimatet waren.

Widerspruch von Aung San Suu Kyi

Scharfe Kritik übte die UN-Sonderberichterstatterin an der faktischen Regierungschefin Myanmars, Aung San Suu Kyi. Viele Menschen sähen in der Friedensnobelpreisträgerin "eine wichtige moralische Stimme", doch Suu Kyi sei "eine Politikerin durch und durch", für die das wichtigste Ziel die Wiederwahl sei. "Ich denke, wir müssen unsere Erinnerungen an die inhaftierte Ikone der Demokratie löschen."

Suu Kyi steht wegen der Unterdrückung der muslimischen Rohingya-Minderheit zunehmend in der Kritik: Hunderttausende Menschen unterzeichneten bereits eine Online-Petition mit der Forderung, ihr den Friedensnobelpreis wieder abzuerkennen. Sie hat in einem Interview Berichte über die Gewalt als "Fehlinformationen" und das Vorgehen der Armee als Kampf gegen Terroristen bezeichnet.

Tatsächlich begannen die jüngsten Kämpfe offenbar nach Angriffen einer islamistischen Miliz auf Polizeitruppen. Die Gruppe gilt allerdings als relativ klein, ihre Mitgliederzahl wird mit einigen hundert angegeben. Extremistische Strömungen sind unter den Rohingya noch immer nicht weit verbreitet, haben allerdings in den vergangenen Jahren Zulauf erhalten. (APA, red, 9.9.2017)