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Joachim Herrmann (re.) will, wie an der A3 bei Passau, weiterhin Kontrollen der Grenze zu Österreich.

Foto: dpa / Sven Hoppe

STANDARD: Wie ist das nun mit der Obergrenze für Flüchtlinge? Im Regierungsprogramm von CDU und CSU kommt sie nicht vor, im Bayern-Plan schon. Wollen Sie nach allen Seiten offen bleiben?

Herrmann: Wir haben eine klare Aussage getroffen: In der Realität ist das Ziel de facto schon erreicht. Denn wir liegen nach gegenwärtigem Stand im Jahr 2017 wahrscheinlich bei den Flüchtlingszahlen eindeutig unter der Zahl von 200.000. Und es sind sich fast alle in Berlin einig, dass sich die Situation des Jahres 2015 nicht wiederholen darf. Aber wir dürfen das Ziel in den nächsten Jahren natürlich nicht aus den Augen verlieren. Die Bürger können sich darauf verlassen.

STANDARD: Rückblickend auf das Jahr 2015: Welcher war der Kardinalfehler in der Asylpolitik?

Herrmann: Wir wollten eine humanitäre Geste setzen, aber die Anzahl derer, die kamen, war zu hoch. Doch jetzt müssen wir keine Geschichtsbetrachtung mehr betreiben. Wir blicken nach vorne, und da sind wir glasklar aufgestellt.

STANDARD: Es gab Zeiten, da haben Sie die Zusammenarbeit mit Österreich beklagt. Wie steht es nun?

Herrmann: Sie ist zwischen der Polizei sehr gut, auch ich bin laufend in Kontakt mit Innenminister Wolfgang Sobotka. Wir sprechen uns natürlich immer über die aktuellen Herausforderungen ab, es ist richtig, dass die Österreicher Italien im Blick behalten.

STANDARD: In Österreich unterstützen Soldaten die Grenzkontrollen am Brenner. Das wäre in Deutschland nicht möglich. Sind Sie damit einverstanden?

Herrmann: Es ist gut, dass Österreich immer klare Ansagen gemacht hat. Wir haben die Österreicher immer unterstützt und sind genauso der Meinung, dass wir auf Grenzkontrollen nicht verzichten können, solange die Außengrenzen nicht gesichert sind.

STANDARD: Wie lange wollen Sie die Grenzkontrollen noch fortsetzen? Sie widersprechen ja dem Grundgedanken der EU ...

Herrmann: Ich bin auch ein großer Schengen-Anhänger. Es war ein großer Fortschritt, als die Kontrollen am Walserberg, in Suben und Kiefersfelden 1998 entfallen sind. Aber es geht ja längst nicht mehr nur um Flüchtlingszahlen. Wir greifen täglich Drogenhändler und Schmuggler, Menschen mit gefälschten Papieren und Personen, die mit Haftbefehl gesucht werden, auf. Das zeigt, wie notwendig die Kontrollen und auch die Schleierfahndung sind.

STANDARD: Reicht es, Flüchtlinge vor allem durch Grenzkontrollen draußen halten zu wollen?

Herrmann: Wir können die Probleme Afrikas weder dadurch lösen, dass wir Barrieren errichten, noch dadurch, dass wir einen erheblichen Teil Afrikas nach Europa holen. Also brauchen wir in der Entwicklungshilfe einen Marshallplan für Afrika. Deutschland geht da mit gutem Beispiel voran, aber es ist sinnvoll, wenn sich die europäischen Staaten absprechen.

STANDARD: Wie wollen Sie vorgehen? Viele Regime sind korrupt.

Herrmann: Das ist richtig, aber man kann mit den Kirchen zusammenarbeiten, und es gibt viele deutsche Kommunen, die Städte partnerschaften mit Afrika haben. Dennoch müssen wir den Mut haben zu sagen, wer kein Recht hat hierzubleiben. Es wird mittlerweile ja auch schon viel Unter stützung für die freiwillige Heimkehr angenommen. Aber natürlich müssen wir das noch steigern.

STANDARD: Sie werden als nächster Innenminister in Berlin gehandelt.

Herrmann: Jetzt wird erst einmal gewählt. Aber ich bin bereit, in Berlin meine Erfahrungen einzubringen – in welcher Position auch immer. Ich bin schließlich seit zehn Jahren Innenminister in Bayern, wo die Kriminalitätsbekämpfung erfolgreich ist. Wir haben in meiner Amtszeit 3000 neue Planstellen für die Polizei geschaffen, weitere 2000 folgen bis 2020. Wir setzen uns dafür ein, dass in ganz Deutschland 15.000 zusätzliche Stellen entstehen.

STANDARD: Wie viel Sicherheit können Sie garantieren?

Herrmann: Keine hundertprozentige. Das kann niemand, weder bei Fahrraddiebstählen noch beim Terrorismus. Aber man muss darauf hinweisen, dass Linke, Grüne und auch Teile der SPD ständig gegen Nachrichtendienste schießen. Wir hingegen fordern bessere Ausstattung und internationale Zusammenarbeit. (Birgit Baumann, 11.9.2017)