Angela Merkel im Wahlkampfeinsatz in Delbrück.

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Berlin/Ankara – Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat die Reisewarnung der Türkei für Deutschland entschieden zurückgewiesen. "Ich will hier ganz deutlich sagen: Zu uns kann jeder türkische Staatsbürger reisen", sagte die CDU-Vorsitzende am Sonntag auf einer Wahlkampfveranstaltung in Delbrück im Bundesland Nordrhein-Westfalen.

"Bei uns wird kein Journalist verhaftet, kein Journalist in Untersuchungshaft gesteckt. Bei uns herrscht Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit – und darauf sind wir stolz", sagte Merkel. Sie verwies auf den seit 200 Tagen in der Türkei inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel, der am Sonntag Geburtstag hatte. "Er sitzt nach unserer Sicht völlig unbegründeterweise im Gefängnis, so wie mindestens elf andere Deutsche."

Die türkische Regierung hatte Landsleuten wegen eines angeblichen Erstarkens antitürkischer Ressentiments im Bundestagswahlkampf am Samstag zur Vorsicht bei Deutschland-Reisen geraten. Die Warnung folgt auf eine Verschärfung der Reisehinweise des deutschen Außenministeriums für die Türkei. Seit dem 26. Juli wird Deutschen dabei zu erhöhter Vorsicht geraten und auf nicht nachvollziehbare Festnahmen von Deutschen wegen Terrorverdachts hingewiesen.

Autokorso

Mit einem Autokorso zum Kanzleramt in Berlin und einer Kundgebung anlässlich von Yücels Geburtstag erinnerten mehrere hundert Menschen an das Schicksal des Journalisten. Nach Angaben der Initiatoren beteiligten sich rund 800 Unterstützer und über 160 Fahrzeuge an dem Autokorso.

Der "Welt"-Korrespondent sitzt seit Februar in Haft, bisher ohne Anklage. Am seinem 44. Geburtstag sollte nicht nur daran "lautstark" erinnert werden, wie der Freundeskreis im Vorfeld mitteilte. Es sei auch eine Mahnung an die Bundesregierung, "dass sie nur noch wenige Tage Zeit hat, als eine Bundesregierung in die Geschichte einzugehen, die sich genauso vehement für die Sicherheit deutscher Staatsbürger eingesetzt hat, wie für die Sicherheit deutscher Unternehmen".

Auf Twitter zeigten sich auch Politiker solidarisch mit Yücel. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz schrieb: "Wie bitter muss es sein, an seinem Geburtstag im Knast zu sitzen. Denke an Deniz Yücel. Und die anderen unschuldig in der Türkei Inhaftierten." Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir wünschte Yücel "alles Gute" und "Freiheit". Auch Regierungssprecher Steffen Seibert wünschte dem inhaftierten Journalisten auf Twitter "Kraft, Zuversicht und baldige Freiheit".

Insgesamt sitzen nach Angaben des Auswärtigen Amtes derzeit elf Deutsche in der Türkei aus politischen Gründen im Gefängnis. Die bekanntesten Fälle sind neben Yücel die Ende April festgenommene deutsche Übersetzerin Mesale Tolu und der Anfang Juli festgesetzte deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner. (APA, Reuters, 10.9.2017)