Karin Pollack beschäftigt sich von Berufs wegen mit Gesundheit. Sie interessiert sich für Krankheiten und schreibt auf, was sie erlebt.

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Wenn Menschen sich nach dem Verzehr bestimmter Nahrungsmittel schlecht fühlen, legen sie sich selbst Verbote auf.

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Menschen mit Krankheiten dürfen nicht diskriminiert werden. Ohne diese innere Einstellung würde ich mir schwertun. Insofern habe ich großes Verständnis (und Interesse) an jeder Form der ernährungstechnischen Extravaganzen. Unlängst hatte ich allerdings eine sehr schwierige Runde zu mir nach Hause eingeladen. Einer meiner Freunde isst kein Gluten mehr, eine verträgt "beim besten Willen keine Milch", und der andere ist Vegetarier, aber "eh nicht vegan, und zur Not geht auch Fisch".

Als Gastgeberin will ich, dass sich alle bei mir wohlfühlen. Der Fünfte im Bunde mag keine Kapern, und seine Freundin ist in einer Langzeitdiät, weil sie sich zu dick findet. Ist sie aber eigentlich nicht, jedenfalls ist sie in Zuckerkarenz und "hat noch nie so viel Energie in sich gespürt".

Okay, soll sein. Bei all diesen Extrawünschen wälzte ich erst einmal Kochbücher. Und weil ich nicht das erste Mal eine essenstechnische Problemrunde hatte, weiß ich: Reis ist eigentlich ein ziemlich guter gemeinsamer Nenner, auf dem man aufbauen kann. Denn nur die wenigsten haben die Gesundheitswarnung zu Reis und Arsen gelesen, die auch nur dann relevant ist, wenn Reis in Überdosis und aus bestimmten Destinationen konsumiert wird.

Ein Menü für alle

Nach langer Lektüre gab es dann folgendes Menü: Risotto zur Vorspeise, einen gedämpften Fisch mit sehr viel verschiedenen Gemüsen und "Patatas au murro" – also gegen die Wand geschlagene Kartoffeln, eine portugiesische Bratkartoffelvariante, die noch immer gut angekommen ist. Als Nachspeise dann Beeren mit veganem und nichtveganem Eis, zum Aussuchen quasi, und ganz zum Schluss – Schokolade, 75 Prozent bitter natürlich. Da griff dann auch die Zuckerkarenzierte zu.

Es war ein Erfolg. Und schön auch, dass sich viele Gespräche um den Magen-Darm-Trakt drehten. Da war die Runde quasi unter sich, es wurde viel vom Blähbauch gesprochen. Zudem waren auch die Essenszeiten ("Salat nach 16 Uhr geht gar nicht", "Ich bin ein totaler Frühstücker") Thema, es wurden ethische Belange ("Ich habe diese Doku gesehen, das kann man den Tieren nicht antun", "Ich kaufe nur Bio, wegen der Pestizidbelastung") diskutiert und finanzielle Aspekte ("Bio im Supermarkt ist urteuer", "Ohne Fleisch wird man schwer satt") durchgerechnet. Fazit: Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind teuer.

Dann aber Streit

Ein recht bunter Abend. Und schließlich wurde gestritten. Einer der letzten Allesesser meinte plötzlich, das alles seien nur Luxusprobleme einer fadisierten Gesellschaft. Früher hätten die Leute schließlich auch alles gegessen und vertragen. Und wirklich medizinische Beweise für all diese Unverträglichkeiten gebe es ja auch nicht. Die Blähbäuche der Tischrunde seien keine Beweise, nur Beobachtungen. Da wurde es kurz still.

Doch dann wurde das Glas erhoben und auf das gute Leben angestoßen. Und froh war ich, dass eigentlich alle noch Alkohol trinken. Der steht bei den meisten (noch) nicht auf der Unverträglichkeitsliste. (Karin Pollack, 17.9.2017)