Hamas-Kämpfer in Khan Yunis.

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Gaza / Tel Aviv / Kairo – Die seit zehn Jahren im Gazastreifen herrschende Hamas hat sich bereiterklärt, die Verwaltung des mit einer Blockade Israels und Ägyptens belegten Küstenstreifens am Mittelmeer abzugeben. Sie lade die Regierung von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas im Westjordanland dazu ein, "in den Gazastreifen zu kommen und ihre Aufgaben sofort zu übernehmen", erklärte die radikalislamische Palästinenserorganisation am Sonntag.

In ihrer Stellungnahme akzeptiert die Hamas weitere Schlüsselforderungen der Fatah für eine innerpalästinensische Versöhnung. Sie erklärt sich bereit, ihr Verwaltungskomitee für den Gazastreifen aufzulösen, und stimmt allgemeinen Wahlen zu. Der Schritt sei das Ergebnis "großzügiger Bemühungen von Ägypten, eine palästinensische Versöhnung herbeizuführen". Es wurde jedoch damit gerechnet, dass die Hamas die Kontrolle über ihre Sicherheitskräfte behält.

Fatah reagiert verhalten positiv

Hamas-Chef Ismail Haniyeh hatte sich zuletzt eine Woche lang mit einem Team zu Gesprächen in Kairo aufgehalten. Eine Fatah-Delegation kam vor zwei Tagen in der ägyptischen Hauptstadt an.

Ein hochrangiges Fatah-Mitglied reagierte mit verhaltenem Optimismus auf das Versöhnungsangebot. Mahmoud al-Aloul, Mitglied des Fatah-Zentralkomitees und Stellvertreter von Abbas, sprach im palästinensischen Rundfunk von "guten Nachrichten". Er blieb jedoch skeptisch, ob das wirklich zu einer umfassenden Versöhnung der beiden größten Palästinenserorganisationen führen wird.

Vorsichtiges Abwarten

"Was wir bisher gehört haben, sind gute Nachrichten, und wir hoffen, dass es stimmt", sage Aloul. "Wir wollen ein Ende der Kluft (zwischen Hamas und Fatah) sehen, aber wir wollen nicht übereilt reagieren." Noch seien zu viele Einzelheiten zu klären. Bisher sind alle Versöhnungsversuche zwischen Hamas und Fatah gescheitert, obwohl es schon mehrere Vereinbarungen gab.

"Es ist gut, dass die Hamas die Auflösung des Verwaltungskomitees (im Gazastreifen) erklärt hat sowie die Bereitschaft, die Kontrolle an die palästinensische Regierung zu übergeben, aber wir müssen abwarten und sehen, wie viele Bedingungen der vorherigen Abkommen wir umsetzen können", sagte Aloul. Man warte auf Nachrichten einer Fatah-Delegation in Kairo unter Leitung von Asam al-Ahmad.

Desaströse Lage

Die Fatah und die Hamas lieferten einander jahrelang einen blutigen Krieg. Die Hamas hatte 2007 gewaltsam die Macht im Gazastreifen an sich gerissen und die Fatah vertrieben. Sie wird von den USA, der EU und Israel als Terrororganisation eingestuft. Israel hat eine Blockade über den Küstenstreifen verhängt, die auch von Ägypten mitgetragen wird, das bereits 1979 mit Israel einen Friedensvertrag geschlossen hat.

Innerhalb des vergangenen Jahrzehnts haben sich Israel und die Hamas drei Kriege geliefert, die schwere Zerstörungen hinterließen. 2014 bildeten die beiden größten Palästinenserorganisationen eine Einheitsregierung und kündigten allgemeine Wahlen an. Auch diese Initiative scheiterte jedoch.

Strom- und Gehaltskürzungen

Zuletzt hatte die Fatah den Druck auf die Hamas erhöht. Auf Wunsch von Abbas senkte Israel die Stromlieferungen in den Gazastreifen, auch die Gehälter tausender öffentlich Bediensteter wurden gekürzt. UN-Generalsekretär Antonio Gutérres sprach Ende August bei einem Besuch im Gazastreifen von "einer der dramatischsten humanitären Krisen", die er je gesehen habe.

Ende August berichtete Sami El-Yousef, Regionaldirektor für Palästina und Israel der päpstlichen Catholic Near East Welfare Association, laut Kathpress in der Zeitschrift "Information Christlicher Orient", dass bereits 1,3 Millionen der gut 1,9 Millionen Bewohner Gazas auf humanitäre Hilfe angewiesen seien. Strom gebe es nur mehr für zwei bis drei Stunden am Tag. Dazu komme eine massive ökologische Katastrophe. Laut internationalen Studien werde Gaza spätestens 2020 unbewohnbar sein. Schon jetzt könnten die Menschen ohne Hilfe von außen kaum mehr überleben. "Bei meinem Besuch vor einigen Monaten waren die Menschen vor allem besorgt, ob es zu einem neuen Krieg mit Israel kommen wird. Als ich jetzt wieder vor Ort war, ging es eigentlich nur mehr darum, noch das Allernotwendigste zum Überleben zu bekommen." (APA, Reuters, 17.9.2017)