Bild nicht mehr verfügbar.

Der Atomvertrag, den US-Präsident Barack Obama mit dem Iran schloss, war nie einer zwischen Freunden. Nun fallen jedoch die Beziehungen wieder in die tiefste Eiszeit zurück.

Foto: Reuters / Carlos Barria

Wien – Wenn ein Deal für den US-Präsidenten eine "Peinlichkeit" ist, dann wird er diese wohl beenden: Donald Trumps Abneigung gegen das Atomabkommen mit dem Iran, abgeschlossen von seinem Vorgänger Barack Obama – allein das ein Grund, dagegen zu sein –, ist seit US-Wahlkampfzeiten bekannt. Dennoch hat er seit seinem Amtsantritt dem Iran bereits zweimal attestiert, die Verpflichtungen zu erfüllen. Damit wurde das Abkommen automatisch verlängert. Wer jedoch Trumps Rede vor der Uno-Vollversammlung gehört hat, zweifelt daran, dass das zum nächsten Stichtag am 15. Oktober wieder der Fall sein wird.

Der US-Präsident muss dem Kongress alle neunzig Tage bestätigen, dass der Iran den Deal einhält. Tut er das nicht – entweder indem er nichts sagt oder indem er den Iran des Bruchs bezichtigt –, kann der Kongress entscheiden, durch den Deal aufgehobene Sanktionen wieder zu verhängen.

Die USA sind allerdings nicht der einzige Partner Teherans im Deal: Die anderen sind EU, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Russland und China. Keiner von ihnen will, dass das Abkommen platzt, das das iranische Atomprogramm auf mehr als ein Jahrzehnt lang streng begrenzt. Auch manche Kritiker des Deals in den USA – auch in Trumps eigener Regierung – und sogar vereinzelt im israelischen Sicherheitsestablishment sind dagegen. Denn Fakt ist: Solange es in Kraft ist und sich alle daran halten, wird der Iran konstant von der kritischen Schwelle, eine Atombombe bauen zu können, entfernt gehalten.

Druck auf die IAEA

Die USA scheinen ihre Linie, das 2015 in Wien geschlossene Abkommen anzugreifen, zuletzt geändert zu haben. Trumps Botschafterin bei der Uno, Nikki Haley, hatte im August die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien besucht, die das Abkommen durch Inspektionen im Iran überwacht. Haley versuchte Druck auf die IAEA zu machen, auch Zugang in vom Deal nicht erfasste Anlagen, zum Beispiel Militärbasen, zu verlangen. Zuletzt tauchten auch Berichte über angebliche Geheimdienstinformationen über klandestine nukleare Aktivitäten im Iran auf. Die IAEA bescheinigte jedoch, im Iran auf keine Probleme zu treffen.

Diese Art des Vorgehens ist schon deshalb problematisch, weil sie Erinnerungen an die Begründung der US-geführten Irak-Invasion 2003 weckt: Das wiederaufgenommene geheime Atomwaffenprogramm Saddam Husseins, für das "Beweise" präsentiert wurden, gab es nicht.

Vielleicht auch deshalb wird nun ein anderer Punkt aufgegriffen: die zeitliche Begrenztheit des Deals. Sogar US-Außenminister Rex Tillerson griff das Thema bereits auf, der bisher zu jenen in der US-Regierung gezählt wurde, die für den Erhalt sind. Am Dienstag sagte Tillerson zu Fox News, dass das Abkommen geändert werden müsse, sonst würden die USA es verlassen: Gewisse Beschränkungen dürften nicht nach zehn beziehungsweise 15 Jahren auslaufen. Dafür wurde der malerische, aber auch etwas furchteinflößende Begriff "Sonnenuntergangsklauseln" kreiert. Sie müssten weg, so Tillerson.

Deal mit Zeithorizont

Es gibt derzeit nicht die geringste Chance, dass Teheran dies neu verhandelt. Aus iranischer Sicht ist die Islamische Republik auf freiwilliger Basis eine Verpflichtung eingegangen, ihre technologische Forschung, Entwicklung und Industrie auf eine gewisse Zeit zu beschneiden. Ohne diesen Zeithorizont, in dem Vertrauen geschaffen und vielleicht neue politische Verständigungschancen ergriffen werden sollten, hätte es das Abkommen nicht gegeben.

Darüber hinaus bringen die USA Vorwürfe gegen den Iran ins Spiel, die vom Atomdeal nicht behandelt werden – weil dieser sonst nicht zustande gekommen wäre, sind sich Experten einig: das ehrgeizige ballistische Raketenprogramm, die Zusammenarbeit mit terroristischen Gruppen, Menschenrechtsverletzungen und eine aggressive Regionalpolitik. Durch sein Engagement in Syrien sehen die anderen arabischen Staaten und Israel den Iran auf einem gefährlichen hegemonialen Expansionskurs.

Die IAEA-Inspektionen laufen mit dem Abkommen nicht aus, das iranische Atomprogramm würde weiter kontrolliert. Klar ist aber auch, dass der Iran wieder uneingeschränkt Uran anreichern könnte – ein Recht, das ein Land auch unter dem Atomwaffensperrvertrag hat. Dieses Recht hat der Iran jedoch, laut Ansicht seiner Gegner, verspielt, indem er die Anfänge seines Urananreicherungsprogramms versteckte. Es flog 2002 auf – allerdings fast vier Jahre bevor der Iran erstmals tatsächlich anreicherte.

Kompliziertes Konstrukt

Wenn die USA aussteigen, könnten die anderen Vertragspartner noch immer dabeibleiben, dazu lobbyierte der iranische Präsident Hassan Rohani in New York vor allem bei seinen europäischen Gesprächspartnern. Fallen jedoch die Sanktionsaufhebungen vonseiten der USA, wäre der Deal für den Iran von viel geringerem wirtschaftlichen Wert. Internationale Firmen hätten noch größere Bedenken, im Iran zu arbeiten als jetzt schon.

Im Deal sind zwar Konfliktlösungsmechanismen vorgesehen, die die USA aber ebenfalls sprengen könnten. Das Ganze ist ein kompliziertes Konstrukt: kein inter nationaler Vertrag, sondern ein "Aktionsplan" (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPOA), der durch die Bestätigung des Uno-Sicherheitsrats internationale Verbindlichkeit erhielt. Daher die gebräuchliche flapsige Bezeichnung "Deal".

Über ihm zieht nun das Abendrot auf. Wenn sich – was Beobachter fürchten – im Iran die Hardliner durchsetzen, die immer schon gesagt haben, dass die USA das Abkommen nicht lange einhalten werden, droht eine neue Eskalation: Der Iran könnte seine Urananreicherungsprogramm wieder aufnehmen und schlimmstenfalls sogar aus dem Atomwaffensperrvertrag aussteigen, wie Nordkorea es getan hat. (Gudrun Harrer, 21.9.2017)