Ein stimmungsvoller Ort: der Père-Lachaise-Friedhof in Paris.

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Sonne und Erholung allein sind für viele im Urlaub uninteressant. Es zieht sie ins Dunkle. Dann sind sie auf ihrer Reise auf den Spuren einer Naturkatastrophe, eines ehemaligen Kriegsschauplatzes oder bizarrer kommunistischer Monumente unterwegs. Der Überbegriff für diese Art der Urlaubs ist Dark Tourism: Reisen, die einen an Schauplätze mit einer dunklen Vergangenheit bringen.

Bis zu einem gewissen Grad sind wohl die meisten Dark Tourists, denn diese Orte gehören ebenso zur Geschichte einer Region wie Prachtbauten und Naturdenkmäler. Und es ist daher nicht abwegig, auf einer Paris-Reise über den Père-Lachaise-Friedhof zu spazieren, in Hanoi das Hồ-Chí-Minh-Mausoleum oder in Tschernobyl die Sperrzone zu besichtigen.

Man muss auch nicht unbedingt weit fahren, wenn einen Orte mit einer düsteren Vergangenheit interessieren. Österreich hat genug davon zu bieten: Katakomben, das nie in Betrieb gegangene Kernkraftwerk Zwentendorf, pathologisch-anatomische Sammlungen der Universität und die beklemmenden Gemäuer von Gedenkstätten finden sich auf den Listen von Dark-Tourism-Webseiten. Schüler, die sich auf Wien-Woche in der Hauptstadt befinden, werden unwissentlich zu Dark Tourists, denn ein Großteil von ihnen wird im ehemaligen "Adolf-Hitler-Haus", das heute als Schülerwohnheim fungiert, untergebracht.

Sensationsgier oder Bildungsreise?

Friedhöfe und Gräber, Gedenkstätten des Holocaust und von Genoziden, Gefängnisse und Orte politischer Verfolgung, Schauplätze des Kalten Krieges und Eisernen Vorhangs, Orte mit nuklearer Geschichte und ehemalige Katastrophengebiete. Das sind unter anderem die Kategorien, in die der Reiseblogger Peter Hohenhaus Dark Tourism einteilt. Dabei ist jedoch immer wichtig, den Respekt vor der Geschichte des Ortes zu wahren und ein entsprechendes Benehmen an den Tag zu legen. Selfies an Holocaust-Gedenkstätten, wie in den Blogs Yolocaust oder Tindercaust porträtiert, sind ganz klar nicht erwünscht, ebenso wenig wie rein voyeuristische Reisen unmittelbar nach einem Katastrophenfall.

Im Idealfall soll Dark Tourism sachliche, lehrreiche, respektvolle und vorurteilsfreie touristische Begegnungen mit Zeitgeschichte und ihren dunklen Seiten bieten. Peter Hohenhaus erklärt im STANDARD-Interview seine Faszination für das Thema: "Diese Orte haben noch den Reiz des Exotischen, man bewegt sich abseits der ausgetretenen Touristenpfade. Die meisten Dark-Tourism-Schauplätze stehen nicht in Reiseführern, Nischenfirmen bieten Touren an. Mittlerweile findet man aber immer mehr Texte und Fotos im Internet, einige Menschen bekennen sich offen dazu."

Sind Sie ein Dark Tourist?

Können Sie den Reiz nachvollziehen? An welche dunklen Orte der Geschichte hat es Sie im Urlaub bereits verschlagen? Welche interessieren Sie? Ist Dark Tourism für Sie die Lust am Schrecklichen? Und wo liegen für Sie die Grenzen? (aan, 25.9.2017)