Eine neue Studie über Erstwählerinnen und Erstwähler zeigt einen deutlichen Anstieg des politischen Interesses in den vergangenen vier Jahren. War 2013 noch die Mehrheit der 16- bis 20-Jährigen nur "wenig" interessiert an Politik, ist jetzt die Mehrheit politisch zumindest "ziemlich" interessiert.

Foto: APA / Erwin Scheriau

Wien – Bei der Nationalratswahl am 15. Oktober gibt es ein Jubiläum zu feiern: Vor zehn Jahren wurde das aktive Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt. 2008 durften dank dieser Maßnahme rund 90.000 unter 18-Jährige (1,5 Prozent aller Wahlberechtigten) erstmals die Zusammensetzung des Nationalrats mitbestimmen. Nun steht nach 2013 die dritte Bundeswahl bevor, bei der auch 16- bis 18-Jährige wahlberechtigt sind.

Wie aber denken diese Jungwählerinnen und Jungwähler über Politik und ihr Wahlrecht? Eine dem STANDARD vorliegende Studie im Auftrag des Parlaments über "ErstwählerInnen bei der Nationalratswahl 2017" gibt Antworten, auch im Vergleich zur Bundeswahl 2013. Dazu wurden 309 Jugendliche zwischen 16 und 20 mittels Telefon- und Internetumfragen befragt.

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie:

Politisches Interesse Dieses ist seit 2013 deutlich gestiegen – und zwar in allen Ausbildungs- und Berufsgruppen. War damals nur ein Viertel der Erstwähler sehr oder ziemlich interessiert an Politik, liegt dieser Anteil jetzt bei 60 Prozent (siehe Grafik). Das Autorenteam Sylvia Kritzinger, Markus Wagner und Josef Glavanovits vom Institut für Staatswissenschaft der Uni Wien führt das – ungeachtet unterschiedlicher Befragungsmethoden – "vor allem auf die politische Polarisierung des lange anhaltenden Bundespräsidentschaftswahlkampfes aus dem Jahr 2016 zurück". Am meisten haben berufstätige Erstwähler aufgeholt. Waren sie 2013 noch jene, die sich am wenigsten für Politik interessierten, sind sie nun die Gruppe mit dem höchsten Interesse. Mehr als zwei Drittel (68 Prozent) sind politisch ziemlich oder sehr interessiert (2013: 18 Prozent). Bei den Schülern liegt dieser Wert bei 58 Prozent, bei Studierenden bei 63.

Gender-Gap Statistisch signifikant ist laut Erstwählerstudie, dass junge Frauen im Schnitt politisch weniger interessiert sind als männliche Erstwähler, auch wenn sich der Gender-Gap beim politischen Interesse deutlich verkleinert hat. War 2013 keine einzige befragte Jungwählerin politisch "sehr interessiert", sind es vier Jahre später acht Prozent (siehe Grafik). Konkret ist bei den 16- bis 18-Jährigen der Vorsprung der Männer beim Politikinteresse so gut wie völlig verschwunden, in der 18- bis 20-jährigen Wählerschaft hat sich der Gender-Gap zwar auch verringert, ist da aber noch immer signifikant. Gleichaltrige Frauen sind in dieser Altersgruppe noch immer weniger an Politik interessiert als Männer. Der Unterschied ist allerdings weniger groß als vor vier Jahren: "Positiv fällt zudem auf, dass das politische Interesse in so kurzer Zeit so stark bei den ErstwählerInnen gestiegen ist", heißt es in der Studie.

Insgesamt ist nämlich sowohl die Mehrheit der Männer (47 Prozent) als auch der Frauen (48 Prozent), die erstmals wählen dürfen, politisch zumindest "ziemlich" interessiert, vor vier Jahren war das noch umgekehrt, da überwog "wenig" bis "kein" politisches Interesse. 2013 gaben fast zwei von drei Männern und neun von zehn Frauen aus der Erstwählergruppe an, wenig bis gar nicht politisch interessiert zu sein.

Wahlabsicht Die Wahrscheinlichkeit, zur Wahl zu gehen, hat sich gegenüber 2013 deutlich erhöht. Damals wollten 70,3 Prozent der 16- bis 20-Jährigen ihr Wahlrecht in Anspruch nehmen, 2017 bekunden das 85,1 Prozent. Der Gender-Gap in dieser Frage hat sich ebenfalls geschlossen – von 7,2 Vorsprung der Männer auf 1,4 Prozent Differenz. Ob junge Wahlberechtigte wählen wollen, hängt auch vom politischen Interesse ab. Es gilt: Je mehr Interesse an Politik, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit einer Wahlteilnahme. Der Unterschied zwischen den nicht oder wenig Interessierten, von denen vier von fünf zur Wahl gehen wollen, und den politisch (sehr) Interessierten, von denen fast 90 Prozent ihre Stimme abgeben wollen, ist statistisch signifikant. Noch in Ausbildung befindliche Jugendliche (Schüler, Studierende) gaben an, mit etwas höherer Wahrscheinlichkeit zur Wahl zu gehen. Diese Absicht ist allerdings im Zeitvergleich zu 2013 in allen Berufs- und Ausbildungsgruppen gestiegen.

Politisches Wissen Ein weiterer Erklärungsfaktor für die beabsichtigte Wahlteilnahme ist das politische Wissen: Wer mehr weiß, geht eher wählen. Dazu wurden die Erstwähler gefragt, ab welchem Alter man in Österreich bei Nationalratswahlen wählen darf, wie viele Prozent eine Partei für den Einzug in den Nationalrat braucht, und sie sollten die im Parlament vertretenen Parteien auf einer Links-rechts-Skala einordnen (0 = links, 10 = rechts). Als korrekt galt die Antwort, wenn die Werte der einzelnen Parteien so ausgesehen haben: Grüne < SPÖ < Neos < ÖVP < Team Stronach < FPÖ.

Von den 28,32 Prozent der 16- bis 20-jährigen, die alle drei Fragen richtig beantwortet haben, wollen 91 Prozent auch wählen. Aus der kleinen Gruppe derer, die keine (0,45 Prozent) oder nur eine Frage (7,03 Prozent) richtig hatten, wollen hingegen nur 46 bzw. 53 Prozent ihre Stimme abgeben. 64,20 Prozent konnten zwei Fragen richtig beantworten.

Das politische Wissen der Erstwähler hat sich gegenüber 2013 übrigens nur bei den jungen Männern merklich verbessert. Hier ist der Gender-Gap von 1,7 Prozent zugunsten der Männer auf nunmehr sechs Prozent angewachsen, mittlerweile ein signifikanter Wissensrückstand der jungen Frauen.

Zukunftsaussichten Die Jungwähler wurden auch gefragt, wie sie ihrer Zukunft entgegenblicken, ob sie glauben, dass "die Jungen von heute alles in allem ein besseres Leben haben werden als ihre Eltern". Die häufigste Antwort war "teils, teils", jedoch lehnen mehr Junge die Aussage, dass sie es einmal besser haben werden als ihre Eltern, ab, als dieser zustimmen. (siehe Grafik) Bei den 16- bis 18-Jährigen (nicht bei denen zwischen 18 und 20) zeigt sich dabei ein Muster: Je pessimistischer sie ihrer Zukunft entgegenblicken, umso wahrscheinlicher wollen sie wählen. Für die Autoren ein Zeichen, "dass sie ihren schlecht eingeschätzten Zukunftsaussichten nicht resignierend gegenüberstehen, sondern aktiv eine Veränderung herbeiführen wollen – indem sie wählen gehen."

Für Nationalratspräsidentin Doris Bures ist das Studienergebnis daher auch ein Auftrag, "dass es für einen starken Parlamentarismus von großer Bedeutung ist, bei Jungwählern das Interesse an Politik und politischen Abläufen zu wecken". Sie möchte den dokumentierten Anstieg des politischen Interesses der Jugendlichen weiter fördern durch den Ausbau der Demokratieworkshops für Schüler und Lehrlinge. (Lisa Nimmervoll, 22.9.2017)