Vor neun Monaten hat Gusenbauer seinen gesamten Besitz in Brunn am Gebirge verkauft und dafür Lark Caye erworben.

Foto: Christian Gusenbauer

Die zweistöckige Lodge, die durch Solarstrom und aufbereitetes Regenwasser versorgt wird, ist fast fertig.

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Die Unterkunft auf der kleinen Insel kann über Airbnb gemietet werden.

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Kann wieder strahlen: Inselbesitzer Christian Gusenbauer

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Das Ausweichquartier zum Paradies ist ein karges Apartment. Christian Gusenbauer sitzt dort in einem bleichen Korbsessel wie bei einer Generalprobe. Bald wird der 43-jährige Niederösterreicher öfter auf dem Festland im Süden von Belize übernachten müssen. In wenigen Wochen kommen erstmals zahlende Gäste auf seine Insel Lark Caye, ein mehrere Fußballfelder großes Mangroveneiland, acht Kilometer vor der Küste im Karibischen Meer. Dann zieht er in sein Apartment in Placencia.

Vor neun Monaten hat Gusenbauer seinen gesamten Besitz in Brunn am Gebirge verkauft und dafür Lark Caye erworben. Ganz gereicht hat das eigene Geld aber nicht. Zwei Freunde, die von seiner Idee überzeugt waren, ein paradiesisches Inselchen zu kaufen, ein Häuschen draufzustellen und über Airbnb zu vermieten, streckten ihm die Differenz auf den Kaufpreis von 162.500 US-Dollar vor. Im Jänner 2017 verließ er Österreich und kehrte seither nicht mehr zurück.

Es ist sechs Uhr morgens in Belize, und nur der Bildschirm des Smartphones erhellt Gusenbauers Gesicht. Im Verlauf des Videotelefonats wird es noch öfter strahlen – nicht nur, weil die Sonne dann aufgegangen ist über der Karibik. Etwa bei dem Satz: "Als ich im Jänner ankam, blieb ich fünf Tage auf der Insel, erst am sechsten musste ich aufgeben. Dort war nichts außer Mangroven und einem intakten Riff – herrlich!"

Bis zum Verkaufsleiter

Gusenbauer wuchs als sportliches Kind noch sportlicherer Eltern in der Wiener Südstadt auf. Seine Mutter Ilona Gusenbauer zählte in den 1960er-Jahren zu den weltbesten Hochspringerinnen, sein Vater Roland trainierte sie. Also entschied sich Christian für ein Sportstudium und begann nebenher bei einem Pharmaunternehmen zu jobben. Unterdessen wurde er zweifacher Vater in einer zunächst glücklichen Ehe. Er blieb der Pharmabranche treu, schaffte es bis zum hochbezahlten Verkaufsleiter.

Die Scheidung im Jahr 2005 warf Gusenbauer aus der Spur. Er sah seine Kinder nicht mehr so häufig, wie er wollte. Auch im Job lief es nicht so wie früher: Obwohl absehbar war, dass ein Joint Venture des Pharmaunternehmens dessen Pleite bedeuten würde, arbeitete immer noch auf Volltouren. Er erkankte an Burn-out, konnte zeitweilig nicht mehr sinnerfassend lesen oder klar sprechen, es folgten Depressionen, Selbstmordversuche. Ende 2016 verkaufte er schließlich sein gesamtes Hab und Gut, verließ Österreich mit einer einzigen Reisetasche.

Gusenbauer wendet sich während des Gesprächs kurz ab, sieht zum Fenster hinaus. Irgendwo da drüben, wo seine Insel liegt, muss die Sonne aufgegangen sein. Man kann es an dem Schein erkennen, der seinen Dreitagebart in ein freundliches Licht taucht. Er sagt: "Seit dem ersten Tag in Belize nehme ich keine Antidepressiva mehr. Warum auch, es scheint fast immer die Sonne."

Erwartbare Schlaglöcher

Nicht nur über die klimatischen Bedingungen in Belize hatte er sich vor seiner Ankunft intensiv über Facebook informiert. "Es war skurril", sagt er, "als ich zum ersten Mal mit meinem Pick-up ausfuhr, wusste ich von Facebook, wo das nächste Schlagloch zu erwarten ist." Auch dass Belize weltweit zu den Ländern mit den höchsten Mordraten gehört, war ihm bewusst. Um bei Besorgungen, die ihn in die Hauptstadt führten, nicht auf den Straßen überfallen zu werden, kalkulierte er ein Budget für Inlandsflüge ein. "Wenn man im Land lebt, kommt man drauf, dass die Fliegerei unnötig ist. Hier im Süden ist es sicher, und Belize-Stadt hat mit Drogen-Banden zu kämpfen. Die kann man umgehen." Dennoch konnte er nicht auf alles vorbereitet sein.

Die Bauarbeiten am Haus gingen zügig voran. Eines Nachts erhielt er aber einen Anruf von den Arbeitern auf der Insel: "Es war Neumond und stockdunkel, als ich auf Lark Caye übersetzte. Ein Vorarbeiter wurde mit der Machete bedroht. Es ging um eine Lappalie, eine Unstimmigkeit, wie ein Arbeitsschritt korrekt auszuführen sei. Also musste ich den Streit schlichten." Mittlerweile ist die zweistöckige Lodge, die durch Solarstrom und aufbereitetes Regenwasser versorgt wird, fast fertig.

Ruhige Tage

"Es war erhebend, als die Kids zum ersten Mal das Haus sahen", sagt Gusenbauer. Seine Söhne, 13 und 15 Jahre alt, verbrachten diesen Sommer fünf Wochen mit ihm auf Lark Caye. Schon zum zweiten Mal. "Zu Ostern übernachteten wir noch unter einer blauen Plastikplane auf der Insel. Das hat den Buben besser gefallen, sie bräuchten kein fertiges Haus."

Aber was braucht Gusenbauer, wenn erst einmal alle Arbeit getan ist? "Nur ein paar ruhige Tage in diesem Apartment, eigentlich bin ich ja ein fauler Hund." Er sagt es, wie es nur echte Workaholics sagen können. Zum Glück werden auch Paradiese mit der Zeit renovierungsbedürftig. (Sascha Aumüller, 26.9.2017)