Der Kabinendruck während des Fluges entspricht mitunter rund 2.500 Metern Seehöhe.

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2015 gab es weltweit rund 3,3 Milliarden Flugreisende. "Wir verlangen bei jedem kleineren operativen Eingriff im Spital eine 'Freigabe' durch den Internisten. Da ist es nur ratsam, diesen Menschen auch vor einer Flugreise den Gang zum Hausarzt, eventuell zum Internisten oder Lungenfacharzt dringend zu empfehlen", sagt Joachim Huber, Wiener Internist, Kardiologe und Flugmediziner.

Flugreisen – von Kurzstrecken mit geringer Entfernung bis hin zu Ultralangstrecken-Flügen beispielsweise zwischen Australien und Europa – sind längst Alltag geworden. "Doch gleichzeitig hat das Bewusstsein für die gesundheitlichen Belastungen abgenommen. Der Kabinendruck während des Fluges entspricht beispielsweise rund 2.500 Metern Seehöhe. Und oft sagen Patienten: 'Nein, auf 2.500 Meter Seehöhe gehe ich nicht mehr hinauf.' Während des Fluges kommen sie aber über solchen Höhen", so Huber.

"In diesem Moment befinden sich mehr als zwei Millionen Menschen in der Luft. 50 Prozent aller Flugpassagiere sind über 50 Jahre alt. Mehr als 50 Prozent sind chronisch krank. Man denke nur daran, dass eine Million Österreicher täglich mehr als fünf verschiedene Medikamente einnehmen. 25 Prozent der Touristen werden am Urlaubsort in irgendeiner Weise krank. Und viele dieser Menschen steigen ins Flugzeug", sagt der Flugmediziner, der ehemals den ersten Österreicher im All, Franz Viehböck, im Rahmen der "Austromir"-Weltraumexpedition medizinisch betreut hat.

Jährlich 2.000 Todesfälle in Flugzeugen

Eine Statistik der "Doc-on-Board"-Initiative hat vergangenes Jahr ergeben: 30 Prozent der Flugpassagiere haben Herz-Kreislauf-Leiden. 15 Prozent weisen chronische Atmungsprobleme auf. Erst danach kommen psychische Notfälle und Flugangst, neurologische Probleme und anderes. Statistisch tritt ein medizinischer Notfall pro 10.000 Passagiere auf. Bei den 250 Mitgliedern des Internationalen Verbandes der Fluglinien (IATA) werden pro Jahr rund 2.000 Todesfälle während Flügen registriert.

"Was zum Beispiel bei Menschen mit chronischen Atemwegserkrankungen im Alltagsleben kaum spürbar ist, kann während einer Flugreise leicht problematisch werden", warnt der Flugmediziner. So liegt die Sauerstoffsättigung im arteriellen Blut (SaO2) in Meereshöhe bei um die 98 Prozent. "Die Abnahme des Luftdruckes und somit des Sauerstoffpartialdruckes von 70 auf 50 mm Hg bei einer Höhe (Kabinendruck) von 10.000 bis 12.000 Fuß ergibt eine arterielle Sauerstoffsättigung von nur noch 92 Prozent oder den Grenzwert zum Sauerstoffmangel", schilderte Huber. Kommt dann beispielsweise noch eine chronische Lungenerkrankung wie COPD, Asthma oder eine Herz-Kreislauferkrankung hinzu, verschlechtert sich die Situation für den Flugreisenden automatisch.

"Gerade deshalb sollten Menschen mit chronischen Erkrankungen vor Flugreisen zumindest zu ihrem Hausarzt gehen und sich mit ihm beraten. Und der Hausarzt sollte bei Bedarf zum Lungenfacharzt bzw. zum Internisten überweisen", sagte der Flugmediziner. Per Lungenfunktionsmessung etc. erfolgt eine genauere Abklärung der Situation des Betroffenen, dann kann der Flugreisende ganz gezielt auf die Passage vorbereitet werden.

Medikamente optimieren

"Natürlich lässt sich die Flugtauglichkeit auch bei Menschen mit chronischen Erkrankungen verbessern. Da muss man eben die medikamentöse Einstellung optimieren. Das wichtigste aber ist: Man braucht ein paar Wochen Zeit dazu. Wer mit chronischen Atemwegs- oder Herz-Kreislauferkrankungen am Tag vor Antritt der Flugreise zum Arzt geht, kommt zu spät", betont der Experte.

Ein Atemvolumen von drei Litern pro maximalem Atemzug, ein FEV1-Wert (maximale Ausatmung binnen einer Sekunde) von mehr als 70 Prozent des Sollwertes, eine arterielle Sauerstoffsättigung von mehr als 85 Prozent und ein arterieller Kohlendioxidpartialdruck von mehr als 70 mm HG stellen die Mindestanforderungen für den Status von Flugreisenden dar. Klar sollte auch allen Menschen mit chronischen Lungenerkrankungen (z.B. Asthma oder COPD) sein, dass sie auch bei Reisen in die Ferne medikamentös optimal versorgt sein und auch Arzneimittel zum Management akuter Probleme griffbereit haben müssen. (APA, 6.10.2017)