Robert Görl und Gabi Delgado-López sind als DAF frisch reformiert. Am 2. Dezember kann man sie live in Wien erleben: "Alles ist gut!"

Foto: Groenland Records

Wien – Man kann sich das heutzutage gar nicht mehr vorstellen, aber damals wurde diese Musik bei ihrem Erscheinen nicht nur als "monoton", "stumpf" oder "kalt" und "seelenlos" empfunden. Strafverschärfend kamen dann noch die kurzgeschorenen Haare, schwarzschwarze Kleidung und gebellte Texte wie "Tanz den Mussolini!" dazu – schon wurde die Faschismuskeule ausgepackt.

Nur die Großmutter war damals, zwar nicht wegen der Lieder, aber wegen des adretten Erscheinungsbilds der beiden Herren, von der – komischer Name – Deutsch Amerikanischen Freudschaft (DAF) erfreut. Endlich einmal ordentlich angezogene Menschen, die Körperpflege und vielleicht sogar regelmäßiges Training beim deutschen Turnverein betreiben. Dass das Duo auch Lieder wie Der Räuber und der Prinz, Muskel, Goldenes Spielzeug und Sex unter Wasser im Gepäck hatte und in Ledermontur eher keine heteronormativen Langzeitbeziehungen verhandelte, wollte sie dann aber eh nicht weiter wissen. Dafür war ihr die – herrje! – "Negermusik" zu laut.

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In den Nachwehen des Deutschen Herbstes hingen damals an der deutschen Grenze die Fahndungsplakate mit Fotos von Terroristen drauf. Die aufsässige Jugend trug, am Watschenbaum rüttelnd, teilweise RAF-T-Shirts – aber eh unter dem Pullover. Und wenn man besonders stark bei allen, also auch den Klassenkameraden oder in der örtlichen Hippie- oder Poppermattendisco, anecken wollte, dann ließ man sich beim Haarabschneider eine Bundesheerfrisur machen und schnappte sich die alten Anzüge vom Vater. Der lief eh lieber in Bluejeanshosen herum und wartete darauf, dass 1981 endlich der Musikantenstadl erfunden wurde. Vor dessen Einführung konnte man sich nie ganz entscheiden, was schlimmer war: die ZDF-Hitparade, Die Möwe Jonathan, das Gesamtwerk der Beatles und Frank Zappas, die Discomusik im Allgemeinen, versiffter Bluesrock von versifften Milchgesichtern oder doch schlicht und einfach Dalli Dalli und Aktenzeichen XY ... ungelöst.

Verschwende deine Jugend

Die Musik der Deutsch Amerikanischen Freundschaft kam damals als Offenbarung daher. Sie war schlichtweg eine Erlösung. All die Vorwürfe, die man gegen DAF vorbringen konnte, waren natürlich deren größte Vorzüge: Monoton, ja! Stumpf, yessir! Kalt, aber unbedingt! Seelenlos ... nein, das stimmt nicht: "Denk bitte nicht nach, alles ist gut!"

Vladimir Virage

Die jetzt mit 51 Titeln und zweieinhalb Stunden Länge ausführliche Werkschau Das ist DAF des frisch wiederbelebten Duos zeigt: Nach Anfängen als "reguläre", mehrköpfige Band aus dem Umfeld der Düsseldorfer Punkszene, etwa mit den improvisierten Daddeleien des heute noch in Großbritannien kultisch verehrten zweiten Albums Die Kleinen und die Bösen, setzte sich das Kernduo Robert Görl (ein studierter Jazzschlagzeuger) und Gabi Delgado-López (er studierte Leben) durch.

Nach ihrem Umzug nach London entstanden mit der Albumtrilogie Alles ist gut, Gold und Liebe sowie Für immer zwischen 1980 und 1982 auf das Nötigste reduzierte Vorboten harter, von jedem Fett und jedwedem Rock 'n' Roll befreiter muskulöser Tanzmusiken wie der Electronic Body Music und später Techno. Man setzte neben minimalistischen, harten Synthie-Riffs, wuchtigen Drums sowie Delgados guttural-teutonischem Kasernenhofton auch in den parolenhaften Texten auf Verknappung.

Neben Der Mussolini, Verschwende deine Jugend oder Absolute Körperkontrolle bleibt vor allem Alle gegen alle zeitlos schön: "Unsere Kleidung ist so schwarz / Unsere Stiefel sind so schön / Links den roten Blitz / Rechts den roten Stern / Unsere Schreie sind so laut / Unser Tanz ist so wild/ Ein neuer böser Tanz / Alle gegen alle!" (Christian Schachinger, 7.10.2017)