Zwei Tennisprofis, die mit unterschiedlichem Temperament ihr Spiel machten: Björn Borg (Sverrir Guðnason) und John McEnroe (Shia LaBeouf) in "Borg/McEnroe".

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Regisseur Janus Metz: "ein existenzieller Kampf".

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Wien – John McEnroe, der punkige Rotzlöffel aus der Bronx (Shia LaBeouf) steht auf der einen Seite, der schwedische Eisblock Björn Borg (Sverrir Guðnason) auf der anderen: Im Jahr 1980 treffen die Tennisstars beim Wimbledon-Finale erstmals aufeinander, das Spiel wird zu den allergrößten seiner Art gezählt werden. In Janus Metz' Sportdrama Borg/McEnroe spielt sich das Duell vor dem Rasen aber bereits im Kopf ab: Borg wird in Rückblenden als ähnlich rebellisches Naturtalent präsentiert, das sich erst unter seinem Trainer Bergelin (Stellan Skarsgård) zur perfekt eingestellten Maschine verwandelt – mit Nebeneffekten. McEnroe, von LaBeouf punktgenau getroffen, ist die Rohvariante mit mehr Ähnlichkeiten zu Borg, als man zunächst glaubt.

Trailer zu "Borg/McEnroe".
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STANDARD: Sie wurden 1974 geboren, haben Sie Erinnerungen an das Wimbledon-Finale von 1980?

Metz: Ich erinnere mich an nichts! Doch Björn Borg war für mich eine mythologische Figur. McEnroes Wutausbrüche hatte ich von später in den 80ern im Gedächtnis, jeder schien nur darauf zu warten. Allerdings betrachte ich diesen Film gar nicht als Tennisfilm. Für mich ist es ein psychologisches Drama, das von existenziellen Fragen handelt: Es geht um die Angst vor dem Tod, die Suche nach Zielen, um Intensitäten. Es könnte ein Film über zwei Künstler oder Drogensüchtige sein. Björn und John müssen sich ständig einen "Schuss" Tennis verabreichen.

STANDARD: Aber deren Ausnahmestellung können Sie nur schwer negieren!

Metz: Natürlich hat es mich interessiert, von zwei Menschen zu erzählen, die die Schallmauer durchbrachen, an einem bestimmten historischen Moment – sie haben die Welt angehalten und diese in einen einzigen Zuschauer verwandelt. Die Rivalität zwischen Björn und John war so stark, dass sie auch noch der nächsten Generation in Erinnerung blieb.

STANDARD: David Foster Wallace hat einmal geschrieben, Tennis sei Schach im Laufschritt. Hat es für Sie auch diese existenzielle Dimension?

Metz: Zumindest betrachten wir das im Film so. Für Björn und John gilt es, für viele moderne Athleten auch. Eine meiner Grundsatzfragen war, warum jemand überhaupt der Beste in einem Feld sein möchte. Was treibt Leute an, die eine derartige Ambition haben? Was motiviert mich als Filmemacher? Denken Sie nur an die Radfahrer bei der Tour de France, die einen Berg hochfahren und dabei fast an einem Herzinfarkt sterben. Es liegt nahe, darin existenzielle Faktoren zu finden – die Angst vor dem Tod, den Schmerz als ultimative Lebenserfahrung. All diese Anstrengungen, nur, damit einem Liebe und Akzeptanz widerfährt.

STANDARD: Der Film entdeckt auch Parallelen zwischen Borg und McEnroe – sie haben denselben Hunger, aber unterschiedliche Methoden, damit umzugehen.

Metz: Es zeigt aber auch, wie zwei unterschiedliche Kulturen zwei sehr konträre Persönlichkeiten hervorgebracht haben. Wir sprechen vom schwedischen Wohlfahrtsstaat der späten 1970er-Jahre. Das bedeutet: Selbstbeherrschung, Unauffälligkeit und den Druck, sich in Gruppen einzugliedern. Emotionen zu kontrollieren war unerlässlich. Wohingegen das kapitalistische Amerika auf Individualismus setzte: Da war es wichtig, auf sein Recht zu bestehen, seine Chancen zu finden. McEnroes Familie war noch dazu eine irischer Einwanderer. Wenn man in ein neues Land kommt, ist man darauf aus, etwas aus sich zu machen.

STANDARD: Borgs Vater-Sohn-Verhältnis zu seinem Trainer nimmt viel Raum ein: Der junge Borg wird zum Platzhalter der Träume des alten. Ein Generationenvertrag?

Metz: Es ist ein bisschen wie bei Salieri und Mozart. Er sieht im jungen Borg das Genie, das er selbst nicht sein konnte. Borg ist natürlich sehr ehrgeizig, aber er wird auch als Erfolgsmodell geformt. Das hat durchaus Ambivalenzen. Borg wird zwar von Bergelin verstanden. Aber der weiß auch, dass er mit dem Feuer spielt. In der gespannten Aufmerksamkeit liegt auch eine Verbindung zum Tod. Oder zumindest zu etwas, was dem Tod nahesteht, zu etwas Sublimem.

STANDARD: Das nehmen wir allerdings meist nur an vergangenen Sportheroen so wahr, oder?

Metz: Ich glaube, es gibt ein allgemeines Gefühl für Nostalgie, weshalb wir immer wieder auf solche Figuren zurückkommen. Mehr noch liegt es jedoch daran, dass die beiden zu einer Zeit groß aufspielten, als sich der Sport professionalisierte. Borg und McEnroe waren die ersten Rockstars des Tennis, und mit die ersten der Sportindustrie. Zu dieser Zeit flossen erstmals Unmengen Geld in den Sport, McEnroe wurde zur Nike-Posterfigur. "Let's do it", der Slogan, ist zumindest an McEnroe orientiert. Das hat natürlich den ganzen Sport verändert. Jetzt ist er viel stärker von Marken durchsetzt und abgesicherter.

STANDARD: Was bedeutet es dann als Regisseur, dieses Zeitgefühl einzufangen? Gibt es keine Angst vor Retro-Chic?

Metz: Man muss vermeiden, einen Schlechte-Perücken-Film zu drehen! Die größte Herausforderung in der Ausstattung war, dass es cool und real aussieht. Das macht man, indem man Archivbilder studiert. Man muss vor allem auf die Details achten. Es muss bereits getragen, patiniert aussehen. (Dominik Kamalzadeh, 11.10.2017)