Bei seiner mit Spannung erwarteten Rede schlug Puigdemont den Abgeordneten im Regionalparlament in Barcelona vor, die Abspaltung auszusetzen, um zunächst Gespräche zu führen.

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Spätnachts unterzeichnete Puigdemont die Unabhängigkeitserklärung

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Tausende verfolgten in Barcelona die Rede Puigdemonts, die auf Großbildschirmen übertragen wurde.

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Enttäuschung: die Unabhängigkeit Kataloniens wurde verschoben

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Der katalanische Präsident Carles Puigdemont erklärte am Dienstagabend vor dem Autonomieparlament in Barcelona die Unabhängigkeit Kataloniens, um sie im gleichen Augenblick auszusetzen. "Angekommen an diesem historischen Moment und als Präsident der Generalitat (...) nehme ich das Mandat des Volkes an, dass Katalonien in Form einer Republik ein unabhängiger Staat wird", sagte er.

Und er fügte dann hinzu: "Die Regierung und ich schlagen vor, dass das Parlament die Auswirkungen der Unabhängigkeitserklärung aussetzen wird, sodass wir in den kommenden Wochen einen Dialog führen." Er rief die Zentralregierung zu Gesprächen auf und sprach sich erneut für eine internationale Vermittlung aus.

Puigdemont: Katolonien wird sich nicht spalten lassen

Puigdemont zeigte sich überzeugt, dass der Konflikt mit Madrid auf dem Verhandlungswege gelöst werden könne. Zuvor hatte er ausführlich den Weg erklärt, den er und die Unabhängigkeitsbewegung beschritten haben, um zu diesem Punkt zu gelangen. Er bedauerte die Polizeigewalt seitens der Zentralregierung gegen die Volksabstimmung am vergangenen 1. Oktober. Die Ja-Stimmen entsprechen damit allerdings nur 38 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung.

Puigdemont verschiebt Unabhängigkeitserklärung
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iele bezweifeln, dass dies eine rechtliche Grundlage für eine Unabhängigkeitserklärung sei. Unter ihnen auch die Bürgermeisterin Barcelonas Ada Colau. Puigdemont erklärte, er richte sich an die gesamte Bevölkerung Kataloniens: an diejenigen, "die für die Unabhängigkeit demonstriert haben, diejenigen, die für den Dialog demonstrierten, und diejenigen, die gegen die Unabhängigkeit" auf die Straße gingen. Katalonien werde sich nicht spalten lassen, beschwor er.

Nach seiner Rede unterzeichnete Puigdemont die umstrittene Unabhängigkeitserklärung

Die Sitzung des Parlamentes war um eine Stunde verschoben worden, da die antikapitalistische Kandidatur der Volkseinheit (CUP), die Minderheitsregierung von Puigdemont und sein Bündnis Gemeinsam für das Ja (JxSí) auf eine sofortige Unabhängigkeit in vollem Umfange drängten. Erfolglos, wie sich zeigte.

Raum für Dialog oder Kriegserklärung?

Die Parlamentssitzung fand unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. Die Autonomiepolizei Mossos d'Esquadra hatten den Park um das Gebäude vollständig abgeriegelt, um Demonstrationen zu verhindern. Außerhalb des Polizeigürtels versammelten sich tausende Anhänger der Unabhängigkeit. Gerufen hatten die Katalanische Nationalversammlung (ANC) und Òmnium, die beiden Organisationen, die seit Jahren das Rückgrat der Unabhängigkeitsbewegung stellen und die großen Demonstrationen in den vergangenen Jahren am katalanischen Nationalfeiertag, der Diada (11. September), organisierten. Der Vorsitzende der ANC, Jordi Sánchez, und der von Òmnium, Jordi Cuixart, hatten in den vergangenen Tagen intensiven Kontakt mit Puigdemont, während dieser seine Erklärung ausarbeitete. "Es wird welche geben, die die Erklärung Puigdemonts als Raum für einen Dialog auffassen werden, und andere, die sie als Kriegserklärung sehen", sagte Sánchez am Dienstagmorgen in einem Fernsehinterview.

Jetzt warten alle gespannt auf die Reaktion aus Madrid. Die Regierung Rajoy hatte einmal mehr kurz vor der Ansprache von Puigdemont jeden Dialog abgelehnt. "Es kann keine Vermittlung geben zwischen dem Gesetz und der Illegalität, zwischen Demokratie und der Tyrannei", erklärte die stellvertretende Regierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría vor der zweiten Kammer des spanischen Parlaments, dem Senat. Diesem steht es zu, eine etwaige Aussetzung der katalanischen Autonomie mit dem Verfassungsartikel 155 zu beschließen.

"Sicherheit garantieren"

Im Senat hat Rajoys Partido Popular (PP), anders als im Kongress, die absolute Mehrheit. Ebenfalls unklar blieb, wie die sozialistische PSOE reagieren wird. Reicht ihr der leichte Rückzieher Puigdemonts, oder wird sie eine harte Linie gegen die katalanische Regierung, die mit deren Inhaftierung enden könnte, unterstützen.

Die rechtsliberalen Ciudadanos fordern seit Tagen die Anwendung des 155. Artikels. Und die linksalternative Podemos setzt als einzige Kraft auf Dialog, obwohl auch sie das Referendum als Grundlage für eine Unabhängigkeit nicht anerkennt. Podemos fordert eine erneute Abstimmung im beiderseitigen Einvernehmen.

Eines steht fest: Die Polizeikräfte, die eigens zum Referendum nach Katalonien geschickt worden sind, werden "so lange bleiben, bis die Rechte und Sicherheit aller Katalanen garantiert sind", erklärte der spanische Innenminister Juan Ignacio Zoido. Er hatte das Aufgebot an allen Grenzübergängen, Flughäfen, Bahnhöfen und vor den Gebäuden der spanischen Zentralregierung in Katalonien verstärkt. Vor dem Obersten Katalanischen Gerichtshof ersetzte spanische Polizei die Autonomiepolizei. (Reiner Wandler aus Barcelona, 10.10.2017)