Bild nicht mehr verfügbar.

Heimir Hallgrímsson hat seine ballesternden Isländer erstmals zur WM geführt.

Foto: REUTERS/BEKTAS

In der Stunde des Triumphes verriet Heimir Hallgrímsson tiefe Rührung. "Maradona, Pelé und Aron Einar Gunnarsson ...", stammelte der 50-jährige Coach der isländischen Nationalmannschaft, stellte also angesichts der erstmaligen Qualifikation der Isländer für eine Weltmeisterschaft seinen Kapitän in eine Reihe mit den ultimativen Legenden des Weltfußballs.

Der grimmige Profi von Cardiff City ist mit seinem markanten Bart und den spitzen Eckzähnen das Gesicht des fortgesetzten isländischen Fußballwunders. Hallgrímsson ist seit vergangenen Sommer das alleinverantwortliche Gehirn. Nach der EM in Frankreich hatte der routinierte Schwede Lars Lagerbäck an seinen nominellen Assistenten übergeben. "Zusammen waren wir ein guter Trainer", sagt Hallgrímsson. Ihm als Amateur reinsten Wassers hätten die fast durchwegs fern ihrer Heimat spielenden Isländer niemals das gleiche Vertrauen entgegengebracht wie Lagerbäck, der schon die Auswahlen aus Schweden und Nigeria zu internationalen Turnieren geführt hatte. Hallgrímsson, der als Verteidiger nie über ein Engagement in der isländischen Topliga hinausgekommen war, auch nicht in der Nationalmannschaft spielte, aber das Trainerhandwerk bei den Frauen- und Männerteams seines Stammvereins ÍBV lernte, war vor allem für Analysen zuständig. Und er kümmerte sich um den Anhang, der bei der EM ebenso viel positives Aufsehen erregte, wie die Mannschaft selbst. Vor Heimspielen pflegt der Coach Fans in einem Pub in Reykjavík zu treffen, um die Anhänger über Aufstellung und Taktik zu informieren, um den Zusammenhalt zu fördern.

In seinem eigentlichen Beruf hat Hallgrímsson gelernt, den richtigen Draht zu Menschen zu finden. Bis zur EM wirkte er noch regelmäßig als Zahnarzt, weshalb der Joke, dass für Favoriten Spiele gegen Island einer Wurzelbehandlung gleichen, besonders beliebt ist. Der verheiratete Doktor praktizierte und lebt auf Heimay, eines der südlich der Hauptinsel vorgelagerten Westmännereilanden. Dort ist er als Spross einer Familie aufgewachsen, die von der Herstellung von Fischernetzen lebt.

Eines der prägendsten Erlebnisse war für Hallgrímsson der Ausbruch des Vulkans Eldfell 1973, den alle rund 4.000 Einwohner von Vestmannaeyjar dank der Evakuierung durch die lokale Fischereiflotte überlebten. Der Wert des Zusammenhalts einer Gruppe erschloss sich da schon dem damals Fünfjährigen. (Sigi Lützow, 10.10.2017)