Die letzten Wahlkampfbusse sind geparkt, die letzten Plakatständer aufgestellt – Österreich legt am Sonntag an den Urnen die Weichen für die nächste Regierung. Es liegt ein Wahlkampf hinter uns, der zu einem guten Teil im Internet ausgetragen wurde. Spitzenkandidaten und Parteien erreichen auf sozialen Netzwerken teils hunderttausende User.

Dennoch – und nicht zuletzt dank unzähliger TV-Duelle und Diskussionsrunden – bleibt die mediale Berichterstattung ein wichtiger Faktor für die Entscheidungsfindung. Dementsprechend teilen Kandidaten auch selber die Inhalte von Medien, die für sie nützlich erscheinen – sei es für das Agendasetting oder schlicht zur Erzeugung von Aufmerksamkeit.

Der WebStandard hat untersucht, wie die Parteien und ihre Kandidaten Medieninhalte auf Facebook verbreitet haben und wohin sie die Aufmerksamkeit ihrer Anhänger gelenkt haben.

Methodik

Ausgewertet wurde die Woche vom 2. bis inklusive 8. Oktober 2017. Berücksichtigt wurden Postings, die auf den offiziellen Facebookseiten der Bundesparteien und Spitzenkandidaten der im Parlament vertretenen Parteien (SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne, Neos) sowie der in den Umfragen konstant an der Vier-Prozent-Schwelle liegenden Liste Pilz berücksichtigt. Gezählt wurden jene Beiträge, die über einen anklickbaren Verweis auf das Onlineangebot eines Mediums oder dessen Facebook-Präsenz beinhalteten. Ebenfalls gezählt wurden geteilte Postings von Medien.

Nicht gezählt wurden bloße Erwähnungen in Wort und Bild ohne anklickbarem Verweis sowie Videomaterial von Medien, die von den Parteien oder Kandidaten ohne einem solchen Verweis hochgeladen wurden. Was zu einer ersten interessanten Beobachtung führt: Es scheint bei den Wahlwerbenden mittlerweile Gang und Gebe zu sein, dass (vorteilhafte) Ausschnitte aus TV-Konfrontationen auf der eigenen Facebookseite hochgeladen, aber nicht einmal mit einer Erwähnung des Facebookauftritts des Mediums versehen werden.

Im Falle der FPÖ geht das soweit, das komplette ORF-Sendungen (etwa Duelle und "Im Zentrum") am eigenen Youtube-Kanal "Oesterreichzuerst" hochgeladen und anschließend über Facebook verbreitet weden. Der Facebookauftritt der FPÖ-Bundespartei war auch der einzige, der im Beobachtungszeitraum keinen einzigen Link zu einem Medienauftritt teilte.

Tatsächliche Reichweite als Kriterium

Freilich verfügen die Seiten der Parteien und Kandidaten über unterschiedlich viele Fans. Mit rund 9.000 reiht sich hier die Liste Pilz am Schluss ein, Spitzenreiter ist HC Strache mit 750.000. Das Level an Interaktion bei den Beiträgen kann sich trotzdem deutlich unterscheiden. Daher wurde für die Gewichtung das Analysewerkzeug des Social-Media-Monitoringdienstes Klear herangezogen. Dieses errechnet auf Basis der Reaktionen und Shares von Postings sowie anderen Daten, wie viele Nutzer die Postings im Schnitt tatsächlich ansehen. Dieser Wert wird nachfolgend auch als "Reichweite" bezeichnet.

Zu sehen ist gut, dass nicht alle Facebookauftritte gleich effektiv agieren. Als Beispiel: Die Grünen haben auf Facebook rund 68.000 Fans, neue Beiträge erreichen laut Klear im Schnitt 5.134 User. Die Neos verfügen über 81.000 Fans, also gut 20 Prozent mehr, kommen aber nur auf einen unwesentlich höheren Wert von 5.162. Ihr Spitzenkandidat Matthias Strolz hat sogar 86.000 Fans, erreicht je Posting demnach aber nur etwas mehr als 4.000 davon.

Diese Analyse ist freilich nicht als exakte Wissenschaft, sondern als Annäherung zu betrachten, da über die genauen Zahlen nur die Betreiber selbst verfügen. Alle Daten wurden am 10.10. erhoben, um die Vergleichbarkeit möglichst zu wahren.

OE24 dank Strache voran

Insgesamt 20 verschiedene Medien wurden in der vorletzten Woche vor der Wahl von den Politikern und Parteien verlinkt. Eines davon kommt jedoch rechnerisch (25,27 Prozent) auf ein Viertel der generierten Aufmerksamkeit. Es ist OE24, das Online-Portal des Gratisblatts "Österreich". Es wurde insgesamt 12 Mal verlinkt, genau so oft wie auch DER STANDARD, dessen Anteil am Kuchen allerdings nur 3,3 Prozent beträgt.

Den Unterschied macht hier FPÖ-Chef HC Strache, der allein 9 dieser 12 Links gesetzt hat. Seine Facebookseite ist die zugkräftigste, laut Klear erreicht er mit jedem Posting im Schnitt 48.000 Nutzer. Relevant ist auch eine Verlinkung durch Sebastian Kurz (ÖVP, Reichweite: 45.600). Kaum in den Gesamtwert fließen im Vergleich die Verlinkungen durch die Grünen-Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek (1.200) und ihre Bundespartei (5.100).

12 Links für den STANDARD, ORF auf Platz 2

DER STANDARD kommt auf je eine Verlinkung durch Christian Kern (SPÖ, Reichweite: 20.900), die Facebookseite der SPÖ (7.100), Ulrike Lunacek (und Matthias Strolz, sowie zwei durch die Grünen und Peter Pilz (6.100). Drei Verlinkungen gab es im Erhebungszeitraum am Auftritt der Liste Pilz, deren Reichweite mit 851 allerdings bescheiden ausfällt.

Mit 23 Links kann sich der ORF dank einer Mischung aus Artikeln, Wahlberichterstattung und geteilten "Zeit im Bild"-Videos die größte Anzahl an klickbaren Verweisen sichern. Was die geschätzte Aufmerksamkeit betrifft, kommt er auf Platz 2 bzw. einen Anteil von rund 13 Prozent. Fleißig war hier vor allem die SPÖ (7 Links), aber selbst Strache hat zwei Mal den von ihm sonst oft kritisierten Rundfunk verlinkt. Der Rest verteilt sich recht gleichmäßig auf die Grünen und Neos bzw. deren Spitzenkandidaten. Keinen einzigen ORF-Link haben Sebastian Kurz und die ÖVP gesetzt. Nicht einbezogen sind, wie bereits erwähnt, zahlreiche ORF-Inhalte ohne Link auf den Sender am Küniglberg, die aus der Statistik fallen.

In dieser Hinsicht hart getroffen hat es ATV. Zigfach wurden Videoschnipsel oder bebilderte Zitate aus ATV-Wahlsendungen verbreitet. Aber lediglich zwei Mal wurde dazu auch ein Link gesetzt. Konkurrent Puls 4, heuer auch mit einem dichten Wahl-TV-Programm, wurde 11 Mal verlinkt und kommt immerhin auf ein Stück von 7,5 Prozent an der Facebook-Aufmerksamkeitstorte.

"Krone" Dritter, wenig Beachtung für Parteimedien

Den dritten Platz hinter OE24 und ORF sichert sich die "Kronen Zeitung". Sie hat vor allem von Strache (3 Links) und Kurz (ein Link) profitiert, der ihr den Löwenanteil ihrer zehn Prozent an Aufmerksamkeit bescheren. Dahinter liegen "Die Presse" und Puls 4.

Parteimedien bzw. Medien mit starker Parteinähe haben im Beobachtungszeitraum kein eine Rolle gespielt. Für "Kontrast" (Medieninhaber: SPÖ-Parlamentsklub) gab es vier Links der Bundes-SPÖ und keinen durch Christian Kern. "Unzensuriert" (gegründet von ehemaligen FPÖ-Mitarbeitern) wurde ein Mal von Strache verlinkt.

Personen schlagen Parteien klar

Noch eine allgemeine Erkenntnis zum Abschluss: Evident ist, dass Spitzenkandidaten auf Facebook mittlerweile besser ziehen, als die Auftritte ihrer Parteien. Kern, Kurz, Strache und Pilz überflügeln bei Fanaufkommen und Reichweite ihre politischen Organisationen bei Weitem. Bei Pilz ist freilich anzumerken, dass die nach ihm benannte Liste erst im Sommer gegründet wurde.

Umgekehrt ist das Verhältnis bei Ulrike Lunacek und den Grünen. Ein Grund dafür könnte sein, dass sie nicht gleichzeitig als Parteichefin fungiert und als EU-Parlamentarierin in der österreichischen Politik der vergangenen Jahre wenig präsent war. (Georg Pichler, 14.10.2017)