"Wir stecken in der Jammerkiste", findet Dogudan.

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Der Caterer Do & Co leidet unter den Ereignissen in der Türkei. Doch Unternehmensgründer Attila Dogudan sieht keinen Grund, das große Engagement zu reduzieren. Trotz der Menschenrechtsverletzungen unter Präsident Erdogan zeigt der Selfmade-Mann viel Verständnis für Ankara. Für die mäßig erfolgreiche Integration türkischer Gastarbeiter macht er auch das österreichische System verantwortlich, in dem sich niemand um die Zuwanderer gekümmert habe. Die Vorwürfe, Do & Co habe bei der Tochter Henry am Zug die Löhne gedrückt, weist Dogudan zurück. Mache ein Unternehmer in Österreich Gewinn, sei rasch von Ausbeutung die Rede. Hierzulande gehöre Neid zur DNA.

STANDARD: Bei Do & Co ist nach Jahren des Aufstiegs momentan der Wurm drin. Die Schrumpfkur bei Niki und die Turbulenzen in der Türkei machen Ihrem Unternehmen zu schaffen. Wie gehen Sie damit um?

Dogudan: Sie sehen, dass eine Veränderung in einem Land eine völlig andere Wahrnehmung eines Unternehmens mit sich zieht. In der Türkei hatten wir mit den politischen Veränderungen eine Reduktion des Verkehrs, der jetzt übrigens wieder zurückkommt. Und in dieser Phase ist es in einer Partnerschaft eine Frage des Anstands, in dem Markt zu bleiben und Sparmaßnahmen mitzutragen.

STANDARD: Sie meinen die Partnerschaft mit Turkish Airlines. Was mussten Sie mittragen?

Dogudan: Wir haben 70 Millionen Dollar in einem Jahr gespart. Hinzu kam, dass wir in türkischer Lira abrechnen. In Euro gerechnet schlägt da die Abwertung der Lira nochmals durch. Überspitzt formuliert haben wir nach hundert Jahren Plus einmal ein Minus im Wachstum gehabt.

STANDARD: Die Börse sieht das weniger entspannt, der Kurs hat sich in eineinhalb Jahren halbiert.

Dogudan: Die Börse hat völlig überreagiert. Unser Wachstum im Rest der Welt ist zwischen zehn und 30 Prozent. Das Unternehmen ist das gleiche, wir sind uns der Türkei-Probleme bewusst und reagieren darauf. An der Börse werden Sie in den Himmel gehypt, umgekehrt ist es beim geringsten Anlass das Gleiche. Das ist bescheuert.

Die Kursentwicklung spricht Bände. Seit eineinhalb Jahren geht es bergab.
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STANDARD: Haben Sie angesichts von 3000 Mitarbeitern in der Türkei kein Verständnis dafür, dass der autoritäre Kurs von Präsident Erdogan Anleger abschreckt?

Dogudan: Ich glaube, dass man in die Türkei, wo zwei Drittel der Bevölkerung unter 35 Jahre alt sind, investieren sollte, auch wenn die geopolitische Lage schwierig ist. Außerdem muss man sagen: In der Türkei gab es einen Putsch, die eigene Armee hat bombardiert. Dass in solch einer Situation eine Sensibilität entsteht, muss man verstehen.

STANDARD: Das haben Sie jetzt aber etwas schöngefärbt. In der Türkei gab es nicht nur einen Putschversuch, sondern massive Menschenrechtsverletzungen, Massenverhaftungen, Unterdrückung der kurdischen Minderheit durch das Regime und so weiter.

Dogudan: Ich würde in der Beurteilung der Türkei extrem vorsichtig sein. Ich kenne auch die andere Seite, weiß aber, dass das in unseren Breiten sehr schwer zu verstehen ist. Man stelle sich vor, die US Army bombardiert das Kapitol. Schauen wir uns an, was dann in Amerika passieren würde. Das heißt auch nicht, dass keine Fehler passieren. Aber es heißt auch nicht, dass alles so wahrgenommen werden sollte, wie das bei uns der Fall ist.

STANDARD: Sagen Sie das vielleicht auch, weil Sie große wirtschaftliche Interessen in der Türkei haben?

Dogudan: Das Geschäft in der Türkei ist auch für uns eine große Herausforderung, Meinungen und Rahmenbedingungen können sich jederzeit ändern, das wissen wir. Würde ich das politisch jedoch grundsätzlich anders sehen, gäbe es auch von uns kein wirtschaftliches Commitment.

Salz und Pfeffer von D0 & Co für Kunden der Turkish Airlines
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STANDARD: Ein damit zusammenhängendes Problem ist die Integration der Türken bei uns, die nur mäßig gelungen ist.

Dogudan: Natürlich ist Integration keine Einbahnstraße. Die Wahrheit ist aber auch, dass man Gastarbeiter holte mit der Erwartung, dass sie nach ein paar Jahren wieder zurückkehren. In Wahrheit hat sich kein Mensch um die türkischen Mitbewohner geschert. Ich glaube, die westlichen Länder hätten das besser moderieren können, weil sie der Gastgeber sind. Wenn ich Gäste zu mir nach Hause einlade, muss ich sie meinen Freunden vorstellen und irgendetwas tun, um sie einzubinden. Wir haben ja nicht Hochschulprofessoren geholt. Da hätte man ein Bildungsprogramm machen müssen, um zu verhindern, dass Menschen nach 40 Jahren bei uns nichts können. Einfach zu sagen, du bist alleine schuld, ist mir eine Spur zu billig.

STANDARD: Wie fühlen Sie sich dabei? Ihre Geschichte unterscheidet sich ja stark von der einfacher Gastarbeiter.

Dogudan: Meine Eltern waren keine Gastarbeiter. Meine Mutter ist Österreicherin, mein Vater kommt aus der Türkei. Ich bin in beiden Ländern In- und Ausländer. Für mich war das nie ein Problem, weil meine Eltern erklärt haben, du musst das Beste von beiden Kulturen leben. Ich habe aber als Kind auch den etwas abfälligen Touch gegenüber Gastarbeitern gespürt. Wenn man so eine Gruppe auf sich alleine gestellt lässt, darf man sich nicht wundern, wenn die nächste Generation auch nirgends zu Hause ist.

STANDARD: Welche Rolle hat Ihr Vater in der Erziehung gespielt?

Dogudan: Er hat mir Bildung ermöglicht, einen Anstand angedeihen lassen, der mir heute sehr hilft. Man muss ordentlich sein und seine Rechnungen immer rechtzeitig bezahlen. Diese Alte-Schule-Geschichte eben. Als ich an die Börse gegangen bin, hat er drei Monate nicht mit mir geredet, weil man nicht an die Börse geht und sich Geld holt.

Mit dem Zuckerbäcker Demel hat Dogudan ein Traditionshaus erworben, das sich auch schon an Ex-Politikern vergriffen hat.

STANDARD: Sie haben mit einem Delikatessenladen in der Wiener Innenstadt begonnen. Wie kam es dazu?

Dogudan: Mir ist aufgefallen, wie viele Nahrungsmittel in Österreich aus der Dose oder tiefgekühlt in Geschäfte kommen. Ich habe daher auf Frischprodukte gesetzt. Der Laden war so seiner Zeit voraus, dass kein Mensch reingekommen ist. Es hat sieben, acht Jahre gedauert, bis sich das geändert hat. Das waren Jahre, in denen man jeden Tag ums Überleben gekämpft hat. Ich war als Junger in der österreichischen Tischtennis-Nationalmannschaft, dort habe ich gelernt, bis zum Umfallen zu trainieren und nicht aufzugeben. Nur wer verlieren kann, kann auch gewinnen.

STANDARD: Hat Sie der lange Anlauf geprägt?

Dogudan: Ich bin heute mit beiden Füßen am Boden und demütig, weil ich weiß, wie es sein kann, wenn es nicht funktioniert.

STANDARD: Welchen Anteil an Ihrem Aufstieg hatte Niki Lauda?

Dogudan: Ich habe 1981 begonnen, nach ein paar Jahren habe ich mit Studienkollegen angefangen zu liefern. 1987 kam um drei Uhr früh in einer Diskothek der Herr Lauda daher und sagte: "Kann ich das Gleiche, was es bei Ihnen gibt, auch im Flieger essen? Weil mein Essen riecht nach Kerosin."

STANDARD: Da haben Sie nicht lange gezögert?

Dogudan: In der Dienstleistung ist es ganz wichtig, nie Nein zu sagen. Egal ob Sie es können oder nicht, sagen Sie erst einmal Ja. Am übernächsten Tag bin ich mit ihm nach Zakynthos geflogen und habe herausgefunden, was die Passagiere wollen und was in einem Flugzeug möglich ist. Dann haben wir in der Nacht im Laden Tische zusammengestellt und Airlineessen zubereitet. Heute haben wir 60 Fluglinien als Kunden.

STANDARD: Und wie kam die Formel 1 in Ihr Portfolio? Über Bernie Ecclestone?

Dogudan: Es sind oft glückliche Umstände, die man aber auch ergreifen muss. Als 1992 der Grand Prix in Budapest stattfand, wollte der damalige Caterer plötzlich 50 Prozent mehr Geld haben. Ecclestone hat das abgelehnt und einen anderen Anbieter gesucht. Das war zehn Tage vor dem Rennen. In Ungarn gab es damals Tomaten und Paprika und Paprika und Tomaten. Also nichts. Deshalb haben wir das Essen – es gab damals noch Zölle und andere Hemmnisse – für 2000 Leute hinübergeschmuggelt. Dann haben wir den Vertrag für Europa, später für Amerika und Asien bekommen.

STANDARD: Mit Ecclestone lief es immer rund?

Dogudan: Menschen wie er haben klare Visionen, sind aber zu Beginn misstrauisch. Irgendwann gewinnt man das Vertrauen.

STANDARD: Was ist Ihre größte Angst?

Dogudan: Das Schlimmste ist, Kunden nicht zufriedenzustellen und dass ich nicht bemerke, wenn etwas nicht funktioniert. Ich hoffe, dass diese [UT1] nicht sehr groß ist, weil ich das Glas meistens halbleer, nicht halbvoll sehe. In unserer Branche haben Unternehmen immer wieder geglaubt, dass sie die Weisheit mit dem Löffel gefressen haben. Meistens war es dann nicht so.

Dogudan investiert viel in Design und Entwicklung.
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STANDARD: Sie können nicht kochen, testen aber jedes von Do & Co kreierte Menü?

Dogudan: Ich habe keine Ahnung von Kochen und einen durchschnittlichen Geschmack, dafür eine extreme Analysefähigkeit. Ich kann gut einschätzen, ob ein Essen in Amerika, Europa oder Asien, in der Formel 1 oder im Flugzeug ankommt. Man muss den Markt genau abtasten.

STANDARD: Sie wollen alles unter Kontrolle haben, vom Menü bis zum Design der Tasse. Können Sie nicht loslassen?

Dogudan: Ich sehe mich als emotionalen Aufsichtsrat des Produkts. Ich lasse meine Leute machen, bilde mir nicht ein, dass ich weiß, wie es geht. Aber ich weiß, was wo geht. Im Stadion, im Flieger, in Thailand, in der Ukraine. Wenn ich vom Team überstimmt werde, ist das auch fein. Aber dann muss es auch funktionieren.

STANDARD: Sie gelten im Geschäft als harter Knochen, in der Auseinandersetzung um Henry am Zug hat sie die Gewerkschaft sogar als Ausbeuter bezeichnet. Wie gehen Sie damit um?

Dogudan: Das tut mir furchtbar leid, wenn solche Ausdrücke verwendet werden, weil sie einfach nicht der Wahrheit entsprechen. Es stimmt, dass die Leute an der Front stark gefordert werden. Wenn man drei Tage einen Formel-1-Event hat, ist jeder Tag extrem anstrengend, dafür gibt es danach viel Freizeit.

STANDARD: Noch einmal zu Henry am Zug: Da gab es Vorwürfe der Unterentlohung, zu geringer Ruhezeiten.

Dogudan: Wir haben die Ausschreibung damals genau unter den gleichen Parametern gewonnen, wie das Geschäft davor organisiert war. Es gab ja auch über Jahre keinen Kollektivvertrag, der sinnvoll für eine Zugsbewirtschaftung ist. Plötzlich kam der Vorwurf, dass die Anstellung von Ungarn in Zügen aus Budapest Lohndumping sei. Ein Lkw-Fahrer, der über die Grenze fährt, hat ja auch nicht plötzlich den österreichischen Kollektivvertrag. Was ich vorwerfe, ist, dass man ein Unternehmen, das 11.000 Arbeitsplätze geschaffen hat, aus kleinkarierten Gründen diskreditiert. Wir sind ein korrektes Unternehmen und halten uns an Gesetze.

STANDARD: Kolportiert wurden Strafen von 1,3 Millionen Euro. Haben Sie die zahlen müssen?

Dogudan: Die Verfahren sind alle noch am Laufen.

STANDARD: Wollen Sie bei der ÖBB an Bord bleiben?

Dogudan: Es gibt jetzt einen neuen Kollektivvertrag, der muss natürlich abgegolten werden. Es sind erstmals klare gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen. Wir werden bald wissen, wie es ausgeht.

STANDARD: Hat sich der Disput auf Ihre Einstellung zum Standort Österreich ausgewirkt?

Dogudan: Wenn Sie in vielen Ländern arbeiten, kommen Sie zurück und sagen, Österreich ist ein großartiges Land. Wir stecken da tief in der Jammerkiste. Aber um das zu erhalten, muss man schon vieles ändern, weil wir vom Ersparten leben. Das Problem hier ist, dass Erfolg etwas Eigenartiges ist. Machen Sie Gewinn, sind Sie ein Ausbeuter, machen Sie Verlust, sind Sie ein Trottel. Das ist in Amerika nicht so. Dort freut sich die Gesellschaft, wenn es jemand schafft. Eine Gesellschaft, die Erfolg verteufelt, hat ein Problem. Neid ist bei uns in der DNA drin. Das ist schon bedauerlich.

STANDARD: Das liegt vielleicht auch daran, dass viele sehr wenig haben. Wie stehen Sie zu Umverteilung?

Dogudan: Die Schere Reich – Arm darf nicht weiter aufgehen. Die Einkommen müssen allgemein steigen. Bei Privatvermögen wäre eine Erbschaftssteuer aus meiner Sicht überlegenswert. Bei Unternehmen muss man aufpassen. Wenn der Erbe fünf Prozent der Anteile verkaufen muss, um die Steuer zahlen zu können, hat das wenig Sinn. Dafür finde ich, dass man die Steuerprogression ab einer gewissen Einkommenshöhe deutlich verschärfen könnte. Wenn man zwei Millionen verdient, kann man auch 57 Prozent davon abgeben. Auch beim Vermögenszuwachs ist es zumutbar, davon 60 Prozent herzugeben. Leistung muss immer honoriert werden, aber gleichzeitig ist eine gerechte Umverteilung einer der wichtigsten Punkte für die nächste Bundesregierung. (Andreas Schnauder, 15.10.2017)