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Sebastian Kurz hat es geschafft. Der 31-Jährige hat mit der wohl besten Kampagne in diesem Wahlkampf der ÖVP einen neuen Anstrich verpasst, den ihm die Wähler auch abgekauft haben. Türkis ist jetzt die Nummer eins im Land, auch wenn es sich dabei vorläufig um eine Verpackung mit einer noch eher auf Überschriften beschränkten Handlungsanleitung mit relativ wenig Inhalt handelt.

Dennoch: Aus der bereits für klinisch tot erklärten ÖVP ein derartiges Ergebnis mit einer Mischung aus Partei und Liste herauszuholen, verdient Respekt. Niemand außer Kurz hätte das in der und mit der aktuellen ÖVP geschafft. Durch präzise Vorbereitung und konsequente Umsetzung seines Plans hat er den auf dem Reißbrett skizzierten Start-Ziel-Sieg eingefahren.

Kern ohne Rückhalt

Respekt verdient auch Christian Kern. Er hat mit der SPÖ trotz der von ihm mitverursachten Dirty-Campaigning-Affäre am Schluss ein stärkeres Ergebnis geschafft, als erwartet wurde. Mit der schwarz-blauen Drohkulisse konnte Rot am Ende doch noch mobilisieren, die Causa Silberstein dürfte vielen tatsächlich egal gewesen sein. Die finalen Zugewinne sind vor allem Kern selbst zu verdanken, denn die Genossen schienen ihn am Ende schon aufgegeben zu haben. Während sich der Bundeskanzler auch noch aufraffte, als es schier aussichtslos schien, wurden innerhalb der SPÖ bereits Nachfolgekandidaten genannt.

Ob Kern nun der sein wird, der die Partei runderneuert, ist zu bezweifeln und auch zu hinterfragen – auch wenn er dies am Wahlabend beteuert. Beim ersten Versuch haben ihm der Rückhalt und die Einheit der Partei gefehlt, sollte er einen zweiten Versuch wagen, bräuchte es diesen Rückhalt umso mehr. Jedenfalls muss sich die Sozialdemokratie tatsächlich von Grund auf erneuern, wenn sie noch eine bestimmende Kraft in Österreich sein will. Opposition wäre dafür gewiss kein Mist.

Strache mit Trägerrakete

Am einfachsten hatten es die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Heinz-Christian Strache. Er wurde von der Trägerrakete des großkoalitionären Streits, der trotz der neuen Stil-Ansage am Ende noch einmal explodierte, in jenen Orbit katapultiert, ohne dass er viel dazu beitragen musste. Strache machte einfach den Hofer und bekam das Gütesiegel der Regierungstauglichkeit, zunächst durch die freundliche Behandlung durch Kern und später durch die angedeutete Vorabeinladung zu einem Regierungsamt durch Kurz.

Leicht hatte es die FPÖ auch wegen des dominierenden Ausländerthemas, aufgrund dessen viele das blaue Original wählten. Nun ist die FPÖ wieder fast so stark wie zu Jörg Haiders Zeiten, als sie 1999 knapp 27 Prozent erreichte. Zählt man die ÖVP dazu, hat das Land einen massiven Rechtsdrall abbekommen.

Speedmaster Strolz

Matthias Strolz, der Nimmermüde, hat den Wiedereinzug seines Magenta-Teams auch verdient geschafft. Ihm ist es mit den Neos gelungen, sich aus den Streitereien herauszuhalten und sowohl mit einer geschickten Kandidatenauswahl (Griss) als auch mit einem sachlich geführten Wahlkampf zu punkten.

Lunacek und der Grüne Selbstfaller

Selbst schuld sind die Grünen. Das muss ihnen erst einmal jemand nachmachen: Nach dem Hoch der Bundespräsidentenwahl sich wegen einer Kleinigkeit mit der Parteijugend und wegen eines Listenplatzes mit einem öffentlichkeitswirksamen Altgrünen derart zu zerstreiten, dass sie jetzt sogar um den Einzug zittern müssen, wird wohl in die Geschichte der größten politischen Fehler eingehen.

Ulrike Lunacek konnte freilich nicht viel dafür. Wäre sie nicht gewesen und hätte einen soliden, sachlich souveränen Wahlkampf gemacht, wäre das Ergebnis vermutlich noch dramatischer ausgefallen. Am Schluss hat zudem die Warnung Kerns vor Schwarz-Blau die Grünen wohl noch die Stimmen vieler gekostet, die sich kurzfristig für die SPÖ entschieden.

Newcomer Pilz

Mitschuldig am grünen Desaster ist sicherlich Peter Pilz – und damit auch die größte Überraschung dieser Wahl. Er hat in kurzer Zeit anders als Kurz eine wirkliche Liste aufgestellt und damit gezeigt, was ohne große Mittel möglich ist, wenn der Kandidat gut ist. Dessen voraussichtlicher Einzug kann dem Parlament sicher guttun.

Der Liste Gilt, den Weißen und der KPÖ Plus muss man nicht lange nachtrauern. Immerhin ist Österreich diesmal eine kostspielige Pseudopartei wie das Team Stronach im Parlament erspart geblieben.

Wie geht es weiter?

Ob Kurz nun tatsächlich die naheliegendste Variante einer Koalition mit der FPÖ wählen wird, bleibt abzuwarten. Die große Koalition scheint zwar auf dem Sterbebett zu liegen, doch dort lag auch die ÖVP bis vor kurzem noch. Und Rot-Blau? Ausgeschlossen wurde es vor der Wahl. Doch noch gilt es abzuwarten. (Rainer Schüller, 15.10.2017)