Patienten mit Restless-Legs-Syndrom verspüren nachts einen starken Bewegungsdrang und leiden an unangenehmen Empfindungen wie Schmerzen oder Kribbeln in den Beinen. Bis zu zehn Prozent der europäischen Bevölkerung sind betroffen. Viele davon kämpfen nicht nur mit den eigentlichen Symptomen, sondern darüber hinaus auch mit den Folgen wie Schlafstörungen, Depressionen oder Angstzuständen. In schweren Fällen müssen die Betroffenen ihr Leben lang Medikamente einnehmen.

Über die molekularen Ursachen und die genauen Krankheitsmechanismen ist bisher nur wenig bekannt. Juliane Winkelmann, Professorin für Neurogenetik an der Technischen Universität München und Leiterin des Instituts für Neurogenomik am Helmholtz-Zentrum München, forscht mit ihrem Team schon seit über zehn Jahren an dieser neurologischen Krankheit. Sie und ihr Team konnten bereits zeigen, dass sie auch genetische Ursachen hat.

Hinweise im Genom

Mit internationalen Partnern der britischen Cambridge Universität und der US-Firma 23 and Me hat sie nun anhand von 45.000 Patienten die weltweit größte Studie hierzu durchgeführt. "Wir konnten insgesamt 19 risikoassoziierte Varianten im Erbgut der Studienteilnehmer identifizieren – davon sind 13 neu. Wir sind davon überzeugt, dass unsere Ergebnisse das Verständnis der molekularen Ursachen des Restless-Legs-Syndroms deutlich voranbringen", sagt Barbara Schormair vom Institut für Neurogenomik am Helmholtz-Zentrum München, eine der Erstautoren der Studie.

Als risikoassoziierte Varianten bezeichnet man punktuelle Besonderheiten des Erbmoleküls, also der Buchstabenabfolge der DNS, die bei den Betroffenen häufiger vorkommen als bei den Nichtbetroffenen. Am Ort oder zumindest in der Nähe dieser Varianten liegen Gene, die mit der Krankheitsentstehung zu tun haben. Das internationale Team hat die genetischen Daten von 15.000 Patienten mit denen von 95.000 Personen aus der Allgemeinbevölkerung verglichen. In einer weiteren Studie mit 31.000 neuen Patientendatensätzen und über 280.000 Kontrolldatensätzen wurden anschließend die Ergebnisse bestätigt.

Zusätzlich untersuchten die Forscherinnen und Forscher, mit welchen biologischen Abläufen die Risikovarianten am ehesten verbunden sind und entdeckten Überraschendes: Vor allem Gene, die an der embryonalen Entwicklung des Nervensystems beteiligt sind, tauchten in dieser Untersuchung auf, und das obwohl die Krankheit meist erst in späteren Lebensjahrzehnten auftritt. "Das lässt vermuten, dass angeborene Besonderheiten des Nervensystems sich erst später in Form des Restless-Legs-Syndroms bemerkbar machen. Indem wir das jetzt besser verstehen, können wir auch über geeignete Therapien nachdenken. Unsere genetische Studie bringt uns einen großen Schritt vorwärts, um neue und bessere Medikamente für unsere Patienten zu finden", so Winkelmann.

Thalidomid als Therapieoption

Das Medikament wirkt auf einen zellulären Ablauf, der laut der neuen Studie auch beim Restless-Legs-Syndrom eine Rolle spielen könnte. Laut des Studienteams könnte es deshalb eine mögliche Therapieoption sein – allerdings mit Einschränkungen. Früher wurde es als Schlafmittel in der Schwangerschaft eingesetzt, hat aber bei noch ungeborenen Kindern zu schweren Fehlbildungen geführt. Heute wird es gegen bestimmte Krebserkrankungen eingesetzt.

Über einen möglichen Einsatz zur Therapie des Restless-Legs-Syndrom bei anders nicht behandelbaren männlichen Patienten oder Patientinnen nach ihrer fruchtbaren Phase könne aber erst nach sorgfältigen klinischen Studien entschieden werden, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. (red, 16.10.2017)

Originalpublikation:

Identification of novel risk loci for restless legs syndrome in genome-wide association studies in individuals of European ancestry: a meta-analysis

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