Der Tod ist allgegenwärtig – schon immer: Religionen spielen hierbei eine besondere Rolle. Als sogenannte anthropologische Grundproblematik wird er in nahezu alle Weltanschauungen verhandelt, denn das Sterben ist unausweichlich. Gerade deswegen werden der Tod und das Sterben zumeist mit Bedeutung aufgeladen: Die Vergänglichkeit des Lebens wird so unter anderem in Riten eingebunden. Auch in den Sozialwissenschaften und in der Religionswissenschaft ist das Thema Tod daher zentral, verbindet es doch Themen wie Ritual und Gemeinschaft. Wie sich die Verarbeitung dieser Grundproblematik auf einzelne religiöse Praktiken auswirkt, ist hingegen ganz unterschiedlich: Der Tod bildet eine Transformation, einen Übergang in eine andere Lebensphase, ein anderes Stadium.

Im Christentum ist dieser Gedanke beispielsweise für die gesamte Theologie zentral. In der Theologie des Mittelalters und der Frühen Neuzeit ist die sogenannte leibhaftige Auferstehung ein Grundsatz. Zwar galten Leib und Seele als voneinander getrennt, doch konnte dies durch die Auferstehung überwunden werden und zu ewigem Leben führen. Die Auferstehung bildet hier eine Möglichkeit, die Ungerechtigkeit in der Welt zu rechtfertigen. Sie ist ein Symbol der Hoffnung und ein Zeichen der Allmacht des christlichen Gottes. Verbunden mit diesem Glaubensinhalt ist zusätzlich eine endzeitliche Vorstellung eines Kampfs zwischen Gut und Böse. Diese grundlegenden theologischen Inhalte finden sich greif- und sichtbar in Gräbern wieder, den sogenannten Transis. Der Name geht auf das lateinische Wort transire zurück, das "überschreiten" bedeutet, und somit schon auf den zentralen Aspekt hindeutet, den diese Gräber vermitteln wollen: Sie stellen den Übergang von einem Stadium zum anderen dar, das Hinüberschreiten vom Leben zum Tod.

Transi des Guillaume Lefranchois. Darauf erkennt man die Würmer als Symbol für den Teufel.
Foto: Vassil/Wikimedia [cc;0;by]

Bestattungsformen und die Macht der Heiligen

Um die Bedeutung des Transis zu verstehen, ist es jedoch wichtig, einmal in die Geschichte der christlichen Sepulkralkultur, also der Kultur des Sterbens, des Todes und des Bestattens, zu schauen. Gräber dienen seit jeher als rituelle Verarbeitung des Todes und sind mit Themen wie Hoffnung und Erlösung verknüpft. Zentrale Aspekte einer religiösen Beisetzung in der historischen Betrachtung sind die Entsorgung des Leichnams, die Darstellung des sozialen Status und ein Ausdruck von Religiosität.

Die Nähe der Toten war bis circa dem 5. Jahrhundert im christlichen Kontext gefürchtet, daher wurden außerhalb der Städte Ruhestätten errichtet – der Begriff extra muros, also außerhalb der Stadtmauern, ist hier die zentrale Bezeichnung. Das Pendant intra muros – folglich innerhalb der Stadtmauern –, entwickelte sich danach und hängt mit der Idee eines friedlichen Nebeneinanders von Lebenden und Toten zusammen. Es formte sich zudem ein Trend, dass Bestattungen ad sanctos, also in der Nähe von Heiligen, immer wichtiger wurden. Heilige waren in der Zeit des spätantiken Christentums vor allem Märtyrer, die in der Glaubenswelt direkt in den Himmel aufgefahren waren und nun beispielsweise als Vermittler für die Lebenden auftreten konnten.

Die Knochen dieser Heiligen besaßen in der christlichen Vorstellungswelt eine besondere Macht, die virtus. Eine Bestattung in der Nähe dieser Macht bedeutete daher einen Zugewinn: Zugang zur virtus und Nähe zu Heiligen. Mit der Vorstellung dieser Kraft lassen sich auch die Reliquienkulte, die bis heute andauern, zum Teil erklären. Auch sollte diese Bestattungsform vor Grabschändung schützen. Der Kirchenraum wurde so in die Nähe von Friedhöfen gezogen, die wiederum selbst als Bestattungsort genutzt wurden. Es kam zu einer "osmotischen Verbindung zwischen Kirche und Friedhof."¹ Die Kirche wurde somit als Bestattungsraum immer attraktiver: je höher der soziale Status, desto näher lag ein Grab am Chorraum, und somit am Altar. Der öffentliche Raum Kirche, wurde so zu einem Ort der Selbstdarstellung.²

Gisant von Guillaume de Harcigny aus dem Jahr 1394.
Foto: Vassil/Wikimedia [cc;0;by]

Oberirdische Bestattung als Privileg

In der Entwicklung der Bestattungstypen lassen sich ebenfalls verschiedene Strömungen ausmachen. Die oberirdische Bestattung war beispielsweise ein besonderes Privileg – bis ins späte 13. Jahrhundert wurden hochrangige Verstorbene in antiken oder antikisierenden Sarkophagen beigesetzt. Bei päpstlichen Begräbnissen findet sich dieser Stil dann ab dem 14. Jahrhundert wieder. Ein Versuch, oberirdische Bestattungen zu simulieren, bildete die Tumba. Hierbei wird ein leerer Sarkophag genutzt, der auf das eigentliche Grab platziert wird.

Eine bekannte Form der Grabplastiken ist der sogenannte Gisant, eine ruhende Liegefigur, die zwar einem speziellem Typus folgt, aber dennoch individuelle Züge des Verstorbenen zeigt. Die aktive Form ist der sogenannte Priant, eine betende Figur. Der Transi bildet eine Sonderform dieser.

Transi: Die Schönheit des Makabren

Ungefähr 175 Exemplare von Transis sind überliefert. Sie zeigen Kadaverdarstellungen – eine Sonderform der ruhenden Liegefigur. Es wird eine Leiche gezeigt, die ausgemergelt aussieht, eingefallene Gesichtszüge hat oder sogar von Ungeziefer zerfressen wird. Diese Form der Grabtypus trat ausschließlich in Nordeuropa auf. Trotz der kulturell unterschiedlichen Darstellungen von Transis gibt es einige Gemeinsamkeiten – zentral ist der Schockeffekt und die Darstellung der Verwesung, zudem ist die Nacktheit ein Kriterium sowie die Sichtbarkeit der Knochen und Sehnen des dargestellten Leichnams. Der Tod ist besonders im Gesicht durch eingesunkene Augen und einen aufklaffenden Mund zu erkennen. Zumeist weist der Schädel noch einige Haare auf. Die Körperhaltung ist ebenfalls bei diversen Transi-Typen ähnlich: der rechte Arm liegt parallel zum Körper und die Linke bedeckt häufig, mit einem dargestellten Tuch, die Scham des Verstorbenen.

Transi von René de Chalon.
Foto: Public Domain [cc;0;by]

Memento mori

Die Transis symbolisieren tatsächlich den Tod und nicht die Überwindung dessen. Damit erfüllen sie verschiedene Aufgaben, allen voran das Memento mori: das Erinnern an die eigene Sterblichkeit. Somit gelten sie als Mahnmal für die Lebenden und bilden gleichzeitig aber auch einen Aufruf für Fürbitten, um das Seelenheil der Verstorbenen im Jenseits zu garantieren. Viele Transis arbeiten zudem mit Grabinschriften und sprechen die Betrachtenden direkt an, prophezeien ihr baldiges Ableben, mahnen zur Demut und bezeichnen sie als Futter für die Würmer. Die Darstellung von Würmern und Fröschen birgt mehrere Bedeutungen: Zum einen die der Unreinheit beziehungsweise bei Wurm oder Schlange den Bezug zum Teufel, zum anderen auch die Bedeutung der Metamorphose im Fall des Frosches und die Entstehung neuen Lebens durch den Tod im Falle des Wurms. Die Bedeutung des Übergangs wird so besonders deutlich.

Häufig treten Transis jedoch nicht allein auf, sondern zusammen mit einer Liegefigur in einem Doppeldeckergrab. Architektonisch setzt sich dieses aus einer Tumba sowie einer darunterliegenden Steinplatte zusammen. Oben auf der Tumba ist die Liegefigur, auf der unteren Ebene der Transi, der nicht immer gut sichtbar ist, sondern häufig zum Beispiel durch Bögen verdeckt wird. Dieser Gräbertypus war besonders dem hohen Klerus und Adel vorbehalten. Als frühestes und auch eines der bekanntesten Beispiele gilt das Grab von Henry Chichele Erzbischof von Canterbury. Doppeldeckergräber zeigen zwei Körper derselben Person. Eine häufige Deutung ist, dass unten der Körper des Verstorbenen dem Tod verfallen ist und über ihm der Körper im Ornat, der zugleich das Amt symbolisiert, über den Tod triumphiert. Die Zwei-Körper-Lehre, formuliert von Ernst Hartwig Kantorowicz, geht von dem Gegensatz unantastbarer Amtswürde und sterblicher Person aus. Zudem ist jedoch auch die Differenz zwischen Diesseits und Jenseits, Unversehrtheit und Verwesung zentral.

Beispiel für ein Doppeldeckergrab: Grab von John FitzAlan in West Sussex.
Foto: Lampman/Wikimedia [cc;3;by]

Der Ursprung des Transis

Die Entstehung der Transis sowie deren Einbettung im Doppeldeckergrab lässt sich durch eine Betrachtung des historischen Kontextes zumindest teilweise rekonstruieren. Der Zeitraum vom Mittelalter bis in die Frühe Neuzeit war geprägt durch eine Allgegenwärtigkeit des Todes: real durch die Bedrohung der Pest, Klimaveränderungen der Kleinen Eiszeit et cetera, und aufgearbeitet in der Kunst und der Literatur. Geschichten wie "Die drei Lebenden und die drei Toten", oder das Kunstmotiv des Totentanzes begünstigten die Entstehung der Transis ebenso. Theologisch symbolisieren sie einerseits die Vergänglichkeit und Unausweichlichkeit des Todes und rufen daher zu einem demutsvollen Leben auf. Anderseits stellen sie, in der Kombination mit dem Gisant in einem Doppeldeckergrab, die Trennung von Leib und Seele dar. Die negativen Gefühle, die durch so ein schockierendes Bild der Verwesung eventuell ausgelöst werden, können so durch die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod abgefangen und besänftigt werden. Der Gisant kann so als Sieg der Seele über den Tod, in Form des Transis, gelesen werden. (Kristina Göthling, 18.10.2017)   

¹ Philippe Ariès, Geschichte des Todes, 13. Aufl., München 2015, S. 52.

² Vgl. Philipp Zitzlsperger, "Grabmal", in: Enzyklopädie der Neuzeit Online 2014.

Literaturhinweise

  • Ariès, Philippe, Geschichte des Todes, 13. Aufl., München 2015.
  • Dinzelbacher, Peter, Angst im Mittelalter. Teufels-, Todes- und Gotteserfahrung: Mentalitätsgeschichte und Ikonographie, Paderborn 1996.
  • Duffy, Mark, Royal Tombs of Medieval England, Stroud 2003.
  • Kantorowicz, Ernst Hartwig und Walter Theimer, Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters, Stuttgart 1992.
  • Körner, Hans, Grabmonumente des Mittelalters, Darmstadt 1997.
  • Marek, Kristin, »Monarcosomatologie: Drei Körper des Königs. Die Effigies König Eduards II. von England«, in: Dies. (Hg.), Bild und Körper im Mittelalter, München 2006, S. 185–205.
  • Müller-Jonak, Tanja, Englische Grabdenkmäler des Mittelalters 1250 - 1500, Univ.,Diss.-München, 2007, Petersberg 2010.
  • Saul, Nigel, English church monuments in the Middle Ages. History and representation, Oxford 2009.
  • Sörries, Reiner, Ruhe sanft. Kulturgeschichte des Friedhofs, 2. Aufl., Darmstadt 2011.

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