Interimschef Werner Kogler (Mitte), die ehemalige Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek und Bundesgeschäftsführer Robert Luschnik: Die Grünen wollen in fünf Jahren den Einzug wieder schaffen.

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Wien – Die Mietverträge sind bereits aufgelöst. Die grüne Bundespartei wird bald aus ihren Räumlichkeiten am Rooseveltplatz in Wien ausziehen. Wohin, sei noch unklar, sagt Bundesgeschäftsführer Robert Luschnik im Gespräch mit dem STANDARD.

Am Donnerstag werden die letzten Wahlkarten ausgezählt, und die Grünen müssten 36 Prozent dieser Stimmen bekommen, um in den Nationalrat einzuziehen. Das ist nahezu unmöglich.

Exakt 126 Mitarbeiter werden ihren Job verlieren. Werner Kogler, der Interimschef der Grünen, erklärte am Mittwoch dennoch auf Ö1: "Wir können den Laden nicht zudrehen." Ab sofort wolle er das "Projekt Wiedereinzug" in den Nationalrat starten. Diesbezüglich ruft die Partei bereits zu Spenden auf. Vermehrte Geldzuwendungen seien schon eingelangt – und es gebe auch Parteieintritte, so Kogler.

Vor dem Neustart steht allerdings auch eine Aufarbeitung des Wahldebakels vom Sonntag an. "Es ist der seltsame Verdienst der Bundespartei, dass wir in einem historischen Moment versagt haben – total versagt, im Prinzip", sagte der Neochef. Jetzt gelte es aufzuräumen. Am Freitag brütet darüber der erweiterte Bundesvorstand.

Debatte um Listenerstellung

Schon im Vorfeld entbrannt ist eine Debatte über die basisdemokratische Listenerstellung der Grünen. Christoph Chorherr, Planungssprecher der Wiener Partei, kritisiert die "Innenorientierung und Abgeschlossenheit unserer Gremien". Er schlägt vor, den gewählten Spitzenkandidaten das Recht einzuräumen, "zwei oder auch mehr fähige Personen auszuwählen und ihnen einen sicheren Listenplatz anzubieten". Damit stieß Chorherr umgehend auf Widerstand bei Parteikollegen, die an der Listenerstellung durch die Funktionäre festhalten wollen.

Parteichef Kogler ist bewusst, dass sich die Grünen nun eine Bühne außerhalb des Nationalrats suchen müssen. Wichtig sei dabei neben den Länderorganisationen der verbleibende Parlamentsklub – also die vier Mandatare im Bundesrat und im EU-Parlament.

"Wieder eine Bewegung werden"

Die Wiener Bundesrätin Ewa Dziedzic sagt zum STANDARD: "Wir werden alles dafür tun, um die parlamentarische Arbeit aufrechtzuerhalten." Immerhin hätten Bundesräte die Möglichkeit, dringliche Anfragen an Minister zu stellen. "Es wird aber schwer werden, dass wir uns Gehör verschaffen", befürchtet sie. Und das klinge jetzt vielleicht ein bisschen wie vor 30 Jahren: "Aber wir werden wieder verstärkt mit der Zivilgesellschaft und NGOs zusammenarbeiten müssen." Darin sieht Dziedzic auch eine Chance. "So können wir wieder eine Bewegung werden, die offen für Vorschläge aus der Zivilgesellschaft ist."

Neben ihr sitzen noch die Salzburger Bundesrätin Heidi Reiter, der Oberösterreicher David Stögmüller und die Tirolerin Nicole Schreyer im Bundesrat.

Mehr aus Brüssel gefragt

Nachdem Ex-Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek auch dem EU-Parlament den Rücken gekehrt hat, muss die dreiköpfige grüne Fraktion in Brüssel ebenfalls auf publicityträchtigere Politik setzen. Im Zuge der parteiinternen Querelen fiel EU-Parlamentarier Michel Reimon neben seinem Widerstand gegen TTIP und Ceta vor allem mit umstrittenen Facebook-Einträgen zum Aufstand der grünen Jugend auf. Still geworden ist es um EU-Abgeordnete und Frauenrechtlerin Monika Vana, einst nichtamtsführende Stadträtin in Wien. Lunaceks Mandat übernimmt Thomas Waitz, Vertreter der grünen Bauern, selbst Bio-Landwirt in der Südsteiermark und Gegner von Herbiziden, Pestiziden und US-Gensaat-Konzernen.

Tiroler halten an Felipe fest

Priorität liegt nun aber auf den kommenden Landtagswahlen in Salzburg, Niederösterreich, Kärnten und Tirol. Die Tiroler befinden sich derzeit im "Krisenmanagement-Modus", wie es Landesgeschäftsführer Thimo Fiesel ausdrückt. Man werde unbeirrt auf die ehemalige Bundessprecherin Ingrid Felipe als Spitzenkandidatin setzen. Die Niederlage auf Bundesebene habe ihr nicht geschadet, ist Fiesel überzeugt.

Den parteiinternen Rückhalt erklärt der Landesgeschäftsführer so: "Ingrid ist in einer Phase als Bundessprecherin eingesprungen, in der Feuer am Dach war." Die Darstellung, sie komme angeschlagen aus Wien zurück, entbehre jeder Grundlage: "Sie kehrt nicht zurück, sie war immer da."

Doch die geschlossene Mauer hinter Felipe ist wohl auch einer Alternativlosigkeit geschuldet. Denn derzeit gibt es keinen Ersatz für die Spitzenkandidatin. Die zweite grüne Landesrätin Christine Baur konnte bislang nicht punkten. Sie wird, so hört man aus grünen Kreisen, nicht mehr zur Listenwahl antreten, die am 11. November stattfindet. (Lisa Kogelnik, Michael Völker, Nina Weißensteiner, Steffen Arora, 18.10.2017)