Der Kulturpalast ist das Wahrzeichen Warschaus. Im Wohnturm Zlota 44 rechts daneben befinden sich die teuersten Wohnungen der Stadt.

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Das Jahrhundertwende-Ensemble im Stadtteil Praga wird von der Stadt selbst saniert.

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Fünf Jahre dauerte es, um das Objekt mit vier Innenhöfen bestandsfrei zu bekommen.

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Viele neue Wohnsiedlungen in Warschau werden von Securitys und per Video überwacht.

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Rechts ein erst kürzlich übergebener Neubau der Wohnungsgenossenschaft Służew nad Dolinką im Süden der Stadt. Hier entstanden Eigentumswohnungen.

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Am linken Weichsel-Ufer zeigt die polnische Hauptstadt ihr modernes Gesicht. Zahlreiche Büro- und Hoteltürme gruppieren sich um den imposanten Warschauer Kulturpalast, einst ungeliebtes kommunistisches Erbe, heute Wahrzeichen der Stadt. Es ist das internationale Geschäftsviertel der osteuropäischen Wirtschafts- und Finanzmetropole. Unweit davon befindet sich das touristische Zentrum der Stadt: Die Altstadt, nach der vollkommenen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg mustergültig wieder aufgebaut, ist heute Unesco-Weltkulturerbe.

In Praga bröckeln Fassaden

Rechts der Weichsel zeigt Warschau ein anderes Gesicht: Im Stadtteil Praga wurde im Krieg zwar weniger zerstört, seither aber auch nicht allzu viel saniert. Die Fassaden bröckeln vor sich hin, das Erscheinungsbild vieler Häuser ist erschreckend.

Die Stadt Warschau ist gerade dabei, das zu ändern. Mit punktuellen Sanierungen setzt die Stadt auch in Praga Maßnahmen, um mehr sozialen Wohnraum zu schaffen. Im wachsenden Warschau werden zwar derzeit jährlich rund 20.000 Wohnungen neu gebaut, viele davon sind aber teure Eigentumswohnungen, die oft in (streng bewachten) Gated Communitys wie dem Siedlungsprojekt Marina Mokotow im Süden der Stadt entstehen.

Privatisierte Genossenschaftswohnungen ...

Große Wohnsiedlungen vulgo "Schlafstädte" wurden natürlich auch im Kommunismus gebaut, nach 1989 sank die Fertigstellungsrate aber drastisch. Außerdem wurden in den Jahren nach der Wende große öffentliche Wohnungsbestände an die neu gegründeten Kommunalverwaltungen übertragen. Diese hatten meist kein Geld für die Erhaltung, viele Häuser verfielen also mit der Zeit.

Ein großflächiger Abverkauf in private Hände – meist jene der Bewohner – ab 1995 folgte, er dauerte bis in jüngste Zeit an. "Mehr als 73.000 Genossenschaftswohnungen wurden für einen Bruchteil des Wertes an die Nutzer verkauft", berichtete Szymon Rosiak vom Verband der Wohnungsgenossenschaften Polens kürzlich beim Besuch von Vertretern österreichischer Gemeinnütziger und Journalisten. Heute hat das einst kommunistische Polen eine der höchsten Wohneigentumsquoten der EU.

... werden zu Marktpreisen vermietet

Dass die Genossenschaften verkaufen mussten, war eine politische Entscheidung, "und zu diesen Preisen – bis zu 90 Prozent unter Marktpreis – kaufte natürlich jeder", so Rosiak. Heute fehlen diese günstigen Wohnungen. Viele der privatisierten Wohnungen werden sogar zu Marktpreisen von zehn bis zwölf Euro pro Monat und Quadratmeter vermietet. Neu gebaute Genossenschaftswohnungen kosten laut Rosiak maximal ein Drittel davon.

Analogien zu Österreich taten sich hier auf: Die SP-nahen Gemeinnützigen wehren sich hierzulande, wie berichtet, gegen die verpflichtende Mietkaufoption, weil dadurch mittelfristig preisgebundener Wohnraum verlorengeht. "Wenn diese Wohnungen von den Mietern gekauft und dann auch genutzt werden, ist nichts dagegen zu sagen. Spekulieren soll man damit aber nicht können", sagte Markus Sturm, Obmann des Vereins für Wohnbauförderung, dem SP-nahe Genossenschaftsvertreter angehören.

Große Siedlungen am Stadtrand

In ganz Polen gibt es rund 3500, in Warschau 484 Wohnbaugenossenschaften, die aber oft nur ein einziges Haus verwalten. Einige große bauen dafür gleich ganze Siedlungen am Stadtrand, allerdings erst seit rund zehn Jahren wieder. Seit 2005 gibt es nämlich diverse Förderprogramme der Stadt, aktuell sind bis 2022 rund 330 Millionen Euro reserviert.

Warschau hätte grundsätzlich noch viele Flächenreserven, um zu wachsen, nicht wenige davon – rund 400 Hektar – können aber nicht wirklich angegriffen werden, weil die Eigentumsverhältnisse nicht geklärt sind, sagte Barbara Jaczewska von der Fakultät für Geografie und Regionalstudien der Universität Warschau. "Vor allem in der Zeit des Kommunismus wurde viel enteignet."

Strenger Denkmalschutz sorgt für Kopfschütteln

Die Stadt brauche aber dringend leistbare Mietwohnungen, meint auch Jaczewska. Also wird saniert, oft Objekte, die die Stadt bereits besitzt, und immer mehr auch in Praga. Demnächst etwa ein vom Verfall bedrohtes Jahrhundertwendeobjekt in der Targowa-Straße mit vier Innenhöfen. Alkohol- und Drogenabhängige hätten hier zuletzt gehaust, erklärten Vertreter der städtischen Genossenschaft Poludnie. Fünf Jahre brauchte man, um sie rauszubekommen.

Nun wird ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben. Seit 2010 steht die gesamte Anlage allerdings unter Denkmalschutz, was das Vorhaben verteuern wird.

Generell sorgte der strenge Denkmalschutz öfters für Kopfschütteln bei den österreichischen Besuchern. In einem gewöhnlichen Wohngebäude in einer Nebenstraße würde die Stadt gerne Seniorenwohnungen schaffen, samt einer kleinen ärztlichen Versorgungseinheit. Das Gebäude steht aber unter Denkmalschutz, obwohl manche Decke schon durchzubrechen droht. (Martin Putschögl aus Warschau, 22.10.2017)