Ano-Chef Andrej Babiš hat die Parteienlandschaft Tschechiens umgekrempelt. Am Wahlabend war er der strahlende Sieger.

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Prag/Wien – Selbst in der Stunde des Triumphs dachte Andrej Babiš daran, sich als Mann zu präsentieren, den Politik eigentlich nicht interessiert. "Ich weiß gar nicht, wie die Sache ausgegangen ist", sagte er am Samstagabend auf dem Weg zu seiner ersten Rede als Tschechiens klarer Wahlsieger, umringt von Journalisten, die um erste Stellungnahmen baten.

Es ist der Nimbus des Mannes, der alles anders machen will, der Nimbus des Politikers, der gar kein Politiker sein will, der Babiš und seine Partei Ano nun ganz an die Spitze gehievt hat. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Ano seit vier Jahren an der Regierung beteiligt ist: Babiš hat es geschafft, seine "Bewegung" – die Bezeichnung Partei lehnt er ab – sogar im Kabinett als Oppositionskraft darzustellen, die gegen die etablierten Parteien zu Felde zieht. Ano, das heißt auf Tschechisch Ja, ist aber auch die Abkürzung für "Aktion unzufriedener Bürger". Der Milliardär Babiš hält daran fest. Auch heute noch.

Mit 29,6 Prozent der Stimmen führt Ano nun einsam das politische Spektrum an. 78 Mandate errang die Partei bei der Wahl am Freitag und Samstag im 200-köpfigen Abgeordnetenhaus – mehr als dreimal so viele wie die konservativen Bürgerdemokraten (ODS), die mit 11,3 Prozent auf Platz zwei landeten. Sie werden 25 Abgeordnete stellen.

Schwer vorstellbare Kooperation

Beide Parteien sind auch die einzigen, die eine Zweierkoalition bilden könnten. Diese würde aber nur über 103 Sitze und damit eine nur äußerst knappe Mehrheit verfügen. Außerdem wären beide auch politisch nur recht schwer unter einen Hut zu bringen – auch wenn es in der ODS Kräfte gibt, die sich eine Zusammenarbeit vorstellen könnten.

Am häufigsten wurde vor der Wahl eine Fortsetzung der Koalition aus Sozialdemokraten (ČSSD), Ano und Christdemokraten (KDU-ČSL) ins Spiel gebracht – mit einer Rochade an der Spitze. Bisher hatten die Sozialdemokraten als stärkste Kraft mit Bohuslav Sobotka den Premierminister gestellt. Nun aber stürzte die ČSSD spektakulär ab und landete mit 7,3 Prozent nur noch auf Platz sechs.

Die bisherigen Regierungsparteien hätten gemeinsam nur 103 Mandate – genauso viele wie ein Bündnis von Ano und ODS. Allerdings wollen Sozial- und Christdemokraten weder Babiš selbst noch dessen Vize Jaroslav Faltýnek in einem künftigen Kabinett akzeptieren. Grund: Beide werden im Zusammenhang mit dem mittelböhmischen Freizeitareal Čapí hnízdo (Storchennest) von der Polizei der missbräuchlichen Verwendung von EU-Fördergeldern beschuldigt.

Regierungsauftrag an Babiš

Ob der Triumphator Babiš aber bereit ist, deshalb jemand anderen als Premier zu installieren, erscheint angesichts des Wahlergebnisses fraglich. Und Präsident Miloš Zeman hat noch am Sonntag angekündigt, Babiš mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Als Wahlgewinner dürfen auch die Piraten und die Partei Freiheit und direkte Demokratie (SPD) des Tschechojapaners Tomio Okamura gelten. Beide errangen 22 Mandate. Die SPD hatte sich als radikale Antimigrations- und Anti-EU-Bewegung profiliert.

Babiš hat noch am Wahlabend ein Bekenntnis zur Nato- und EU-Mitgliedschaft Tschechiens abgelegt. Experten befürchten aber, dass ihn mangelnde Koalitionsoptionen in die Arme von SPD und Kommunisten treiben könnten.

Die rechtsliberale Top 09, für die erneut Ex-Außenminister Karl Schwarzenberg kandidiert hat, und die "Bürgermeister und Unabhängigen" (STAN) haben ebenfalls den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft. Auch sie wollen aber nicht mit Ano koalieren. Neun Parteien werden künftig im Abgeordnetenhaus vertreten sein – und die Regierungsbildung könnte schwieriger werden als je zuvor. (Gerald Schubert, 22.10.2017)