Ansätze wie "Blockchain" oder "Kryptoökonomie" versprechen seit einiger Zeit die digitale Abwicklung von Transaktionen ohne Mittelsmann. An der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien wird derzeit ein neuer Forschungsschwerpunkt zu dem Konzept und dessen Umsetzung aufgebaut, der vom Wissenschaftsministerium mit 500.000 Euro gefördert wird.

"Kryptoökonomie wird die Art, wie man Informationssysteme betrachtet, vollkommen verändern", sagte der Wirtschaftswissenschafter und Koordinator des Forschungsschwerpunktes, Alfred Taudes, zur APA. Wenn sich auf Online-Plattformen User-Gruppen in irgendeiner Form austauschen, könne man das als kleine Märkte betrachten. Bisher gibt es dort aber immer zentrale Koordinatoren, die Spielregeln und Abläufe bestimmen. Das bedeutet neben Macht meistens auch viel Geld.

"Smart Contracts"

Bei einer kryptoökonomischen Anwendung werden die Regeln der Zusammenarbeit durch sogenannte "Smart Contracts" definiert. Das sind auf den Rechnern der Marktteilnehmer verteilte Programme in denen dargelegt ist, wie die Teilnehmer miteinander interagieren. Diese und die zu miteinander verbundenen Blöcken in einer Blockchain zusammengefassten Einzeltransaktionen definieren das Protokoll, auf dessen Basis ohne zentrale Koordination die Interaktion stattfindet.

Eine Anwendung dieses Prinzips, die momentan viel Aufmerksamkeit erfährt, ist die Kryptowährung Bitcoin. "Das ist eigentlich nichts anderes als ein Geldüberweisungssystem ohne Bank in der Mitte. Genau dieses Prinzip wendet man jetzt in anderen Bereichen an. Denn man ist draufgekommen, dass in der Blockchain-Datenbank alles Mögliche drinnen stehen kann – ob das jetzt ein Bitcoin ist, das man schickt, oder ein Schlüssel, mit dem man dann Zugriff auf ein Musikstück bekommt", sagte der u.a. auf Produktionsmanagement spezialisierte Forscher.

Verbund

Aus wissenschaftlicher Sicht sei das Thema vor allem interessant, weil sich hier gerade neue Wirtschaftssysteme bilden. Es stelle sich etwa die Frage, inwieweit bekannte Prozesse aus der klassischen Ökonomie dort wirksam werden. Um sich dem anzunähern, sei der Forschungsschwerpunkt fachübergreifend auf fünf Jahre ausgelegt.

Ein "Senior Scientist" werde exklusiv in dem neuen Verbund tätig sein, die anderen Beteiligten werden einen Teil ihrer Ressourcen dem Thema widmen. In einer ersten Runde werde die bunte Gruppe aus Betriebswirten, Volkswirten, Rechtswissenschaftern, Banken-, Steuer- und Marketingexperten und anderen Forschern nun umreißen, wohin die gemeinsamen Interessen gehen.

Die österreichische Initiative sei jedenfalls bei weitem nicht die einzige mit dieser Ausrichtung auf akademischer Ebene. Man werde daher auch den Kontakt zu anderen neu entstehenden Gruppen im In- und Ausland suchen. Auch der Schulterschluss mit der Praxis ist geplant.

Taudes selbst möchte sich dem Potenzial der Blockchain am Beispiel von Lieferketten annähern. Momentan wisse manchmal keine der oft unzähligen beteiligten Firmen über den aktuellen Zustand einer Lieferung Bescheid. Die Information liege in den meisten Fällen in vielen Systemen verteilt vor. Neben einem unglaublichen administrativen Aufwand führe das dann meist zu Chaos, wenn etwas schief geht. Was eine Überführung solcher Lieferketten in Blockchains bringen könnte, gelte es herauszufinden.

Momentan werde Blockchain noch stark auf Bitcoins reduziert. "Viele Leute assoziieren das immer noch mit Nerds und Drogenhändlern. Die Datenbanktechnologie darunter ist aber viel allgemeiner. Auch zu Beginn des heutigen Internets war die erste Anwendung E-Mail, heute wird das darunter liegende Protokoll für Anwendungen in allen Lebensbereichen eingesetzt", so Taudes. Dass es etwa möglich ist, Bitcoins innerhalb weniger Minuten fast gebührenfrei weltweit zu überweisen, stimme auch viele Banken nachdenklich.

Für Österreich sieht Taudes etwa Chancen für einen Marktplatz für Fertigungsaufträge auf Krypto-Basis, auch die "hochqualitative" heimische Landwirtschaft könnte von mehr Transparenz profitieren und es gebe spannende Konzepte für eine neue Art des E-Government. Momentan stehe die Blockchain-Idee in ihrer Entwicklung ungefähr dort, wo das Internet in den 1990er Jahren stand. "Da muss man, untypisch österreichisch zur Kenntnis nehmen, dass vielleicht neun von zehn Sachen nichts werden – es ist aber trotzdem 'a Hetz'", so Taudes' Fazit.

Mittlerweile hat sich eine durchaus aktive Blockchain-Community etabliert. Neben mehreren Lehrveranstaltungen an Hochschulen mit Blockchain- oder Kryptowährungs-Bezug widmet sich in Wien das Forschungsinstitut RIAT (Research Institute for Arts & Technology) dem Thema. In der Steiermark ist der Blockchainhub Graz aktiv, und in Salzburg forscht daran SBA Research, um nur einige zu nennen. Das Wissenschaftsministerium hat heuer die Initiative "Blockchain Austria"mit einem "9-Punkte-Plan für Österreich" ins Leben gerufen. (APA, 25.10. 2017)