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Nordkoreanische Soldaten (li.) an der Grenze zu Südkorea. Der anhaltende Konflikt der beiden Staaten droht seit einigen Monaten zu eskalieren.

Foto: AP/Jung Yeon-je

Die österreichischen Sicherheitsbehörden stehen im Verdacht, sich an einer Spionageaktion gegen Nordkorea beteiligt zu haben, wie Recherchen von "profil", "ZiB2" und STANDARD zeigen.

Nachdem im Jahr 2015 bei der österreichischen Staatsdruckerei 200.000 biometrische Reisepässe für das Regime in Nordkorea bestellt wurden, kamen 2016 Muster nordkoreanischer Blankopässe zum Erzfeind nach Südkorea. Das österreichische Innenministerium bestätigt, dass südkoreanische Sicherheitsbehörden über die Vermittlung der Botschaft in Wien ersuchten, Musterexemplare biometrischer Sicherheitspässe zur Verfügung zu stellen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung habe daraufhin bei der Österreichischen Staatsdruckerei 30 nordkoreanische Pass-Muster besorgt, von denen den Südkoreanern drei Stück übergeben wurden. Diese Musterexemplare seien "im Rahmen der üblichen Polizeikooperation Schulungs- und Anschauungszwecken, um Fälschungssicherheit zu prüfen und Fälschungsmerkmale erkennen zu können", heißt es in der Stellungnahme des Innenministeriums. Die übrigen 27 Stück seien beim BVT "eingelagert" worden. Ob all dies mit Wissen und Billigung des Regimes in Pjöngjang geschah, ist nicht bekannt.

Die Staatsdruckerei, die im Jahr 2000 privatisiert worden ist, möchte zu dieser Causa kein Statement abgeben. Es gebe strikte Vorgaben bei der "Kommunikation zu Kunden und Nicht-Kunden", hieß es auf Anfrage von STANDARD und "profil".

Konflikt zwischen Ministerien

Allerdings bestätigt das Innenministerium, dass 2015 ein Auftrag Nordkoreas an die Staatsdruckerei geprüft wurde und man "aus Sicherheitsperspektive dazu keine Bedenken" hatte. Das Wirtschaftsministerium hatte zuvor eine Anfrage über eine Exportgenehmigung für rund 200.000 biometrische Sicherheitspässe nach Nordkorea erhalten. Die Prüfung ergab, dass Pässe nicht unter die Embargobestimmungen fielen, die von den Vereinten Nationen wegen des nordkoreanischen Atomprogramms ausgesprochen worden sind. Das Außenministerium, das ebenfalls einbezogen wurde, soll allerdings Bedenken gegen die Lieferung angemeldet haben.

Das nordkoreanischen Regime gilt als eines der brutalsten der Welt, Diktator Kim Jon-Un fällt regelmäßig mit kriegerischer Rhetorik gegen Südkorea auf. Für das Geschäftsverhältnis zwischen Nordkorea und der Staatsdruckerei könnte die Enthüllung der Pass-Weitergabe an Südkorea drastische Konsequenzen haben.

Laut einem anonymen Schreiben aus dem Innenministerium, das "profil" und STANDARD vorliegt, soll die Wiener Residentur des südkoreanischen Geheimdienstes Blanko-Pässe erbeten haben. In diesem Dossier heißt es außerdem, dass Mitarbeiter des BVT als Dank für die Aktion kostenlos in Südkorea urlauben könnten. Das Innenministerium sagt dazu, dass ihm dazu "keine Informationen vorliegen". "Um dem nachzugehen, müssen wir dringend um eine Konkretisierung bitten", hieß es.

"Zu Anschauungszwecken"

Dass Pässe an Südkorea geliefert wurden, wird im Innenministerium bestätigt. Es handle sich um "Musterexemplare, die Schulungs- und Anschauungszwecken dienen". Sie sollten den Südkoreanern helfen, "Fälschungsmerkmale erkennen zu können".

Nordkorea hat zu Österreich ein besonderes Verhältnis. So befand sich die letzte nordkoreanische Bank in Europa, die Golden Star Bank, bis 2004 in Wien. Sie wurde nach Vorwürfen zu Spionage, Geldwäsche und dem Handel mit radioaktivem Material geschlossen. Eine Anfrage bei der nordkoreanischen Botschaft zu der Herstellung von Reisepässen in Österreich ist nicht beantwortet worden. Auch das BVT selbst gibt sich schweigsam.

Nach ersten Anfragen von STANDARD und profil berichtete jedoch die Kronen Zeitung über die Produktion nordkoreanischer Pässe bei der Staatsdruckerei. Die Pass-Weitergabe an Südkorea fehlte in der "Krone"-Geschichte.

Dass Urkundendruckereien Blankopässe liefern, sei nichts Ungewöhnliches, sagt ein mit den Vorgängen Vertrauter zum STANDARD. Dass es im vorliegenden Fall um das mit einem Embargo belegte nordkoreanische Regime geht und dieser Vertrag noch dazu von Südkorea für eigene Geheimdienstzwecke benutzt worden sein könnte, verleiht der Causa jedoch einige Brisanz.

Die Aktion könnte für diplomatische Verwicklungen sorgen. Österreichische Politiker rühmen oft die Neutralität des Landes. Erst am Donnerstag, dem Nationalfeiertag, sprach ÖVP-Chef Sebastian Kurz davon, sich darüber zu freuen "die Freiheit, aber auch die Neutralität unseres Landes feiern zu können."

Am Freitag reagierte das Innenministerium auf die Veröffentlichung in der ZiB2 und im STANDARD und hielt fest, dass man von Seiten des Ministeriums im Zusammenhang mit der Lieferung von Reisepässen an einen Drittstaat lediglich der Verantwortung nachgekommen sei, eine Beurteilung dieses Vorgangs aus Sicherheitsperspektive abzugeben. Diesbezüglich habe es keine Bedenken gegeben.

Die drei an Bedienstete Südkoreas übergebenen Musterexemplare hätten weder Personaldaten aufgewiesen, noch hätten sie über eine Reisepass-Nummer oder ähnliche individuelle Unterscheidungsmerkmale verfügt. Somit hätten diese Dokumente über keinerlei Ausweis- oder Urkundencharakter verfügt. Die drei Musterexemplare seien den südkoreanischen Sicherheitsbehörden auf deren Ersuchen übergeben worden. Der Zweck lag im Aufbau von Kontrollkapazitäten in Bezug auf Fälschungsmerkmale. Die Musterexemplare dienten dem Vergleich, um eventuelle Falschdokumente erkennen zu können. Das sei ein üblicher und regulärer Vorgang – wie auch Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk im ZiB2-Interview sagte. (Maria Sterkl, Fabian Schmid, 27.10.2017)

Update 28.10.2017

Dieser Artikel wurde geändert, um zu verdeutlichen, wie die Weitergabe der Reisepässe erfolgte und mit einer weiteren Stellungnahme des Innenministeriums ergänzt.