Ein Demonstrant hält ein Plakat mit der Aufschrift "38 Prozent sind nicht Katalonien" in Anspielung auf die geringe Beteiligung beim Unabhängigkeitsreferendum in die Höhe.
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Barcelona – Zwei Tage nach der Entmachtung der Separatisten in Katalonien übernimmt die spanische Zentralregierung am Montag die Amtsgeschäfte. Ministerien und Behörden in Barcelona nehmen erstmals unter Madrider Leitung die Arbeit auf.

Laut Berichten der Zeitung "El Periodico" und anderer Medien werden mehrere Staatssekretäre aus Madrider Ministerien am Montag den katalanischen Regierungssitz Palau de la Generalitat aufsuchen. Sie wollen die Amtsgeschäfte bis zu der für 21. Dezember angekündigten Neuwahl übernehmen.

Unklar bleibt, wie viele der 200.000 katalanischen Beamten am Montag dennoch ihre Arbeit aufnehmen. Im Palau de la Generalitat gab es am Montagvormittag zunächst kaum Aktivität, berichten Nachrichtenagenturen. Nur einige Beamte gingen demnach ins Gebäude. Der Aufenthaltsort des abgesetzten Regierungschefs Carles Puigdemont, der das Wochenende in seiner Heimatstadt Girona verbracht hatte, blieb zunächst unbekannt. Puigdemont postete am Montag Früh ein Foto auf Instagram, das das Medienberichten zufolge das Regierungsgebäude in Barcelona zeigt.

Die Regionalregierung hatte zuvor jedenfalls "friedlichen Widerstand" angekündigt. Die Zentralregierung plant laut eigenen Angaben keine Festnahmen, jedoch ist völlig offen, wie sie reagieren wird, sollte die Regionalregierung sich weigern, ihre Arbeit einzustellen. Offen ist auch, wie sich die katalanische Polizei, die Mossos d'Esquadra, in diesem Fall verhalten werden.

Am Samstag war Mossos-Chef Josep Lluís Trapero entlassen worden. Sein Nachfolger hatte den Polizeikräften erklärt, sie müssten neutral agieren. Eine Gruppe katalanischer Polizisten hatte zuvor bekanntgegeben, sich den Befehlen aus Madrid widersetzen und keine Gewalt anwenden zu wollen, um Politiker und Beamte von der Macht fernzuhalten.

Demonstrationen für die Einheit

Am Sonntag demonstrierten in Barcelona hunderttausende Menschen für den Verbleib bei Spanien. Nach der Unterstellung Kataloniens unter die Zwangsverwaltung der Zentralregierung bemühten sich beide Seiten am Wochenende, den Unabhängigkeitsstreit nicht weiter anzuheizen. Ein Regierungssprecher sagte am Samstag zu Reuters TV, es sei das Recht des entmachteten Regierungschefs Carles Puigdemont, weiter in der Politik aktiv zu bleiben. Puigdemont selbst forderte die Separatisten zwar zum Widerstand gegen die Zwangsverwaltung auf, dieser müsse aber friedlich und demokratisch sein.

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Hunderttausende säumten die Straßen Barcelonas am Sonntag.
Foto: REUTERS/Jon Nazca

Es war eine der größten Kundgebungen für die Einheit des Landes seit Beginn des Streits. Der frühere Präsident des EU-Parlaments, Josep Borrell, rief die Menschen auf, sich an der Wahl am 21. Dezember zu beteiligen. "Das ist die goldene Gelegenheit. Diesmal sollte niemand zu Hause bleiben." An dem Unabgängigkeitsreferendum hatten sich nur 43 Prozent der Wahlberechtigten beteiligt. Nach der Verkündung der Unabhängigkeit durch das Regionalparlament am Freitag hatte die Zentralregierung umgehend die Regionalregierung abgesetzt und Neuwahlen angeordnet.

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Groß und Klein eilten zu Demonstrationen gegen die Loslösung Kataloniens.
Foto: AP / Gonzalo Arroyo

Einer Umfrage für die Zeitung "El Mundo" zufolge könnten die Separatisten bei der Wahl ihre Mehrheit knapp verlieren. Sie erreichen demnach 42,5 Prozent der Stimmen, ihre Gegner 43,4 Prozent. Umfragen haben bislang immer wieder gezeigt, dass eine Mehrheit der 5,3 Millionen Wahlberechtigten in Katalonien gegen eine Loslösung von Spanien ist. Einer Umfrage der Zeitung "El País" zufolge stellen sich 55 Prozent der befragten Katalanen gegen die Unabhängigkeit, nur 41 Prozent sind dafür.

Die Neuwahl erwischt die Parteien auf dem falschen Fuß. Puigdemonts eher konservative Demokratisch Europäische Partei Kataloniens (PDeCat) wollte eigentlich nicht erneut gemeinsam mit der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) von Vize Oriol Junqueras im Bündnis Gemeinsam für das Ja (JxSí) antreten. Doch das könnte jetzt unumgänglich werden, um die Mehrheit im Parlament zu verteidigen.

"Demokratische Opposition"

Er sei "ziemlich sicher, dass Puigdemont, sollte er an dieser Wahl teilnehmen, seine demokratische Opposition" ausüben könne, sagte Regierungssprecher Íñigo Méndez de Vigo. Sollte der Ministerpräsident sich weigern, sein Amt zu verlassen, werde die Regierung mit "Klugheit und gesundem Menschenverstand" reagieren. Auf die Frage nach strafrechtlichen Konsequenzen für Puigdemont sagte der spanische Regierungssprecher: "Niemand steht über dem Gesetz." Ansonsten verwies er auf die Unabhängigkeit der Justiz.

Spanische und katalanische Senyera-Fahnen prägten das Stadtbild.
Foto: AFP PHOTO / PIERRE-PHILIPPE MARCOU

In einer Fernsehansprache sagte Puigdemont am Samstag: "Es ist klar, dass demokratische Opposition die beste Art ist, die bis jetzt erreichten Erfolge zu verteidigen." Er blieb vage, wie der Widerstand konkret aussehen soll. "Wir werden nicht einknicken", sagte er. "Wir werden an der einzig möglichen Einstellung festhalten, die uns zu Gewinnern machen wird: Ohne Gewalt, ohne Beleidigungen; die alle einbezieht, die die Menschen, Symbole, Meinungen und die den Protest der Katalanen respektiert, die nicht damit einverstanden sind, was die Parlamentsmehrheit beschlossen hat."

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Foto: REUTERS/Yves Herman TPX

Die größte Separatistengruppe in Katalonien, ANC, hatte am Freitag die Mitarbeiter der Regionalverwaltung aufgerufen, Anordnungen aus Madrid nicht zu befolgen. Die Bediensteten sollten mit "friedlichem Widerstand" reagieren. Die Gewerkschaft CSC hat für Montag zu einem Streik aufgerufen, der bis zum 9. November dauern soll. Die Regionalregierung hatte daraufhin erklärt, sie werde einen Notdienst aufrechterhalten.

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Auch Vierbeiner demonstrierten für die spanische Einheit.
Foto: Reuters / YVES HERMAN

Die spanischen Behörden begannen derweil mit der Umsetzung der Zwangsverwaltung. Beamte der Regionalpolizei bezogen an wichtigen öffentlichen Gebäuden Stellung. Die Regionalpolizei forderte ihre Beamten auf, sich neutral zu verhalten. Das Innenministerium teilte mit, notfalls könnten die katalanischen Sicherheitskräfte ersetzt werden. Angesichts der emotional angespannten Lage gibt es Unsicherheit darüber, wie sich die in Anhänger und Gegner der Unabhängigkeit gespaltene Regionalpolizei verhalten würde, falls sie etwa den abgesetzten Regierungschef und seine Regierung aus den Regierungsgebäuden vertreiben müsste. (red, APA, Reuters, 29.10.2017)