Theresa Mays Kabinettschef Damian Green steht angeblich auf einer Liste britischer Männer, gegen die es Vorwürfe gibt.

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Es ist eine jener Geschichten, über die auch US-Medien nur schreiben können, wenn sie nicht wirklich darüber schreiben. Zu groß ist die Gefahr von Klagen, zu heikel auch presseethisch der Inhalt – und zu nah ist all das an der eigenen Arbeitswelt. Dennoch, die Liste mit zahlreichen Namen amerikanischer Medienmänner beschäftigt nicht nur US-Publikationen, sondern ist mittlerweile auch zum Politikum geworden – und zum Beispiel für die vielen Unwägbarkeiten in der #MeToo-Debatte. Konservative erhoffen sich nun gar Munition gegen die liberale Medienwelt.

Gedacht war sie für all das nicht. Im Gegenteil: Sie sollte geheim bleiben, unter keinen Umständen mit Männern geteilt werden und Frauen in der amerikanischen Medienwelt die Gelegenheit bieten, einander vor männlichen Kollegen und Vorgesetzten zu warnen, mit denen andere in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht hatten.

Vergewaltiger und Schürzenjäger

"Shitty Men in Media" heißt die Excel-Tabelle, "beschissene Medienmänner", und sie schildert alles zwischen handfesten Vergewaltigungsvorwürfen und Männern, die im persönlichen Umgang einen diffus-eigenartigen Eindruck hinterlassen hatten. Es handle sich um "Anschuldigungen und Gerüchte", wird ganz oben auf der Liste eingestanden, und wer sie liest, solle das mit der gebotenen Vorsicht tun.

Doch dann kam es, wie es wohl kommen musste: Die Liste gelangte an die Öffentlichkeit – zunächst in anonymisierter Form in Onlinemedien, später kurzfristig in offener Form auf der Diskussionsplattform Reddit. Dort löste sie heftige Debatten darüber aus, dass sie an ihren extremen Enden keinen Unterschied zwischen Vergewaltigern und Schürzenjägern mache. Wenig später bot der rechte Blogger Mike Cernovich 10.000 Dollar für die Liste – er erhoffte sich politische Munition. Sie ist mittlerweile in seinem Besitz – auf Anraten seiner Anwälte aber noch nicht vollständig veröffentlicht.

Rücktritte in Großbritannien

Auch in der konservativen Fraktion des britischen Unterhauses ist eine interne Liste mit etwa 40 Namen von Abgeordneten durchgesickert, denen "unangemessenes Verhalten" vorgeworfen wird. Prominentestes Beispiel: Theresa Mays Kabinettschef Damian Green. Es werde aktuell einem Vorwurf nachgegangen, dass sich auf Greens Computer im Parlament pornografisches Material befunden habe, sagte Innenministerin Amber Rudd am Sonntag. Green nennt die Vorwürfe politisch motiviert. Fast täglich werden neue Vorwürfe gegen Politiker bekannt.

Die Diskussion, die sich zwischen "Hexenjagd"-Vorwürfen und dem Argument der "längst überfälligen" Entwicklung bewegt, dominiert die Londoner Medien. Erst vergangene Woche räumte Verteidigungsminister Michael Fallon Fehlverhalten gegenüber einer Journalistin ein und trat zurück. Am Freitagabend schlossen die Konservativen ihren Abgeordneten für Dover, Charlie Elphicke, wegen "schwerer Vorwürfe" vorläufig aus ihrer Partei aus, ohne Details zu nennen.

Die seit den Neuwahlen geschwächte Premierministerin Theresa May stellte daraufhin einen überarbeiteten Verhaltenskodex für konservative Politiker vor. In der Labour-Partei soll es ebenfalls Übergriffe gegeben haben, darunter sogar eine Vergewaltigung. Am Samstag erreichte der Skandal Schottland. Staatssekretär Mark McDonald von der Schottischen Nationalpartei trat zurück und entschuldigte sich "uneingeschränkt" bei Betroffenen. Details nannte auch er nicht.

Das Thema sexuelle Belästigung in der Politik zieht aber in ganz Europa Kreise. Unter anderem gaben am Wochenende zwei schwedische Ministerinnen an, sexuell belästigt worden zu sein. (Manuela Honsig-Erlenburg, Manuel Escher, 5.11.2017)