Kooperation mit Robotern darf Menschen nicht über-, aber auch nicht unterfordern, sagt Sabine Köszegi.

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STANDARD: Wo wird Otto Normalverbraucher zum ersten Mal einem intelligenten Roboter begegnen?

Köszegi: Wir werden sie in den unterschiedlichsten Formen antreffen. Eine der ersten Begegnungen wird auf der Straße stattfinden – in Form von selbstfahrenden Autos. Es werden aber auch vermehrt stereotype Vorstellungen von Robotern in menschenähnlicher Gestalt Wirklichkeit werden – etwa als soziale Gefährten. Je nach Definition kann man auch bereits bestehende, mit künstlicher Intelligenz versehene Kommunikationsprogramme, Chatbots, dazu zählen – auch wenn sie keine physische Gestalt haben.

STANDARD: Viele Menschen überschätzen die aktuelle Technologie. Welche Fähigkeiten kann man realistischerweise erwarten?

Köszegi: Ein Beispiel: Am Robotik-Labor der Technischen Universität Wien wird ein Roboter entwickelt, der ein Kinderzimmer aufräumen kann. Dazu muss er Objekte in einem nicht vorstrukturierten Raum erkennen und klassifizieren. Er muss über geeignete Sensorik und Motorik verfügen, um sowohl kleine Bausteine als auch große Teddybären zu greifen. Von einem derartigen System, das marktreif und leistbar wäre, sind wir noch ein gutes Stück weit entfernt.

STANDARD: Wo liegen die Probleme?

Köszegi: Das Kinderzimmer sieht immer anders aus, die Gegenstände variieren. Es gibt keinen vorprogrammierten Kontext, der abrufbar wäre. Alles muss in der Situation erkannt werden. In einem standardisierten Setting können selbst komplexe Aufgaben gut gelöst werden. Die Komplexität, die in diesen nicht standardisierbaren Abläufen entsteht, ist aber noch kaum zu bewältigen.

STANDARD: Ein Thema ist die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine. Welche Anforderungen kommen dabei auf die Robotik zu?

Köszegi: Neben der Gewährleistung der physischen Sicherheit der Mitarbeiter – da ist die Robotik schon relativ weit – geht es um möglichst intuitive Interaktion mit den Robotern. Die Frage ist: Wie sollen Assistenzsysteme gestaltet werden, damit sie Menschen bei ihrer Arbeit unterstützen, ohne sie zu überfordern oder zu unterfordern?

STANDARD: Inwiefern können Roboter soziale Kompetenz haben?

Köszegi: Im Bereich von Social Robotics sollen Maschinen mit sozialen und kommunikativen Fähigkeiten ausgestattet werden. Mittlerweile können mit künstlicher Intelligenz ausgestattete Systeme das menschliche Kommunikationsverhalten täuschend ähnlich nachahmen. Die Interaktionsmuster der Programme basieren aber auf Wahrscheinlichkeitsrechnungen, es stehen keine echten sozialen Fähigkeiten wie Empathie dahinter. Maschinen können Emotionen nur vortäuschen, die allerdings bei Menschen echte Emotionen generieren.

STANDARD: Sie sind Vorsitzende des vom Verkehrsministerium eingerichteten Robotik-Rats. Wie kann man den Wandel im Umgang von Mensch und Maschine gestalten?

Köszegi: Die Aufgabe des Rates ist es, das Ministerium bei einer Strategie bezüglich Robotik und künstlicher Intelligenz zu unterstützen. Experten unterschiedlicher Disziplinen sind dabei: Psychologie, Soziologie, Informationstechnik, Maschinenbau, Philosophie. Wir sind da, um Chancen und Risiken, Maßnahmen zur Sicherung des Standorts, gesellschaftliche Herausforderungen sowie möglichen Regulierungsbedarf abzuleiten.

STANDARD: Viele haben Angst vor Jobverlusten durch die neuen Technologien. Was ist Ihre Position?

Köszegi: Viele standardisierbare Aufgaben werden künftig von Maschinen erledigt – in der Industrie, in Banken oder Supermärkten. Das heißt aber nicht, dass jede einfache Arbeit übernommen werden kann: Ein Kinderzimmer aufzuräumen ist keine hochkomplexe Aufgabe für einen Menschen – im Normalfall können das kleine Kinder. Dennoch ist sie schwer automatisierbar. Die Studien, die große Arbeitsplatzverluste vorhersagen, machen diesen Unterschied nicht. Ja, es werden repetitive Jobs verlorengehen. Aber es entstehen auch neue Arbeitsprofile. Es braucht eine massive Bildungsoffensive, um Menschen für neue Aufgaben zu qualifizieren.

STANDARD: Welche Aufgaben könnten das sein?

Köszegi: Meine persönliche Meinung ist: Menschen werden in der sozialen Interaktion – und damit in Berufsfeldern wie der Pflege – immer besser als Maschinen sein. Hier sollten Menschen mehr Wertschätzung bekommen. In Japan denkt man darüber nach, die Pflegeproblematik durch den Einsatz von Robotik zu lösen. Man könnte aber auch, wie das Unternehmen Buurtzorg in den Niederlanden zeigt, Informationstechnologie einsetzen, um Pflege durch Menschen effizient, aber dezentral in der Nachbarschaft zu organisieren.

STANDARD: Sie warnen also vor dem Verlust menschlicher Interaktion?

Köszegi: Soziale Interaktionen zwischen Menschen kann man mit der DNA einer Gesellschaft vergleichen. Wenn Interaktionspartner nun durch autonome, intelligente Maschinen ersetzt werden, wird das massiven Einfluss auf das soziale Gefüge haben. Wir sollten daher jetzt schon, bevor diese Technologien vollständig entwickelt sind, ihre möglichen Auswirkungen analysieren. Einen Anspruch, den wir als Gesellschaft haben sollten, ist, uns nicht zu sehr von dem treiben zu lassen, was technisch möglich ist. Wir sollten uns davon leiten lassen, was gesellschaftlich wünschenswert ist.
(Alois Pumhösel, 12.11.2017)