Die letzte Pille nehmen und es danach bleibenlassen: Sabine Kray plädiert für eine Verhütung ohne Hormone und bessere Wissensvermittlung ab der Schulzeit.

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Sabine Kray
Freiheit von der Pille

Tempo-Sachbuch 2017
144 Seiten, 10,30 Euro

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Kein Sonnenschein, kein Regen, ein Jahr ohne Jahreszeiten. "19 Grad mit leichter Bewölkung", so beschreibt Sabine Kray in ihrem Buch "Freiheit von der Pille" den Zustand, in dem sich Frauen befinden, die hormonell verhüten. Denn, so die Autorin, in einem unbeeinflussten Zyklus stimulieren natürliche Hormone den Körper, wirken wie ein Feuerwerk. Die Pille hingegen glättet all das. In Österreich nehmen das Präparat 38 Prozent aller Frauen.

Kray hat ein Manifest verfasst, ein Manifest gegen die Pille. Es ist kein Pro und Kontra, kein Abwägen der Möglichkeiten, das stellt die Autorin auch gleich zu Beginn fest. Sie kritisiert, Frauen hätten viel zu wenig Wissen über die Nebenwirkungen der Pille. Wird auf mögliche Thrombosen und Embolien noch hingewiesen, wisse kaum jemand über die Auswirkungen der Hormone auf Wohlbefinden und Libido Bescheid.

Kray prangert die scheinbare Alternativlosigkeit an, die die Gesellschaft Frauen immer wieder vermittle. Wer sich von dem Buch aber eine konkrete Anleitung für den Umstieg von der Pille auf eine nichthormonelle Methode erwartet, wird enttäuscht. Und dennoch erzählt das Buch von Alternativen. Von jenen, denen der Durchbruch, anders als der Pille, nicht gelungen ist. So geht es etwa um die Spirale, die in anderen Ländern weit häufiger eingesetzt wird als bei uns, um das Diaphragma oder die symptothermale Methode, einer Kombination aus Temperatur messen und Zervixschleim beobachten.

Freiheit für die Frau

Die Pille, so erzählen ihr Frauen immer wieder, schreibt Kray, habe doch zur Befreiung der Frau beigetragen, zu ihrer Selbstbestimmung. Erst seit es die Pille gibt, so glauben viele, können Frauen selbst entscheiden, ob und wann sie ein Kind zeugen und zur Welt bringen wollen. Doch die Autorin ist überzeugt: In den Anfängen der Pille in den 1960er-Jahren hätte die immer stärker werdende Frauenbewegung diese Befreiung auch mit natürlichen Methoden geschafft, wäre da nicht die Pille gewesen. "Wir hätten jetzt womöglich sogar noch bessere Methoden", glaubt sie.

Und sie will die Pille nicht mit dem Wort Selbstbestimmung in Verbindung bringen. Denn wer selbstbestimmt handeln will, brauche ausreichend Wissen über Verhütung. Und das hätten die wenigsten Frauen, ist die Autorin überzeugt. Als die hormonelle Verhütung ihren Durchbruch feierte, war die Gesellschaft prüde, Informationen zum Thema kaum vorhanden. Dann kam die Pille, und sie beschränkte das Thema auf ein kurzes, diskretes Gespräch mit dem Frauenarzt – das sei auch heute noch so, schreibt Kray.

Wer die Pille nehme, unterdrücke seinen natürlichen Zyklus, sei nicht selbst-, sondern vielmehr fremdbestimmt, durch Hormone "chemisch manipuliert". Viele junge Mädchen – in Deutschland etwa nehmen bereits 20 Prozent der 15-Jährigen die Pille – seien beeinflusst von Müttern, Freunden oder der Gesellschaft. Es sei, das kennt Kray auch aus ihrer eigenen Jugend, ein Klub, dem man als Teenager unbedingt angehören wolle. Noch dazu, so wird vermittelt, sei die Pille ein Wundermittel gegen Pickel und Menstruationsbeschwerden.

Erfahrung am eigenen Körper

In verschwörerischem Ton schreibt Kray, wer schuld ist am Siegeszug der hormonellen Verhütung: die Pharmaindustrie, die katholische Kirche und beeinflusste Medien. Selbst erwachsene, gebildete Frauen könnten sich nicht objektiv für oder gegen die Pille entscheiden, weil sie zu wenig Informationen über Möglichkeiten und Risiken hätten.

Die Auswirkungen der Pille kennt die Autorin im Übrigen aus eigener Erfahrung. Nach 17 Jahren mit hormoneller Verhütung setzte sie das Präparat ab, und plötzlich, so schreibt sie, meldete sich ihre Libido zurück, "ganz plötzlich und unvermittelt, etwa in der U-Bahn oder beim Einkaufen". Ein Phänomen, von dem sie bisher dachte, es trete nur bei Männern auf. Kray spricht von einem veränderten Lebensgefühl.

Ihre Beobachtungen am eigenen Körper stützt sie im Buch mit Studien, die etwa zum Ergebnis haben, dass durch die Pille das Begehren, die Erregbarkeit und das Lustempfinden sowie die Fähigkeit zur Selbstkontrolle und zum Vitalitätsempfinden beeinträchtigt werden.

Beratung und Aufklärung

Zu guter Letzt fordert sie strukturelle Änderungen im System, etwa ausführlicheren Sexualkundeunterricht in Schulen und für junge Frauen einen verpflichtenden Besuch beim Gynäkologen. Dort soll nicht automatisch die Pille verschrieben werden, sondern Verhütungsberatung und Aufklärung über Sexualität und Fruchtbarkeit stattfinden.

"Wissen ist Macht", schreibt Kray und meint damit Informationen über Möglichkeiten von Verhütung. Insofern ist ihr Buch ein Beitrag zur Selbstermächtigung der Frau, und es schafft den Lesern klarzumachen, was viele bisher als unsicher oder fanatisch abgetan haben: Es gibt Alternativen zur Pille. (Bernadette Redl, 18.11.2017)