Bei den Druckern haben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer komplett zerstritten, der Kollektivvertrag ist am 14. Juni erloschen.

Foto: CREMER

Wien – Die Angst vor Eingriffen in die Pflichtmitgliedschaft bei Arbeiter- und Wirtschaftskammer ist groß. Intern werden längst Pläne für Kampagnen gegen etwaige Vorhaben einer ÖVP-FPÖ-Regierung geschmiedet. Die Wirtschaftskammer schaltet auf Facebook gerade verstärkt Werbevideos, in denen die Leistungen der Kammer für ihre Mitglieder hervorgehoben werden.

Die Arbeiterkammer warnt vor allem davor, dass ohne Pflichtmitgliedschaf viele Arbeitnehmer aus den Kollektivverträgen (KV) fliegen könnten, und fühlt sich in ihrer These durch aktuelle Entwicklungen bei den Druckern bestätigt. Wie berichtet haben sich Arbeitgeber und -nehmer dort komplett zerstritten und konnten sich bisher nicht auf einen neuen Kollektivvertrag einigen.

Freiwilliger Verband

Worauf der Direktor der Arbeiterkammer Wien, Christoph Klein, im STANDARD-Gespräch aufmerksam macht: Beim Verband Druck & Medientechnik handelt es sich um eine freiwillige Interessenvertretung, also genau das, was FPÖ und Neos für die Kammern fordern. Im September des Vorjahres änderte dieser freiwillige Verband aber seine Statuten, strich darin die Kollektivvertragsfähigkeit und beantragte deren Aberkennung beim Bundeseinigungsamt, das für KV-Fragen zuständig ist. Seit 14. Juni ist es nun offiziell, dass der Verband keine Kollektivverträge mehr verhandelt. Seit diesem Tag ist der KV für das grafische Gewerbe daher erloschen.

Theoretisch wäre das noch nicht schlimm. Solange es keinen neuen KV oder eine Betriebsvereinbarung gibt, bleiben nämlich grundsätzlich alle Klauseln aufrecht (man spricht von einer Nachwirkung). Praktisch ist dem aber nicht so, wie Klein beklagt. Nach und nach würden Druckereibetriebe ihren Mitarbeitern neue, schlechtere Verträge vorlegen. "Das passiert nach dem Motto: Unterschreibt, oder ihr werdet gekündigt."

Beschwerden häufen sich

Bei der Arbeiterkammer würden sich die diesbezüglichen Beschwerden häufen. Klein verweist auf ein aktuelles Beispiel einer Druckerei in Wien Floridsdorf, bei der 41 Mitarbeiter beschäftigt sind. Der Kollektivvertrag sah eine Normalarbeitszeit von 37 Stunden pro Woche vor, laut den neuen Arbeitsverträgen seien es nun 40. Drei Stunden pro Woche, für die bisher Überstundenzuschläge anfielen, wären jetzt also normale Arbeitszeit.

Auch beim 13. und 14. Monatsgehalt sind Änderungen angedacht. Entgegen landläufiger Meinung handelt es sich dabei um keine gesetzlichen Regelungen, sondern um KV-Vereinbarungen, die mitunter Goodies enthalten. Bei den Druckern wurden für Urlaubs- und Weihnachtsgeld bisher fünf Wochen Gehalt inklusive Zuschlägen angerechnet, künftig werden es bei dem erwähnten Betrieb nur mehr 4,3 Wochen sein – ohne Zuschläge.

Und auch bei der Berechnungsbasis für Überstunden sowie bei den Zulagen für Rufbereitschaft und Nachtarbeit seien in den neuen Verträgen Verschlechterungen geplant. Laut Berechnungen der Arbeiterkammer müsste ein durchschnittlicher Mitarbeiter mit längerer Betriebszugehörigkeit einen Verlust von etwa 5600 Euro brutto pro Jahr hinnehmen.

Neue Verhandlungen

Die Anwendbarkeit eines anderen Kollektivvertrages einzuklagen wäre bei den Druckern nicht leicht, meint Klein. Dieses Instrument – der Fachbegriff lautet Satzung – ist eigentlich für jene Branchen gedacht, die noch in gar keinem KV waren. Das ist aber eben bei den Druckern nicht der Fall. Im Dezember soll auch wieder ein neuer Anlauf für Verhandlungen genommen werden – dieses Mal über die Wirtschaftskammer.

Für Klein zeigt die Druckerepisode jedenfalls: "Wird die Pflichtmitgliedschaft beseitigt, muss man damit rechnen, dass sofort einige Betriebe ausbrechen und den Kollektivvertrag verlassen." (Günther Oswald, 11.11.2017)