Am 20. Oktober verkündeten die von den USA unterstützten Rebellen der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) die Befreiung Raqqas, der ehemaligen "Hauptstadt" der Jihadistengruppe "Islamischer Staat".

Kurz zuvor wurde verlautbart, dass syrischen IS-Kämpfern freies Geleit gewährt werden solle, um die Kampfhandlungen abzukürzen. Diese Vereinbarung gelte nicht für ausländische Jihadisten, verkündete die von den USA angeführte internationale Anti-IS-Koalition. Außerdem dürften die zu Evakuierenden lediglich ihre persönlichen Waffen mitnehmen.

Recherchen des britischen Fernsehsenders BBC haben nun allerdings ergeben, dass zahlreiche IS-Kämpfer mit mehreren Lastwagen voll Waffen und Munition Mitte Oktober die Stadt verließen. Reporter Quentin Sommerville sprach mit Lastwagenfahrern, die für einen sechsstündigen Transport angeheuert wurden. Der Einsatz dauerte dann allerdings drei Tage: Die Fahrzeuge waren so schwer beladen, dass bei der Fahrt durch die syrische Wüste die Achsen mehrerer Lkws brachen.

Mitglieder der Gruppe "Raqqa is slaughtered silently" filmten heimlich den IS-Konvoi.

Ursprünglich war die Rede von einigen Dutzend IS-Kämpfern, denen der Abzug erlaubt wurde. Insgesamt verließen allerdings fast 50 Lastwagen, 13 Busse und über hundert kleinere Fahrzeuge des "Islamischen Staats" die umkämpfte Stadt, berichten Augenzeugen.

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Im Gegensatz zu diesem undatierten Archivbild aus Raqqa mussten die IS-Jihadisten diesmal auf Fahnen und Transparente verzichten.
Foto: AP/militant website

Mittlerweile haben die USA zugegeben, dass 250 Kämpfer und 3.500 Angehörige Raqqa unbehelligt verlassen durften: "Wir wollten nicht, dass irgendjemand die Stadt verlässt", erklärte Oberst Ryan Dillon, Sprecher der Operation Inherent Resolve, gegenüber der BBC: "Es sind aber Syrer, die kämpfen und sterben, deshalb haben wir die Entscheidung ihnen überlassen." Er beteuerte, dass sich lediglich vier ausländische Kämpfer in dem Konvoi befunden hätten, die alle mittlerweile im Gewahrsam der Rebellen der Syrian Democratic Forces seien.

Die von der BBC befragten Lkw-Fahrer berichten allerdings von Franzosen, Türken, Aserbaidschanern, Pakistanern, Jemeniten, Saudis, Chinesen, Tunesiern und Ägyptern, die sie transportiert hätten.

Der Weg des IS-Konvois.

Ein Kaufmann, vor dessen Geschäft der Konvoi zum Stehen kam, berichtet, die Jihadisten hätten die Regale leergekauft: "Ein einäugiger Tunesier beschimpfte mich, weil ich mir den Bart abrasiert hatte, und kündigte an, dass sie bald zurückkehren würden, um die Scharia einzuführen. Andere bemerkten, dass ich auch Zigaretten verkaufe, und zerrissen die Schachteln." Allerdings hätten sie alle ihre Einkäufe bezahlt, so der Kaufmann zur BBC.

Auf ihrem Weg in IS-kontrolliertes Territorium wurde der Konvoi von Drohnen und Kampfflugzeugen überwacht, was mittlerweile auch die Anti-IS-Koalition bestätigt.

Vom russischen Außenministerium veröffentlichte Bilder, die belegen sollen, dass die USA die IS-Jihadisten unterstützten, haben sich indes als Fälschung herausgestellt: Die Aufnahmen stammen aus dem Youtube-Trailer des Computerspiels "AC-130 Gunship Simulator", der bereits 2015 veröffentlicht wurde.

Screenshot: derStandard.at

Mittlerweile wurde der Facebook-Eintrag gelöscht, die Nachrichtenagentur TASS, die die Bilder verwendete, hat diese durch Archivmaterial ersetzt. (bed, 15.11.2017)