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Blake Shelton ist ein Superstar des Country. Er hatte in den vergangenen 15 Jahren mehr als ein Dutzend Nummer-eins-Hits in den US-Country-Charts.

Foto: AP / Invision / Chris Pizzello

Es gibt Mannsbilder und Bilder von einem Mann. Blake Shelton ist beides. Und er ist der "Sexiest Man Alive 2017". So will es das "People Magazine", das den Titel seit 1985 vergibt. Warum genau Herr Shelton zu dieser Ehre kommt, ist der geneigten Öffentlichkeit – der Damenwelt zumal – nicht ganz klar. Deswegen fragt der erregte Boulevard seit der Kür des 41-Jährigen vor wenigen Tagen unverblümt und stellvertretend für viele: "Warum denn ausgerechnet der?"

Das ist eine gute Frage. Der Sänger ("Hillbilly Bone") ist bisher neben seiner Profession als sehr erfolgreicher schrummender Country-Knochen vor allem als Juror und Coach bei diversen Talenteshows im amerikanischen Fernsehen sowie als Gespons der sehr blonden Sängerin Gwen Stefani aufgefallen.

Experten für die VIP-Physis attestieren Shelton ein Doppelkinn, einen Bauchansatz und bestenfalls einen diskreten Modegeschmack. Überdies sei sein Charisma das eines Typen von nebenan, von dem man sich Zucker oder Eier borge, dem man diese aber sicher nie wieder zurückgebe.

Kompletter Mann ...

Fast folgerichtig konnte sich Shelton seinen neuen Ruhm selbst gar nicht erklären: "Euch gehen wohl die Leute aus", war seine erste Reaktion. Gwen Stefani, seine dritte Langzeitgefährtin nach zwei geschiedenen Ehen, sieht das naturgemäß anders. "Jemand, der lustig ist und einen Sinn für Humor hat, ist sexy – das ist Priorität Nummer eins", erklärte sie verteidigend. "Er ist an seinem Höhepunkt angelangt und talentiert, aufrichtig, cool, großzügig und sich all dessen nicht bewusst – ein kompletter Mann."

Das mag alles zutreffen, dennoch kann das Urteil gar nicht anders als befangen ausfallen. Gibt es einen Spruch auf den Herrentoilettenwänden dieser Welt, der sich empirisch zu 100 Prozent als wahr herausgestellt hat, dann der: "Sex macht kurzsichtig." Das gilt für die Liebste des "Sexiest Man Alive" allemal.

Denn Herr Shelton ist auch ein Statement – ein Bild von einem Mann, wie es gewünscht ist. In einem Land, in dem sich unlängst die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten das erste Mal jährte, ist er – quasi folgerichtig – der Small Town Boy (aus Tishomingo, Oklahoma), der all die gespreizten und, ja, kultivierteren Hollywood-Gecken für einmal aussticht.

... und famoser Cowboy

Jede Zeit, so scheint es, hat ihren Mann: Mochte der Erste der "Sexiest Man Alive"-Ahnenreihe im Jahr 1985, Mel Gibson, noch ein richtiger Kerl gewesen sein, wurde es danach geschmeidiger. Nachdem etwa Thelma in einen famosen jungen Cowboy hineingelaufen war ("Thelma und Louise"), wurde dessen Darsteller, Brad Pitt, 1995 das erste Mal die Sexsymbol-Ehre zuteil.

Danach kamen unter anderem George Clooney (Schauspieler, dunkle Augen, markantes Kinn), Ben Affleck (Schauspieler, dunkle Augen, markantes Kinn) und Johnny Depp (Schauspieler, dunkle Augen, markantes Kinn). Erst zuletzt wurde es langsam wieder etwas rustikaler mit dem Fußballer David Beckham, dem gut gebauten Wrestler Dwayne Johnson und nun eben Blake Shelton.

Mit ihm heißt es Waschbär statt Waschbrett. Er ist ein Typ, mit dem sich alle – irgendwie – identifizieren können, den sich alle – irgendwie – bei sich zu Hause vorstellen können. Er mag als der personifizierte Tante-Jolesch-Spruch "Was ein Mann schöner is' wie ein Aff, is' ein Luxus" gelten. Und über ihn könnte Karl Lagerfeld auch zehnmal sagen "Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren" – es würde nicht und nicht zutreffen, selbst wenn Blake Shelton tatsächlich die wirklich hässlichste Trainingshose zwischen Scheibbs und Nebraska trüge.

Windeln und Lyrik

Das hat damit zu tun, dass ein Mann wie er – und da hat Gwen Stefani wohl tatsächlich recht – sich all dessen gar nicht bewusst ist. Im Gegensatz zu all den verdatterten Mittzwanzigern, die sich irgendwann haben einreden lassen, das Leben sei ein Genderforschungsproseminar und sie müssten ganz dringend über ihre Männlichkeit nachdenken, tut er Dinge, die getan werden müssen: Windeln wechseln, Geschirrspüler einräumen, bei Wirtshausraufereien beherzt zulangen, Degustationsmenüs kochen, Rasenmähertraktor fahren, den Nachwuchs aus dem Kindergarten abholen, Gitarre spielen, Löcher in Wände bohren oder fein ziselierte Verse im hipponakteischen Trimeter verfassen.

Typen wie Blake Shelton nehmen sich keinen Urlaub vom Leben. Sie sind Männer mit Eigenschaften, ob die nun besser oder schlechter sein mögen. Ihnen würde es selten bis nie in den Sinn kommen, darüber nachzudenken, ob ihr Geschlecht nun biologisch determiniert, anerzogen oder überhaupt als solches konstruiert sei.

Sie sind die Restexemplare der Grönemeyer'schen Männer-haben's-schwer-nehmen's-leicht-Generation, die zunehmend von Buben in Röhrenjeans und mit Vollbart abgelöst werden, die sich nur zögerlich zwischen Soja- oder Reismilch für ihren Latte entscheiden können. Bei Sheltons war Metrosexualität schon out, bevor sie überhaupt in war. Sie empfinden sich als echte Kerle, wollen keine androgynen Stutzer sein.

Krise der Männlichkeit

Eine Krise der Männlichkeit, wie viele Forscher sie sehen, würden Shelton und Co nicht konstatieren, selbst wenn sie es könnten. Ebenso keine "Hecession" und keinen damit einhergehenden Bedeutungsverlust der Männer durch verlorengehende (Industrie-)Arbeiterjobs. Es ist gut beobachtet, wenn die "SZ" schreibt, dass sich Renationalisierung und Remaskulinisierung in einem neuen Zeitgeist treffen.

Ob der Auslöser für diese bemerkenswerte Konvergenz tatsächlich die allenthalben grassierende Angst ist oder einfach der Wille vieler Männer nach allerlei Tadel und Zurechtweisungen für ihr Geschlecht, so zu sein, wie sie eben sein wollen, steht auf einem anderen Blatt.

Es gibt Bilder. Und es gibt Männer. Meistens sind beide nicht deckungsgleich. Es ist wie bei Magrittes Pfeife im "Verrat der Bilder": Ceci n'est pas un homme. Das ist kein Mann, das ist das "Bild" eines Mannes. Sheltons Bild wird sich- vielleicht – ein Jahr halten, bis "People" erneut kreißt und den nächsten "Sexiest Man Alive" in die Welt setzt. (Christoph Prantner, 19.11.2017)