Am Sonntag, leuchtete in der Zentrale der Regierungspartei noch das Porträt von Simbabwes Langzeitpräsident Mugabe. Seine Entmachtung war da bereits in vollem Gange.

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Am Sonntag traf Mugabe mit Spitzen der Armee zusammen.

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Feierstimmung auf dem Parteitag der regierenden Partei Zanu-PF.

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Harare/Johannesburg – Bilder aus dem simbabwischen Frühling. Zigtausende Menschen sind auf die Straßen der Hauptstadt Harare geströmt, sie lachen, schreien und singen. Viele tragen kleine Flaggen in der Hand oder haben sich große über die Schultern gehängt: Autofahrer drehen quietschend Kreise und hupen. Auf den Dächern von Reisebussen tanzen junge Männer, auf Gehsteigen fallen sich wildfremde Menschen um den Hals. "Das sind Freudentränen", schluchzt der 34-jährige Frank Mutsindikwa: "Darauf habe ich mein gesamtes Leben gewartet. Wir sind frei, endlich frei."

Noch vor einer Woche hätten solche Szenen Prügelorgien oder gar ein Massaker der Polizei ausgelöst, sagt der 78-jährige Terry Angelos. Doch an diesem Samstag sucht man die blauen Bereitschaftspolizisten in ihrem martialischen Schildkrötenoutfit in ganz Harare vergeblich. Dafür stehen Schützenpanzer der Armee auf den Straßen. Deren Besatzungen lächeln und winken, ein Soldat raucht eine Zigarette, die ihm von einem Demonstranten zugesteckt wurde. "Unsere Armee ist die Stimme des Volkes", steht auf dem Schild eines Jubelnden.

Geschickte Taktik

Die Veteranenorganisation des Militärs hatte zum Volksaufmarsch aufgerufen, um dem altersstarren Präsidenten Robert Mugabe vor Augen zu halten, welches Ansehen er in der Bevölkerung tatsächlich genießt. Von Soldaten bewacht saß der 93-jährige Staatschef unterdessen in seiner Villa in Harares Luxusviertel Borrowdale. Zur einzigen angespannten Situation der Freudenfeier kam es, als ihm einige Hundert Feiernde einen Besuch abstatten wollten. Sie ließen sich von den Soldaten eines Besseren belehren.

Auf dem "Simbabwe-Gelände" am Stadtrand Harares, wo Mugabe 1980 seine Unabhängigkeitsrede hielt, versammeln sich am Samstagnachmittag tausende von Menschen, um den Rücktritt Mugabes zu fordern. Als General Sibusiso Moyo auftritt, meinen sie, die erlösende Botschaft zu hören zu bekommen: Der Offizier hatte die Simbabwer bereits am frühen Mittwochmorgen im Staatsfernsehen vom Putsch, der keiner sein wollte, in Kenntnis gesetzt. Moyo muss die Menschenmenge allerdings vertrösten: Mugabe hat noch immer nicht begriffen, dass seine Stunde geschlagen hat. Trotzdem kommt keine Nervosität auf, denn längst ist klar, wie souverän das Militär die Lage im Griff hat.

Südafrikanischen Presseberichten zufolge wurde der Sturz Mugabes seit Monaten vorbereitet: Armeechef Constantino Chiwengas größtes Problem war, jüngere Kollegen von einem vorschnellen eigenen Coup abzuhalten. Die ungeduldigen Offiziere wollten Mugabe schon im August bei dessen Rückkehr von einem Gesundheitscheck in Singapur am Flughafen abgreifen. Das wäre dann ein regelrechter Putsch gewesen – ein Eindruck, den Drahtzieher Emmerson Mnangagwa unbedingt verhindern wollte. Denn in diesem Fall hätte das Ausland den ehemaligen Vizepräsidenten nicht als Nachfolger Mugabes anerkennen können.

Atemberaubendes Tempo

Mnangagwas Pläne sind raffinierter. Das "Krokodil", wie der jahrzehntelange Vertraute Mugabes im Volksmund halb schmeichelhaft, halb ängstlich genannt wird, will Mugabe politisch ausmanövrieren, indem er ihn erst als Partei- und dann als Staatschef absetzen lässt. Die erste Hürde ist bereits genommen: Am Sonntag sägte der Exekutivrat der Zanu-PF-Partei Mugabe kurzerhand ab und setzte Mnangagwa an seine Stelle. Das Tempo der "Umorientierung" der Partei ist atemberaubend: "Wir haben das Volk 1980 befreit", gab die Organisation schon am Samstag über Twitter bekannt: "Und heute machen wir erneut einen großen Schritt mit unserem Volk, um Simbabwe zu befreien."

Nun hat die Partei Mugabe aufgefordert, bis Montagmittag auch als Präsident zurückzutreten. Andernfalls sollte er vom Parlament abgesetzt werden, wo die nötige Zweidrittelmehrheit sicher wäre. Danach ist Robert Mugabe Rentner – und zwar ohne dass die Verfassung entscheidend verletzt werden musste.

Die Nachfolge kann dann Emmerson Mnangagwa antreten: Ihn halten viele für genauso undemokratisch und korrupt wie seinen Vorgänger. So weit wollen die Simbabwer aber noch nicht denken. Jetzt müsse erst einmal gefeiert werden, sagt der 38-jährige Sam Sechete, der bei Amtsantritt Mugabes ein Jahr alt war: "Das ist der schönste Tag meines Lebens." (Johannes Dieterich, 19.11.2017)