Bestrafung bedeutet für Kinder Demütigung und Ablehnung, sagt Autorin Katharina Saalfrank.

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Katharina Saalfrank
Kindheit ohne Strafen

Neue wertschätzende Wege für Eltern, die es anders machen wollen
Beltz-Verlag 2017
264 Seiten, 18,50 Euro

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Was tun mit einem Kind, das sich protestierend auf den Boden wirft, schreit und nicht einsehen will, dass seine Eltern ihm jetzt die Zähne putzen wollen? Soll man dem Kind drohen? Wird es durch die Ankündigung von Strafen und Konsequenzen besser werden? Handelt es sich hier gar um ein sogenanntes "Tyrannenkind", bei dem die Eltern endlich einmal konsequent "durchgreifen" sollten?

"Wenn du jetzt nicht sofort damit aufhörst, dann gibt es heute Abend keine Gutenachtgeschichte und du gehst allein ins Bett", hören sich die Eltern sagen. Und es funktioniert. Das Kind lässt sich die Zähne putzen. Lenkt ein und gehorcht – weil es Angst davor hat, allein schlafen gehen zu müssen.

Konflikt gelöst? Mitnichten! "Durch Bestrafung nutzt der Erwachsene seine elterliche Autorität – er missbraucht seine Macht und übt Kontrolle aus", schreibt Katharina Saalfrank in ihrem neuen Buch "Kindheit ohne Strafen". Von Berufs wegen kennt sie sich aus mit schwierigen Situationen. Als Pädagogin und Familientherapeutin mit eigener Praxis in Berlin hat sie zahlreiche Familien in alltäglichen Konfliktsituationen gecoacht.

Falsche Kausalketten

"Strafen demütigen und machen den anderen klein", sagt Saalfrank im Interview mit dem STANDARD. "Strafen sind Maßnahmen, die zur längst überholten schwarzen Pädagogik gehören", schreibt sie in ihrem Buch. Sie sind Teil eines Repertoires an Erziehungsmethoden, die auf Gewalt und Einschüchterung beruhen. Was Kinder derart lernen? Dass der Stärkere überlegen ist und sich mit Kränkung und Abwertung durchsetzen kann, so die Autorin.

Konstruktive Konfliktlösung sehe anders aus. Zu Beginn mag es anstrengend sein, langfristig werde es sich aber lohnen. Der Übergang von einem sanktionierenden Umgang hin zu einer wertschätzenden Beziehung braucht Zeit und kann kraftraubend sein. Das weiß Saalfrank aus jahrelanger Erfahrung. Ihr Buch richtet sich in erster Linie an Eltern, die es anders machen und vertrauensvolle Beziehung zwischen Eltern und Kind etablieren möchten. Aber auch Pädagogen und Therapeutinnen werden es mit Gewinn lesen. Anhand zahlreicher Erfahrungsberichte finden Leserinnen und Leser Rat und bekommen Beispiele, wie Erwachsene ohne Machtkämpfe auskommen und dennoch gehört werden.

Gleichwertigkeit statt Gleichberechtigung

Die Autorin möchte dabei nicht die eine Methode durch eine andere ersetzen. Sie arbeitet bindungs- und beziehungsorientiert. Soll heißen, dass sie nicht die Durchsetzung elterlicher Ziele in den Vordergrund stellt, sondern die Beziehung zum Kind. "Kinder sind es wert, gehört zu werden", sagt sie. Dabei gehe es ihr um Gleichwertigkeit. Nicht um Gleichberechtigung. Saalfrank: "Die Führungsverantwortung liegt ganz klar bei den Eltern. Es geht dabei um die Art und Weise der Führung. Übertrete ich dabei die Grenzen des anderen oder kann ich mich – trotz anderer Meinung – wertschätzend und klar positionieren?"

Dass sich Eltern positionieren sei wichtig. Ein Zeichen für eine Grenze ist es, "Nein" zu sagen. Voraussetzung dafür ist es, so die Autorin, "'Nein' sagen zu können und den daraus resultierenden Konflikt nicht zu scheuen". Konflikte bieten Wachstum, heißt es im Buch. Und: Strafen verhindern konstruktive Konfliktlösung.

Saalfrank erfindet dabei das Rad nicht neu. Aber sie legt eindringlich und nachvollziehbar dar, wie Konfliktlösung ohne Strafen und Sanktionen aussehen kann. Mit ihrem Plädoyer für eine Kindheit ohne Strafen, will sie Erwachsenen den Rücken stärken, sich nicht verunsichern zu lassen und eine wertschätzende Haltung im Umgang mit Kindern zu entwickeln. Eine wichtige Ermutigung für Eltern. (Christine Tragler, 24.11.2017)