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Das türkis-blaue Regierungsprogramm wächst offenbar: Am Dienstag wollen Kurz und Strache das Bildungskapitel vorstellen.

Foto: Reuters / Heinz-Peter Bader

Wien – Das "Neue", das ÖVP und FPÖ für ihre gemeinsame Regierung versprechen, dürfte auch manch Altes beinhalten. In einer bildungspolitischen Frage planen Türkise und Blaue jedenfalls einen Schritt zurück: Das traditionelle, fünfteilige Schulnotensystem soll in den Volksschulen wieder zum Maß aller Dinge werden.

Derzeit haben die Schulen dank ihrer Autonomie die Wahl: Lehrer und Eltern entscheiden zu Beginn des Schuljahres, ob die Kinder nach klassischen Noten von "Sehr gut" bis "Nicht genügend" beurteilt werden oder mittels einer schriftlichen "Leistungsinformation", die größere Differenzierungen ermöglicht. ÖVP und FPÖ wollen dieses System nun ändern: Das berichtete die "Kronen Zeitung", das bestätigen Vertreter beider Parteien auch dem STANDARD.

Zwar sollen Lehrer ihre Schüler weiterhin verbal beurteilen können, "weil dies ja auch Sinn macht", erläutert einer aus dem Kreis der blauen Koalitionsverhandler. Daneben aber soll die Vergabe von Noten wieder zur Pflicht werden: "Leistungen müssen auf übersichtliche Weise vergleichbar sein."

Noten an Volksschulen außer Mode

Für einen Gutteil der Volksschulen dürfte dies eine Umstellung bedeuten. Das Bildungsministerium hat wegen der Schulautonomie zwar keine aktuelle Daten, wie viele Standorte derzeit keine Noten vergeben. Doch vor der Einführung der gesetzlichen Wahlmöglichkeit im Schuljahr 2016/17 gab es an den 3.000 Volksschulen in Österreich 2.000 Schulversuche, im Zuge derer auf die klassische Bewertung verzichtet wurde. Betroffen sind prinzipiell aber nur die ersten drei Klassen, in der vierten gibt es in jedem Fall Noten, weil diese ja für die weitere Schulkarriere ausschlaggebend sind.

Standard soll das Fünfer-System auch wieder an den Neuen Mittelschulen werden, wo es derzeit sieben Noten gibt – ein Vorhaben, das Bildungswissenschafter Stefan Hopmann begrüßt: Die siebenstellige Skala sei "ein Schuss in den Ofen gewesen", zumal die Schulen diese völlig unterschiedlich interpretiert hätten. Abgesehen davon sieht der Experte im türkis-blauen Plan vor allem "Symbolpolitik". Die Frage der Noten werde überbewertet, zumal in Österreich auch die verbale Bewertung derart standardisiert ausfalle, dass es sich quasi um eine Notenvergabe handle: "Da heißt es dann etwa, ein Schüler habe eine ,befriedigende‘ Leistung erbracht. Da fehlt nur die Ziffer."

Bekenntnis zur Ganztagsschule

Was sich dem Vernehmen nach noch im Bildungskapitel des Koalitionspaktes, das die Parteichefs Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache am Dienstag abschließen wollen, finden soll: Bekenntnisse zum weiteren Ausbau der Ganztagsschulen sowie zu einer "Bildungspflicht für Lesen, Schreiben und Rechnen". Künftig soll es nicht mehr reichen, die Schulpflicht einfach abzusitzen, wie es jemand aus der ÖVP ausdrückt: Werden vorgegebene Ziele in den drei Disziplinen nicht erreicht, würden weitere Bildungsanstrengungen vorgeschrieben.

Durchforstet und kritisch hinterfragt werden sollen die vielen Erlässe des Ministeriums. Gerüttelt wird von blauer Seite etwa an jenem Erlass, der Sponsoren an Schulen Schranken setzt. Werbung ist dort derzeit zwar nicht verboten, unterliegt aber strenger Regeln – etwa um aggressive Geschäftspraktiken zu verhindern. (Gerald John, Gudrun Ostermann, 27.11.2017)