Wien – Walter E. ist 65 Jahre alt und hat eine Theorie, wie er Richter Thomas Spreitzer erklärt. "Es kommt ein Systemwechsel auf eine neue Monarchie. Daran wird schon seit Jahrzehnten gearbeitet. Mit Gehirnwäsche, dem Aufbau der Grünpartei. Das geht von Thinktanks aus, den Rothschilds", schwadroniert der wegen übler Nachrede angeklagte Unbescholtene. Vor Gericht sitzt er, da er auf seiner Webseite behauptet hatte, eine ehemalige Grünen-Politikerin sei früher im Rotlicht tätig gewesen.

Auf die Idee brachte ihn das Erinnerungsbuch einer ehemaligen Betreiberin eines Wiener Bordells. Die berichtete darin, eine "Eva" sei bei ihr tätig gewesen, um sich das Studium zu finanzieren. Das sei aber nicht der wahre Name der Frau, stellte die Geschäftsfrau gleichzeitig klar.

Kryptische Indikatoren

Herrn E. ficht das nicht an. Er formulierte das Gerücht auf seiner Seite. "Es hat Indikatoren gegeben, dass der Verdacht wahr sein könnte", erklärt er dem Richter nun kryptisch. Als da wären: ein Artikel der "Kronen Zeitung", der nicht mit der Behauptung im Zusammenhang steht, und das Buch der Bordellbetreiberin.

"Aber die Frau hat ja nicht einmal in Wien studiert!", hält Spreitzer dem Akademiker vor. "Das wusste ich nicht. Aber wissen Sie, in der Arbeit hat man nicht viel Zeit ..." – "Es gibt aber ja auch die journalistische Sorgfaltspflicht", belehrt ihn der Richter. Herr E. ist eigentlich Pensionist, wie er selbst sagt, aber sieht sich auch als Journalisten. "Ich muss aus Sicherheitsgründen noch weiterarbeiten", belehrt er den Richter und erzählt auch, dass er ein Einfamilienhaus als "Fluchtburg" besitze, da ein Krieg mit dem Islam komme.

Außerdem bedauert er die schweren Arbeitsbedingungen des Medienschaffenden. "Als Journalist hat man nicht die Möglichkeiten eines Gerichtsprozesses", meint er. "Jetzt schon", gibt ihm Spreitzer zu bedenken.

Ausschluss der Öffentlichkeit

Die Klägerin, die von der auch für den STANDARD tätigen Anwältin Maria Windhager vertreten wird, antwortet auf die Frage des Richters, ob E.s Behauptungen stimmen, schlicht mit: "Absolut nicht". Für die Einvernahme des Gatten der Bordellbetreiberin wird auf Windhagers Antrag die Öffentlichkeit ausgeschlossen.

Die Einvernahme bleibt kurz, ein Urteil gibt es dennoch nicht. Auf Drängen von Herrn E. beantragt sein Verteidiger eine Vertagung, um die Bordellbetreiberin selbst als Zeugin hören zu können. Die Frau ist schwerkrank und braucht derzeit laut ihrem Ehemann Bettruhe und Schonung.

Anwältin Windhager spricht sich dagegen aus, da das bisherige Beweisverfahren absolut kein Indiz dafür gebracht habe, dass an E.s Unterstellungen etwas dran sei. Der Richter vertagt dennoch auf unbestimmte Zeit. (Michael Möseneder, 28.11.2017)