Es ist eine verkorkste Situation: Egal welche Anstrengungen Google in den letzten Jahren unternommen hat, die Update-Situation unter Android hat sich bislang nur marginal verbessert. Jenseits von Googles eigenen Geräten sieht die Lage weiterhin ziemlich betrüblich aus, selbst bei Smartphones der obersten Preisklasse sind monatliche Sicherheitsupdates und ein halbwegs akzeptabler Support-Zeitrahmen noch längst keine Selbstverständlichkeit. Deutlich schlimmer sieht es in den mittleren und unteren Preisregionen aus, hier können die Nutzer meist schon froh sein, wenn sie überhaupt einmal ein größeres Update erhalten – von regelmäßigen Sicherheitsbereinigungen ganz zu schweigen. Hatte früher Googles selbst mit der Nexus-Reihe – zum Teil – wenigstens die Mittelklasse abgedeckt, ist auch dieser Lichtblick mit dem Umstieg auf die hochpreisigen Pixel-Geräte weggefallen.

Update-Versprechen

Eine betrübliche Situation, die Google nun mit einer neuen Initiative zu ändern sucht – oder genauer genommen mit der Wiederbelebung einer bislang vor sich hindümpelnden Kampagne. Unter dem Namen Android One hat der Softwarehersteller eine Kooperation mit einigen bekannten Smartphone-Herstellern geschlossen, die sich durch ein zentrales Versprechen auszeichnet: Zwei Jahre lange gibt es hier große Versions-Updates, drei Jahre lang monatliche Sicherheitsaktualisierungen – etwas das bisher nur Googles Nexus / Pixel Geräte versprachen.

Android One verspricht deutlich mehr Sicherheit in Preiskategorien, bei denen die Hersteller meist keinerlei Wert auf solche Dinge legen.
Foto: Andreas Proschofsky / STANDARD

Während frühere Android-One-Bemühungen auf Schwellenländer und kleinere Hersteller begrenzt waren, ist die neue Generation dieser Initiative für alle Märkte gedacht. Im deutschsprachigen Raum gibt das HTC U11 Life den ersten Vertreter dieser Linie ab, in angrenzenden Ländern und über Online-Händler ist es zudem ein Leichtes das Xiaomi Mi A1 zu bekommen.

Hardware als Nebensächlichkeit

In Sachen Hardware bieten beide in etwa das, was man von Vertretern der jeweiligen Preisregionen – 380 bzw. 240 Euro – erwarten darf: Das HTC U11 Life ist mit einem Snapdragon 630 Prozessor und 4 GB RAM ausgestattet, der LCD-Bildschirm 5,2 Zoll groß. Das Xiaomi Mi A1 hat einen 5,5 Zoll großen Screen, die Auflösung von 1.920 x 1.080 Pixel teilen sich beide. Als Prozessor kommt beim Mi A1 ein etwas älterer Snapdragon 625 zum Einsatz. Die relevanten Unterschiede zu aktuellen Topgeräten sind vor allem bei der Kamera und in Fragen Performance zu suchen – so weit, so wenig überraschend.

(Fast) Stock Android

Das wirklich herausragende ist hier aber wie gesagt die Software: Beide Smartphones sind mit einem gegenüber der Vorlage von Google weitgehend unverändertem Android ausgestattet. Das HTC-Gerät bietet als Extra eine Edge-Sense-Funktion mit der sich der Rahmen als Knopf drücken lässt, das Xiaomi-Smartphone liefert wiederum eine eigene Fernbedienungs-App mit. Und die Kamera-App kommt in beiden Fällen vom Hardwarehersteller – das war es dann aber eigentlich schon.

Diese Zurückhaltung erlaubt es neue Softwarevorlagen von Google rasch zu übernehmen, die monatlichen Sicherheitsaktualisierungen gibt es entsprechend immer bereits wenige Tage nach Googles eigenen Geräten. Dies übrigens obwohl die Updates in der Verantwortung der Hardwarehersteller verbleiben.

Tag und Nacht

Geradezu ein Paradebeispiel für die Vorzüge dieses Modells ist das HTC U11 Life, wird es doch in den USA mit HTCs eigener Android-Variante statt Android One ausgeliefert. Das Ergebnis: Statt mit Android 8 – wie die Android-One-Edition – wird das U11 Life in Nordamerika mit dem eine Generation älteren Android 7.1.1 verkauft, und noch wesentlich wichtiger: Ein langfristiges Update-Versprechen gibt es hier nicht.

Das erste offiziell in Österreich und Deutschland verfügbare Smartphone mit Android One: Das HTC U11 Life.
Foto: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Die europäische Ausgabe präsentiert sich hingegen als das Android-Smartphone mit der bisher schlanksten Softwareausstattung: Gerade einmal 16 Apps sind hier fix vorinstalliert, acht weitere werden zwar beim Setup eingerichtet, können aber nachträglich komplett entfernt werden. Interessant ist dabei übrigens auch, was sich alles in dieser Liste findet: Mit Google Play Movies und Music lassen sich nämlich zwei Apps deinstallieren, die bisher noch bei allen Android-Geräten verpflichtend waren, wer will kann sogar den Taschenrechner vom Smartphone verbannen.

Xiaomi

Nicht ganz so aktuell ist derzeit das Xiaomi Mi A1, das noch mit Android 7.1.2 läuft, auch wenn ein Update auf Android 8 "Oreo" noch vor Jahresende versprochen ist. Viel wichtiger als große Feature-Updates sind aber ohnehin die Sicherheitsaktualisierungen, und da liegt das Mi A1 derzeit amüsanterweise sogar vor Googles eigenen Geräten: Der Patch Level 6. November bedeutet nämlich, dass man neben all den bei Nexus- und Pixel-Devices geschlossenen Lücken auch noch die KRACK-Fehler bereinigt, über die sich geschützte WLAN-Verbindungen knacken lassen. Google will diese Bugs bei seinen Smartphones und Tablets erst im Dezember bereinigen.

Android P

Zudem verspricht Google auch eine weitere Verbesserung des Update-Support in Hinblick auf große Versionssprünge: All die Android-One-Devices sollen zu den ersten Geräten zählen, die kommendes Jahr dann die Aktualisierung auf Android 9 / Android P erhalten werden.

Das Xiaomi Mia A1 verfügt über eine Doppelkamera, das Spannendste an dem Gerät bleibt aber die Software.
Foto: Andreas Proschofsky / STANDARD

Android One. Dann lange nichts.

Man muss es in aller Deutlichkeit sagen: Alleine schon aus einer Sicherheitsperspektive ist es derzeit schwer in diesen Preisregionen Geräte jenseits der Android-One-Reihe zu empfehlen. Die einzige wirklich relevante Ausnahme von dieser Regel bilden derzeit die Nokia-Smartphones, wo Hersteller HMD Global – wenn auch ohne offizielles Android-One-Logo – ein sehr ähnliches Konzept verfolgt, und vergleichbare Supportzeiten verspricht.

Zeichen setzen

Bleibt zu hoffen, dass diese neuen Initiativen den restlichen Markt unter Druck setzen, und sich als erster Schritt das Versprechen auf drei Jahre monatliche Sicherheitsaktualisierungen bei sämtlichen Geräten als Minimalstandard durchsetzt – egal in welcher Preisregion und auch unabhängig davon, ob darauf dann "Stock Android" oder eine umfassend angepasste Variante des Betriebssystems läuft. Ob dies gelingt, wird nicht zuletzt auch davon abhängen, ob die Konsumenten das Android-One-Angebot annehmen, oder doch wieder zu einem Smartphone greifen, das schon direkt bei der Auslieferung veraltet und unsicher ist. Es gilt also über die Brieftasche abzustimmen. (Andreas Proschofsky, 3.12.2017)