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US-Sanktionen gegen den Iran umgangen: Reza Zarrab – hier im Jahr 2013 – organisierte von der Türkei aus sein Milliardengeschäft.

Foto: AP

New York / Ankara – Er trägt Gefängniskleidung, ein einfaches Hemd über einem grauen T-Shirt, so beschreiben ihn Beobachter im Gerichtssaal. Aber Reza Zarrab sitzt nicht mehr in einer Zelle und auch in keinem Hotelzimmer irgendwo in New York, so sagt er selbst. Der wichtigste Mann in diesem Prozess um ein Milliardengeschäft zur Umgehung von US-Sanktionen gegen den Iran ist im Handumdrehen vom Hauptangeklagten zum Kronzeugen geworden. Zarrab, der türkisch-iranische Goldhändler, kooperiert mit der amerikanischen Justiz. Das FBI hat ihn nun unter Kontrolle. Am zweiten Prozesstag in New York sagt Zarrab erstmals aus, und es wird ein Debakel für die türkische Regierung.

Bis zur Mittagspause im Gericht in Manhattan belastete Zarrab bereits zwei frühere türkische Minister und zwei Topmanager der staatlichen Halk Bank. Auch den Schwiegersohn von Staatschef Tayyip Erdoğan und heutigen Energieminister stellte er zumindest in ein schiefes Licht.

45 bis 50 Millionen Euro, sieben Millionen Dollar (5,9 Millionen Euro) und umgerechnet eine weitere Million Dollar in türkischer Lira habe er dem damaligen Wirtschaftsminister Zafer Çağlayan 2012 gezahlt, gibt Zarrab vor allem an. Für die Türkei ist das ein Schock: Die große Korruptionsaffäre, die im Dezember 2013 die Regierung Erdoğan erschütterte und den Beginn der Massensäuberungen in Polizei und Justiz markierte, war offensichtlich begründet.

Umgehung von Sanktionen

Auch außenpolitisch ist es ein brisanter Prozess, der diese Woche anrollte: Die USA klagten den 34-jährigen Lebemann Zarrab wegen Umgehung von Iran-Sanktionen und betrügerischer Nutzung US-amerikanischer Banken an. Allein zwischen Dezember 2012 und Oktober 2013 sollen Zarrab und seine Gehilfen für den Iran mehr als 900 Millionen Dollar durch das Finanzsystem der USA geleitet haben. "Hochrangige Regierungsvertreter im Iran und in der Türkei waren an diesem Schema beteiligt und schützten es", hieß es in der Anklageschrift vom vergangenen September.

Zarrab, so wurde am Dienstag bekannt, hatte sich vor Prozessbeginn bei einer geschlossenen Anhörung im Oktober in allen Anklagepunkten schuldig bekannt. Es sei der richtige Weg, um die Verantwortung für die Taten zu übernehmen und möglichst bald aus der Haft zu kommen, erklärte der Geschäftsmann am Mittwoch den Geschworenen.

Zarrab begann sein Geschäft für den Iran zunächst über die türkische Aktifbank. Geholfen habe ihm dabei der damalige türkische EU-Minister Egemen Bağış, so gibt Zarrab an. Iranisches Öl gegen Gold war der Plan. Die Aktifbank wiederum gehört zum Çalık-Konzern, den damals der junge Berat Albayrak führte, der Schwiegersohn des damaligen Regierungschefs und heutigen Staatspräsidenten Erdoğan. Als ihn die Aktifbank beim Iran-Geschäft hinausdrängte, ging Zarrab zur größeren Halk Bank. Dafür brauchte er die Unterstützung des Wirtschaftsministers.

Präsident in Erklärungsnot

Erdoğan selbst sieht sich auch in einer anderen Finanzaffäre unter Druck gesetzt. Der türkische Präsident hatte seinen Rücktritt angekündigt, sollte der Vorsitzende der Oppositionspartei CHP, Kemal Kılıçdaroğlu, die Behauptung belegen können, er, Erdoğan, habe Millionen von Dollar auf einem Konto im Ausland. Sei Kılıçdaroğlu nicht dazu in der Lage, solle der Oppositionschef zurücktreten.

Die Rücktrittsfrage zu erheben ist bereits ein Ritual im Verhältnis der beiden Politiker, die einander verachten. Kılıçdaroğlu präsentierte am Dienstag tatsächlich Dokumente. Allerdings benennen sie nicht Erdoğan selbst, sondern Sohn, Schwager und Bruder, die an eine Offshore-Firma auf der Insel Isle of Man Ende 2011 insgesamt 15 Millionen Dollar überwiesen hatten. Kılıçdaroğlu solle seine Dokumente der Justiz zur Überprüfung geben, empfahl Erdoğan. (Markus Bernath, 29.11.2017)